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Prolog

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Wer bist du?

eine Brille auf dem Schreibtisch vor der Kant-Büste,

aufgeschlagene, bebilderte Seiten eines Merianheftes: Stadtanlagen Ostpreußens,

Reihen altersduftender Bücher im schwarzen Holzregal hinter der Chaiselongue,

das dicke, hochlehnige Kanapee hinter dem runden Esstisch,

das imposante Ölportrait eines energischen Herrn: der Urgroßvater,

Brennschere und Kerzenhalter aus Messing auf dem schmalen Bord über der Heizung,

die weißbraunen Schachbrett-Karos des niedrigen Spieltisches zwischen zwei Sesseln,

tief unten vor dem Fenster draußen der quirlige Verkehr auf der Breitenfelder Straße

und Baumwipfel vor dem Universitätskrankenhaus Eppendorf,

eine kuschelige Pelzweste aus Kaninchenfell,

faltige Hände, behutsame Finger auf den Bilderbuchseiten,

Linien, Furchen, Kerben erlebter Begebenheiten auf der Stirn,

gegerbter Humor in den Augenwinkeln, fragend,

ein strenger Mund vor versiegelten Erinnerungen,

dein Gesicht voller Antworten, deren Fragen ich noch nicht kenne,

dein Blick nach innen, - weit weg – zurück? Wohin?

Wer bist du?

Spärliche, fast verlorengegangene Mosaiksteinchen aus blassen Erinnerungsbruchstücken, die kaum ein Ganzes ergeben können. Kein greifbares Bild, kein farbiger Inhalt, nur Fragen. Wo gibt es Anfänge? Wie sehen sie aus? Führen sie zu einem Mittelpunkt? Welche Farben, Formen und Dimensionen hat dieses Bild? Wie viele Teilchen gibt es? Wie lässt sich dieses verblasste Durcheinander entwirren?

Da sitzt eine frühe Erinnerung mit der Großmutter auf der moosgrünen Chaiselongue, -dahinter die nach altem Leder duftenden, gedämpft farbigen Bücherreihen in dem hohen schwarzen Holzregal. Ein kleines Mädchen neben Großmutter auf jenem Sofamöbel und fragende Blicke zu dem alten Gesicht hinauf: wer bist du eigentlich?

Und die Großmutter, mit einem Lächeln nach unten auf das kleine Gesicht herunter: Und du? Wer wirst du eines Tages werden?

„Als ich so klein war wie du…, früher mal…“, so mag es angefangen haben mit uns beiden.

Angefangen mit liebevoll wissendem Lächeln in meine ungläubigen Blicke hinein, denn wie hätte ich mir diese Großmutter kinderklein vorstellen können? Niemals. Oder vielleicht doch? Ihr Lächeln wie aus anderen, unbekannten Zeiten – zu mir, in meine kleine, blaue Kinder-Neugier hinein. Und dann, zögernd, mochte sie angefangen haben zu erzählen.

Früher mal auf der Chaiselongue, das war damals, als wir uns zuerst richtig trafen, etwa 1952, als ich fast drei Jahre alt war.

Ganz früher mal, im April 1892, wurde die Großmutter selbst drei Jahre alt wurde, also lange vor meiner eigenen Zeit, als ich sie kennenlernte. Lange bevor die Großmutter zur Gromo wurde. Lange bevor Großmutter Lene selbst nach und nach entdeckte, wer sie eigentlich war oder werden sollte.

Magdalenas Mosaik

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