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Der Porzellanhund

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Wenn Lene an das Jahr 1936 zurückdachte, so war das im Hinblick auf die baltischen Armreifen eine eigenartige Verknüpfung von Schicksal und Familieneinbindung. Wenn sie daran dachte, dann mit sehr zwiespältigen Gefühlen. Trauer, Verzweiflung und erleichtertes Aufatmen ließen sich schwerlich unter einen Hut bringen. Und von Zukunft war damals eigentlich nur äußerlich die Rede.

Als sie im Herbst 1936 in Hamburg-Altona aus dem Zug stiegen, hatten sie eine lange Fahrt hinter sich.

Sie schleppte Koffer und Rucksack, Georg lud den zweiten Rucksack auf seine schmalen, 15jährigen Schultern und packte Tasche und Koffer an. Hannele, gerade 11 Jahre alt, ließ Lenes Hand nicht los. Suchend sahen sie sich um.

Ernst stand auf dem Bahnsteig. Wie alt er aussah. Die Schultern vorgebeugt, sein Schädel fast blank, sobald er den Hut schwenkte, als er sie erblickt hatte. Aber seine Augen leuchteten altbekannt. „Lenchen!“

Sie liefen aufeinander zu, lagen sich in den Armen. Sich aneinander festzuhalten, das war doch etwas. Fast wie ein Nach-Hause-Kommen. Mein Gott, das tat gut nach all dem elendigen Durcheinander in den vergangenen Monaten.

Die Kinder waren zögernd stehengeblieben. „Weint er?“ flüsterte Hanna.

„Sei nicht dammlich“, sagte Georg, „Du weißt doch, dass wir alle traurig sind.“ Aber er hatte beim Anblick des unbekannten Onkels einen hoffnungsvollen Zug um den Mund, das bemerkte die kleine Schwester auch bei der eigenen Unsicherheit.

Lene nahm sich zusammen, straffte die Schultern, holte tief Luft. „Meine Güte, sind wir froh, dass wir hier sind bei Onkel Enn.“

„Sagt man gerne ‚Viva‘ zu mir. So nennen mich hier die lieben Leute.“

Die Kinder gaben ihm die Hand, Hanna knickste mit einem fragenden Blick, Georg dienerte wohlerzogen. Ernst musterte sie. Sein altvertrautes Lächeln wischte Unsicherheiten aus. „Ich denk‘ wir kommen schon klar, was Hanna? Geoorch?“

Der Junge lächelte dankbar. Der Onkel sprach seinen Namen ostpreußisch aus, das tat gut.

Sie nahmen die Straßenbahn. Lene sah die Blicke der Kinder, die neugierig den unbekannten Onkel musterten.

„Keine Bange“, sagte der, „Ihr seid natürlich gespannt, wie das so wird mit uns.“ Er spreizte erwartungsvoll die Finger auseinander, „Und das bin ich übrigens auch, wisst ihr?“

Als Lene die zaghafte Erleichterung in Georgs Gesicht sah, war sie bereits sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Die beste Notlösung auf jeden Fall.

Sie saßen sich gegenüber, die jungen und die alten Geschwister. Die Kinder sperrten Augen und Ohren auf vor der fremden, großen Stadt, die sie gemütlich durchquerten. Hamburg, das war neu, ebenso das Quietschen in den Kurven und das eifrige Klingeln dieser komischen gelben Straßenbahn an den Haltestellen. Die Bahn fuhr auf Schienen, hing an der Oberleitung wie an Drähten eines vom Grauhimmel gesteuerten Marionettentheaters.

„Müde?“ fragte Enn.

Lene nickte. Müde von der Fahrt, müde sowieso durch und durch von innen heraus das ganze letzte Jahr. Müde, wie zersplittert und gleichgültig fühlte sie sich wie nie zuvor in ihrem Leben, - das waren ihr bisher völlig unbekannte Gefühle. Erstaunlich, dass da doch so etwas wie eine Spitze von Neugier sich hervordrängelte. Obwohl: was konnte jetzt noch kommen? Gegen die Gleichgültigkeit hatte sie angekämpft. Wegen der Kinder. Das war sie Paul schuldig. Das einzige, was sie für ihn noch tun konnte, was ihr geblieben war.

„Umsteigen“, sagte Enn und stand auf. Dammtor hieß es hier. Dann in die nächste Bahn, eine Nummer zwei, Richtung Winterhude. Was für Namen die hier hatten.

Schon bald sollten sie wieder aussteigen. „Eppendorfer Krankenhaus“, sagte der Onkel, den sie Viva nennen sollten, „Da oben ist die Wohnung.“ Er wies in die hohen Baumzweige gegenüber, hinter denen Hausmauern knapp zu erkennen waren. Sie überquerten die große Straße. Der Wohnblock aus roten Klinkern lag behäbig zwischen Kastanienlaub unter dem blassen Abendhimmel. Hier wirkte die Stadt nicht ganz so städtisch wie Lene es befürchtet hatte. Und dann das Treppenhaus mit halbhoch moosgrün tapezierten Wänden, verhalten knarrenden, gebohnerten Dielen, und die Glastür des Fahrstuhls mit blitzenden Messing-Griffstangen und -Rahmen. Also wirklich, vor solchem Luxus erstarrten sie alle drei fast ehrfurchtsvoll. So vornehm? Fragend blickten die Kinder, aber der Viva nickte schmunzelnd. „Is‘ schon richtig hier.“

Dann zeigte er ihnen die Wohnung. Hohe Zimmer, weiße Decken, Tapeten und weiß gestrichene Türen, große Fenster überall. Herrschaftlich. Nobel. Sie staunten.

„Provisorisch erstmal“, erklärte Ernst, „Eure Möbel kommen ja noch.“

„Und die Bücher“, erinnerte Lene.

Sie ließen sich herumführen wie in einem leeren Museum. Vorn die Garderobe, ein Spiegel über dem Tischchen. „Da kommt der Hund drauf“, meinte Lene.

„Ach, ja? Den hast du noch?“

„Kennst du den? „ fragte Georg, „Unseren weißgrauen Porzellanhund?“

„Natürlich.“ Viva lächelte. „Sowas vergisst man nicht.“

Das war wie ein kleiner Schritt aufeinander zu. Weitere würden folgen.

Links vom Eingang, der Garderobe gegenüber, ein kleines Zimmer mit Fenster zum weitläufigen Innenhof. „Das war früher das Mädchenzimmer, die Hilfskraft, die wäre eigentlich auch jetzt noch nötig“, meinte Ernst, „Oder, ich dachte, vielleicht wird das dein Reich, Georg?“

Sie guckten erstmal weiter. Den Flur entlang. Rechts neben der Garderobe, stand eine Couch, die man unter Kissen kaum sehen konnte. Daneben das Telefon. Das war nicht üblich zu der Zeit. Aber hier bei Ernst und seinen Hanseaten hätte Lene wahrscheinlich nichts anderes erwarten können. Die Kinder waren von zu Hause natürlich daran gewöhnt.

Dann, neben dem kleinen Zimmer, die Küche: Geräumig, sah Lene. In der Mitte ein großer Tisch mit Stühlen, rechts vor der Wand ein Herd, Spüle, links hinten eine schmale Balkontür, in der Ecke wohl eine Speisekammer.

Ernst öffnete die Tür. „Der Balkon ist winzig. Aber wir können uns zuwinken.“

Lene sah ihn fragend an, dann begriff sie. „Kaki und Christian wohnen da drüben mit den Jungs?“ Sie blickte in das Hofkarree hinunter, sah eine magere Wiese, zwei Teppichstangen. Rundum der Häuserblock, einheitlich rote Klinker, große Fenster, kleine Küchen-Balkone. Irgendwo da gegenüber wohnten sie also: Ernsts Tochter mit ihrer Familie. „Wie gut für euch“, sagte sie und begriff ohne Worte, wie der Bruder froh war nach Metas Tod wenigstens Margarita in der Nähe zu haben, die von allen Kaki genannt wurde.

Ernie, Enns Ältester, war mit seiner Irene in Venezuela geblieben mit ihrer inzwischen großen Familie. Und Peter? Der wohnte auch nicht weit weg. soviel Lene wusste.

„Was für Jungchen?“ wollte Georg wissen.

„Die beiden von Vivas Tochter, der Kaki“, sagte Lene, „Die werdet ihr kennenlernen.“

„Sind noch klein, Eure Neffen“, sagte Viva, „Sechs und acht Jahre alt.“

Hanna blieb stumm. Blickte wie ihr Bruder in den Hof hinunter. Zwei Mädchen liefen da mit einem Ball herum. „Habt ihr keinen Garten?“ fragte sie schließlich leise.

Lene presste die Lippen aufeinander. Viva strich der Nichte über die dunklen Zöpfe. „Es ist ganz sicher da unten“, sagte er zu Lene gewandt, „Kein Garten, aber sicher vor fremden Leuten und vor Hunden. Kein direkter Zugang von der Straße her.“

„Man kann nicht alles haben“, meinte Lene. Der Garten vorher, die Freiheiten dort überall in und um die Kleinstadt, - Sicherheit war dort selbstverständlich gewesen. Hier war die Fremdheit einer Großstadt. Einfach würde es natürlich nicht werden. Nicht für die Kinder, nicht für sie selbst.

Sie traten wieder auf den Flur. Links um die Ecke herum öffnete sich eine riesig große Diele im Halbdunkel. „Der Korridor“, sagte Ernst.

„So viel Platz?“ staunte Hanna, „Und unsere Sachen?“

Es wird hier schon alles hineinpassen“, sagte Lene, „Das sehen wir dann.“

Geradeaus hinter der Glastür war erstmal ein großes Zimmer mit Blick zur Straße und zum Park. Nur ein Sessel und ein niedriges Tischchen mit Aschenbecher standen da. „Das wird wohl unser Wohn- und Esszimmer?“ meinte Ernst fragend.

Daneben lag ein weiteres Zimmer, auch zur Straße hin, ganz leer bis auf drei Matratzen mit Bettzeug auf dem Fußboden. „Provisorisch, sag‘ ich ja.“ Ernst hob bedauernd die Schultern. „Von Kaki geliehen.“

Georg nickte. Ihm machte Provisorisches sicher am wenigsten aus. Lene lachte. „Wunderbar erstmal. Danke.“

Das Eckzimmer war bewohnt. „Oh, grün!“ rief Hanna. Sie staunten – und waren alle sofort verliebt.

„Dein grünes Reich, Enn?“ An den Wänden Aquarelle und Ölgemälde, neben dem Fenster die Staffelei, auf der anderen Seite ein Schreibtisch mit losen Blättern, im Hintergrund Bett und Schrank.

„Aber ich dachte…“, Georg zögerte, „Bist du nicht Kaufmann?“

Der Onkel zwinkerte ihm zu. „Das war ich allerdings. Aber jetzt male ich nur noch.“

„Und paffst“, stellte Lene fest und schnupperte in die intensive Zigarren-Luft.

Nebenan öffneten sie die Tür zum anderen Eckzimmer, das lag zum Hof hin und war auch leer. Daneben gab es einen schmalen, langen Raum mit einer überdimensionalen Badewanne an der Längswand. Andächtig blieben sie in der Tür stehen. Lene hatte bisher nicht auf sich selbst geachtet, spürte aber jetzt plötzlich, wie verschwitzt sie war, wie sie sich nach Wasser sehnte. „Herrlich“, lobte sie.

Daneben ein Raum, noch schmaler, da befand sich das Klo mit extra Waschbecken, nach hinten hin war das Räumchen horizontal abgeteilt, der obere Teil hatte hinten ein Fenster, das mit einer langen Stange zu öffnen war, der untere Teil war zugemauert und verbarg die niedrige Speisekammer, die ja von der Küche aus zugänglich war.

Der erste, große Schritt war getan. Der zweite, bald darauf, war der Tag, an dem ihre Möbel kamen. Und die elf großen Bücherkisten. Meine Güte, so viele Bücher hatten selbst die Hanseaten hier anscheinend noch nie gesehen. So dachte Lene amüsiert angesichts der erstaunten Gesichter mit ungläubig aufgerissenen Augen im Treppenhaus. Möbel und Kisten um Kisten schleppten die Träger unten in den Fahrstuhl und dann oben in die Wohnung. Die Hausbewohner ließen sich das Ereignis nicht entgehen. Man musste doch sehen, was diese seltsam sprechende Frau aus Ostpreußen für Möbel hatte. Viel konnte es ja nicht sein. Eine Frau, naja, die brachte gewöhnlich ihren Nähtisch, Strickkorb, ihre Kochtöpfe, vielleicht ihr Kopfkissen, Blumentöpfe oder ein Heft Backrezepte an. Aber Bücher? Liebe Zeit, was wollte eine Frau denn damit? Ein ganzes Regal voll womöglich? Nein, wo gab es denn so etwas? Selbst vornehme Leute mussten sich doch nicht unbedingt mit Büchern belasten. Und die beiden Kinder, ja, wie redeten die denn? Kaum zu verstehen so ein Kauderwelsch.

Lene dirigierte in der Wohnung die Möbel an ihre richtigen Plätze. Wie und wo sie was stellen wollten, hatte sie zuvor mit ihrem Bruder wohl durchdacht. Der Schreibtisch ins Wohnzimmer rechts hinten ans Fenster, das Bücherregal gegenüber. Der runde Tisch mitten ins Zimmer, dahinter an die Wand das alte Familien-Kanapee. Der Flügel, - na, der war natürlich nicht so einfach zu transportieren, o je, o je, ein Glück, dass Muttchen das nicht mitansehen musste -, der und die Chaiselongue ins zweite Wohnzimmer nebenan. Den anderen Schreibtisch sollte Georg in seinem Zimmerchen haben, der gehörte sowieso zu seinem väterlichen Erbe. Ja, und die Küche wurde jetzt mit weiterem Geschirr und Töpfen richtig ausgestattet. „Fehlt noch der Eisblock für die Speisekammer, Enn, den hast du doch bestellt?“

Ernst lehnte in der Küchentür oder stand abwechselnd in der Diele im Weg und hielt sich an einer Zigarre fest. Ab und zu nickte er, erkannte manches wieder. „Das hast du noch? Ach ja, ich erinnere mich. Herrschaften, das sieht ja hier bald so aus wie bei uns zu Hause früher?“

Die Vergangenheit, dachte Lene, sie hängt sich an Möbeln und Gegenständen fest. Die Vergangenheit, die schleppt doch jeder mit sich herum. Und wir alten Leute erst recht. War sie alt? Mit 47 Jahren? Um Himmels Willen, sollte denn ihr Leben schon fertig sein?

Sie gab sich Mühe. Nach und nach gelang es ihr, die Haynstraße, die Wohnung, das Zusammenleben mit dem Bruder, mit ihren Kindern hier und seinen Kindern drüben im Wohnblock auf der anderen Hofseite, das alles als ein neues Zuhause zu sehen. Die Kinder, vorher gewohnt ihr eigenes Leben, - eigene Freunde, Spiele, Treffpunkte -, zu leben, die rückten dichter an sie heran. Hanna besonders. Gerade sie, die bisher alle unbewussten Privilegien der Tochter, des Vater-Lieblings, gewohnt gewesen war, sie brauchte und fand jetzt ihre Mutter. Sie selbst, Lene, hatte Zeit. Ganz ungewohnt. Sie hatte weder Schüler, noch Schule oder Schul-Organisatorisches hier. Die Kinder brauchten sie, so wie sie die Kinder brauchte. Erstaunlicherweise war es Hanna, die sich am schnellsten eingewöhnte. Begierig sog sie alles Neue hier in der Großstadt in sich hinein, fand ihre Schlupfwinkel und Freundinnen, passte sich an. Alles mit einer Art spielerischer Leichtigkeit, oft wie aus einem Traum heraus und zugleich aus beobachtend kritischer Distanz und mit eigensinnigem Dickkopf. Lene wurde jetzt erst bewusst, wie selbständig die kleine Hanna früher schon gewesen war, wie wenig sich jemand um sie hatte kümmern müssen, wie wenig Zeit sie selbst für ihre Tochter bisher erübrigt hatte. Jetzt wurschtelte sich Hanna ebenso selbständig wie zuvor auch hier durch alle Schwierigkeiten. Früh und unwillkürlich hatte sie Individualität gelernt. Lene erkannte auch sich selbst darin wieder. So hätte sie vermutlich auch reagiert.

Für Georg dagegen war alles schwieriger. Vor einem Jahr erst war er nach Königsberg ins Gymnasium gekommen. Aufatmend, der strengen, gefürchteten Autorität des Vaters entkommen zu sein, hatte er gerade begonnen, sich dort selbst zu entdecken. Besonders nach seiner Konfirmation im Frühjahr war er entschieden ein erstes Stückchen erwachsen geworden. Dennoch der Schock, der plötzliche Druck eines schlechten Gewissens, wenngleich natürlich ungerechtfertigt... Nein, Lene verbot sich daran zu denken. Und jetzt für Georg zusätzlich gleich ein zweiter Schulwechsel. Konnte das anders als eine Katastrophe werden? Der Junge, schmal, feingliedrig wie sein Vater, mehr als normale Größe würde er nicht erreichen, so sehr er sich auch streckte. Die schlaksigen, meist hoch aufgeschossenen, kräftigen Hamburger Jungs dagegen waren durchweg kühl herablassende Hanseaten. Arrogant, so musste Georg sie empfinden. Und sie nannten ihn lässig „Geeorg“, statt des gewohnt liebevollen „Geoorch“. Sobald er aber selbst den Mund aufmachte, bereits nach wenigen Worten, krümmten sich die Bengels vor Lachen. „Kiek mol, der kann ja nich‘ mol richtig Deutsch!“

Georg schwieg erschrocken. Was konnte er denn für seine breite, ostpreußische Schabber-Snut? Nein, über den Klang seiner Kindheit, seiner Freunde, sollte keiner lachen. Er wurde schweigsam, verschlossen. Und wieder erwischte ihn jede Grippe, jede Halsentzündung warf ihn gleich fiebernd zu Bett. Er ging zwar weiterhin zur Schule, solange es irgend nötig war, aber er war nur körperlich anwesend. Innendrin, gedanklich, war er bereits weit voraus und weg, nämlich bei dem Vetter, den Nichten und Neffen in Venezuela. Er musste sich lediglich sein langjährig bewährtes Kaufmannsgespür offiziell bestätigen lassen. Und Spanisch würde er natürlich lernen, das konnte nicht so schwierig sein, er verstand ja bald sogar die s-pitze S-prache der Hamburger Jungs und sogar etwas Hamburger Platt. Alles kein Problem. Und dazu brauchte er nicht mal Abitur. Wen er allerdings brauchte, das war Onkel Enn, den Viva. Das war einer, Mannchen, ein größeres, besseres Vorbild gab es nicht auf der Welt. Wie viele Stunden saß Georg mit dem Onkel in dessen grünem Zimmer und ließ sich zwischen Onkels Pinseln und Farbträumen von Maracaibo, von den Urwäldern Venezuelas, von Trinidad, Curacao und anderen fernen Orten erzählen. Und träumte sich weit weg.

Ernst hatte nichts dagegen. Er mochte den Jungen gut leiden. Und Lene war heilfroh darüber. Georg sollte seinen eigenen Weg suchen und finden. Sie würde ihn zu nichts zwingen, ihn in keine bestimmte Richtung drängen. Was er auch anfing, sie würde ihn unterstützen. So wie ihr eigener Vater sie jederzeit unterstützt hatte.

Und sie selbst? Sollte sie den Rest ihres Lebens hier sitzen, niedergedrückt, gebeugt, mit den Zähnen klappernd und trauern?

Ja, das war wieder eine andere Geschichte.

Magdalenas Mosaik

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