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Marie Josepha, Ehefrau Erzherzog Ottos und Mutter Carls (in den Tagebüchern zunächst Mitzi, später Marie Josepha genannt)

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Erzherzogin Marie Josepha entstammte einer der gebildetsten und für ihre eigenwilligen Charaktere berühmten deutschen Dynastien, dem Geschlecht der Wettiner, das in Sachsen regierte. Unter ihnen gab es etliche wissenschaftlich und musisch hochbegabte Persönlichkeiten, einer von ihnen entdeckte und förderte Richard Wagner, lange bevor König Ludwig II. von Bayern sich für diesen Künstler interessierte. So ist es verwunderlich, über wie wenige Interessen Marie Josepha als Mitglied dieser Familie verfügte. Obwohl sie als Prinzessin eines deutschen Königshauses den üblichen Unterricht in Sprachen, Geschichte, Kunst und Literatur erhielt, hat sie sich über die Schulbildung hinausgehend mit keinem dieser Wissensgebiete beschäftigt. Als sie schon mit Erzherzog Otto verheiratet war und gemeinsam mit den Schwiegereltern im Wiener Palais lebte, besuchte sie abends gerne die Theater und hatte generell eine Leidenschaft für Abendgesellschaften und Bälle. Das bedingte, dass sie morgens recht lange schlief, eine recht ungewöhnliche Marotte, wenn man mit einem Habsburger verheiratet war. In der Kaiserfamilie waren alle dazu angehalten, sehr früh aufzustehen, um der arbeitenden Bevölkerung ein Vorbild zu sein.

Wie ihre Tante Kaiserin Elisabeth verbrachte Marie Josepha viel Zeit mit Reisen und wenig Zeit zu Hause oder im Kreis der Familie. Sie war es zufrieden, dass mit der Erziehung ihrer heranwachsenden Söhne Carl und Maximilian ein Stab von Erziehern und Lehrern betraut war. Was darüber hinausging, übernahm ihr Ehemann. Besonders eigenartig ist es zu lesen, dass Marie Josepha den kleinen Carl mit seinen Kinderfrauen häufig an einen leeren Wohnsitz schickte. Er sollte offensichtlich schon früh lernen, mit Entbehrungen zurechtzukommen.

Wie Marie Josepha ihre Rolle in der Familie wahrnahm – oder wie sie ihr eigentlich nicht nachkam –, gehört zu den interessantesten Entdeckungen in den Tagebüchern Erzherzog Carl Ludwigs. Als Familienmensch war er zunächst sehr glücklich, in der hübschen Marie Josepha die erste Schwiegertochter erhalten zu haben. Noch dazu entstammte sie wie seine erste Ehefrau Margarethe dem sächsischen Könighaus – das waren mehrfach nahe Verwandte der Habsburger –, zu dem alle, einschließlich Kaiser Franz Joseph, in freundschaftlichster Beziehung standen. So besaß Marie Josepha durch ihre Herkunft eigentlich einen gewaltigen Vorzug, den sie aber nicht nützte, da sie sich am liebsten fern der Familie aufhielt.

In den Tagebüchern ist diesbezüglich eine interessante Entwicklung festzustellen. Als Marie Josepha in die Familie einheiratete, wurde sie von allen herzlich aufgenommen, besonders von ihrem Schwiegervater Erzherzog Carl Ludwig, der stets um ihr Wohl bemüht war. Sie nahm auch dankbar das Angebot an, mit den Schwiegereltern im selben Haushalt – winters im Wiener Palais, sommers in der Villa in Reichenau an der Rax – zu leben, da ihr Ehemann von seinem Onkel Kaiser Franz Joseph ständig von einer Garnison zur nächsten versetzt wurde. Irgendwann wurde der Kaiser einsichtig und beließ den Neffen längere Zeit an einem Ort (in Brünn, in Prag und in Ödenburg), sodass es Sinn machte, einen Haushalt einzurichten und die Familie nachkommen zu lassen.

Bald nachdem ihr Sohn Carl auf der Welt war, begann Marie Josepha ein eigenständiges Leben zu führen und viel zu reisen. Das Baby Carl blieb mit seinen Kinderfrauen entweder beim Vater, der aber tagsüber Dienst in Kasernen hatte, oder bei den Großeltern, wo mehr Gesellschaft war. Im Haushalt Erzherzog Carl Ludwigs war Carl der Mittelpunkt der Familie. Eigenartig wurde es immer, wenn seine Mutter zurückkam, denn sie entzog den Kleinen sofort der Familie, übergab ihn den Gouvernanten und verbannte ihn in sein Zimmer. Erzherzog Carl Ludwig und seine Frau fanden aber genug Tricks, um den Enkel aus seiner Isolation zu befreien. Nebenbei versuchte der Erzherzog ständig, Mutter und Kind zusammenzuführen. Er dachte sich zahlreiche Raffinessen aus, um Marie Josepha ihrem Sohn näherzubringen, die aber meist nur kurze Zeit währten oder gar nicht fruchteten. Sie führte ihr Leben stur und eigenwillig nach ihrem Geschmack weiter, vorzugsweise ohne Mann und ohne Sohn.

Als Carl etwa fünf Jahre alt war, hatten seine Eltern ihren Hauptwohnsitz in der Garnisonstadt Ödenburg (heute: Sopron in Ungarn). Ab dieser Zeit erhielt er regelmäßigen Unterricht und konnte nur noch zu Weihnachten und in den Sommermonaten bei den Großeltern sein. Das machte ihn wohlerzogen, aber auch früh erwachsen.

Die traurige Feststellung am Ende dieses Kapitels lautet, dass Carl ohne mütterliche Liebe aufwuchs. Das mag der Schlüssel zu seiner später oft als schwächlich bezeichneten Persönlichkeit sein. Wer von seiner Mutter keine Liebe, Zärtlichkeit und Unterstützung erhält, braucht viel Zähigkeit und Kraft, um ein starker Erwachsener zu werden.

Kinderjahre Kaiser Karls

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