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Kapitel 3: Alles hat seine Stunde Über den Faktor Zeit im menschlichen Handeln Die Morgendämmerung des Sparens

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Während Rich versucht, das, was ist, in das zu verwandeln, was sein sollte, könnte in ihm die Erkenntnis reifen, dass er seine Fähigkeit, Essen und Wasser zu sammeln, steigern könnte. Vielleicht könnte er sechs gegrillte Ratten am Tag haben statt nur vier, indem er Fallen baut. Und, so denkt er sich, wenn er ein Fass zum Auffangen von Regenwasser hätte, könnte er das Wasser zum Kochen verwenden und gekochte Ratten als gelegentliche Abwechslung zu den gegrillten genießen. Er macht sich daran, diese Sachen zu bauen. Um sie herzustellen, wird Rich etwas Anderes opfern müssen. Da er nicht unbegrenzt Zeit hat, kostet der Bau solcher Gegenstände etwas: den Wert, den Rich all den Sachen zuschreibt, die er statt der Herstellung von Fallen und Fässern hätte machen können. Das trifft sogar dann zu, wenn er nur Zeit aufgibt, die er mit Erholung verbracht hätte.

Nachdem wir das Prinzip des Grenznutzens begriffen haben, sehen wir, dass Rich – welche Aktivität er auch immer bleiben lässt, um Fässer und Fallen zu bauen – die Aktivität aufgeben wird, die den geringsten Grenznutzen für ihn hatte (um noch einmal darauf zurückzukommen: Nutzen sollte nicht als messbare Größe interpretiert werden. „Niedrigster Nutzen“ ist einfach die Abkürzung für „was er am geringsten schätzt“). Und er wird nur so lange Einheiten dieser Aktivität aufgeben, so lange der Wert zusätzlicher Fallen und Fässer für ihn höher ist als der Wert dessen, was er aufgibt.

Vielleicht arbeitet Rich gerade an Fallen, wenn er sich eigentlich auch ausspannen könnte. Für die Herstellung einer Falle braucht es eine Stunde. Wenn der Wert der nächsten Falle für Rich niedriger ist als eine Stunde Ausspannen, wird Rich aufhören. Der Grenznutzen einer zusätzlichen Falle ist unter den Grenznutzen einer zusätzlichen Stunde an Erholung gefallen.

Aber woher kommt der Wert von Gütern wie Fallen und Fässern? Rich kann keine Falle essen und kein Fass anziehen (es ist zumindest nicht bequem). Und trotzdem ist klar, dass diese Sachen für Rich wertvoll sind, weil er sich entschieden hat, andere wertvolle Sachen zu opfern, um sie zu erhalten.

Der Wert von Gütern, die wir in Kapitel 2 untersucht haben – Essen, Wasser, Unterkunft, Erholung – stammt von ihrer Fähigkeit, Unzufriedenheit sofort zu lindern. Rich schätzt Essen hoch, weil er das Leben schätzt, und Essen hilft ihm direkt in seinem Bestreben, am Leben zu bleiben. Er wird wohl auch Komfort im Leben schätzen, wenn auch vielleicht weniger als das Leben selbst. Deswegen wird Essen geschätzt, weil es direkt den quälenden Hunger stillt (wieder: die Ökonomie behauptet nicht, dass Rich sein Leben mehr als alles andere schätzen sollte, noch, dass es jemand tut. Sie behauptet nicht einmal, dass jemand sein Leben überhaupt schätzen soll. In der Ökonomie geht es um die Konsequenzen der Tatsache, dass wir unsere Welt bewerten).

Als Ergebnis von ein wenig Nachdenken können wir erkennen, dass der Wert von Gütern wie Fallen und Fässern von ihrer Fähigkeit stammt, Güter zu produzieren, die direkte Befriedigung bringen. Rich schätzt die Falle wegen der Ratten und das Fass wegen des Wasserkochens.

Carl Menger bezeichnete Güter, die Unzufriedenheit direkt befriedigen, wie etwa Wasser oder Essen, als Güter erster Ordnung. Sie können auch Konsumgüter genannt werden. Güter, deren Wert von ihrer Hilfe bei der Herstellung von Gütern erster Ordnung stammt, wie etwa Fallen und Fässer, werden Güter höherer Ordnung genannt, Produktionsgüter oder Kapitalgüter. Man beachte, dass diese Unterscheidung nicht in den Gütern selbst existiert, sondern im menschlichen Denken und Planen. Wenn ich Fässer als Kunstgegenstände sammle, dann sind sie für mich Konsumgüter. Wenn ich einen Supermarkt besitze, dann sind die Lebensmittel in den Regalen für mich Produktionsgüter. Wie es der Österreichische Ökonom Ludwig Lachmann in seinem Werk Das Kapital und seine Struktur ausgedrückt hat:

„Das Konzept des Kapitals […] hat keine messbare Entsprechung unter den körperlichen Objekten; es spiegelt den unternehmerischen Zugang zu solchen Objekten wider. Bierfässer und Schmelzöfen, Hafeninfrastruktur und Hoteleinrichtungen gehören nicht kraft ihrer physikalischen Eigenschaften zum Kapital sondern kraft ihrer ökonomischen Funktionen.“

Als sich Rich entschieden hat, Güter höherer Ordnung herzustellen, hat er mit Sparen begonnen. Sparen lässt sich definieren als die Entscheidung, Handlungen für Bedürfnisbefriedigung in der Zukunft durchzuführen, obwohl sofortige Bedürfnisbefriedigungen auch verfügbar wären.

Die Güter höherer Ordnung, die Rich durch Sparen ansammelt, machen seinen Kapitalbestand aus. Irgendwann stellen wir fest, dass er fünf Fallen und zwei Fässer hat. Im Moment gibt es noch keine Möglichkeit, Richs Kapitalgüter anders als durch eine Auflistung aller Posten darzustellen. Wir können Fässer und Fallen nicht summieren. Der Wert, den Rich ihnen beimisst, ist subjektiv. Wir haben keinerlei Maßband, Messgerät oder Stoppuhr, womit wir das Ausmaß seiner Befriedigung messen könnten. In Wirklichkeit besteht der Wert dieser Kapitalgüter in dem, was Rich als ihren Wert zur Befriedigung zukünftiger ungewisser Bedürfnisse einschätzt. Selbst wenn wir ein „Satisfaktometer“ an Rich anschließen und feststellen könnten, wie intensiv er gewisse Befriedigungen empfindet, würde das nicht das Problem lösen, mit dem Rich im Moment der Entscheidung konfrontiert ist: Er muss einschätzen, wie viel Befriedigung seine Wahl einem „Rich in der Zukunft“ bringen wird, dessen Wissen und Geschmack dem „Rich in der Gegenwart“ nicht bekannt sind und der in einer Welt leben wird, die für „Rich in der Gegenwart“ mit Unsicherheit erfüllt ist.

Während seiner Bemühungen, Fallen und Fässer herzustellen, könnte Rich feststellen, dass es nützlich wäre, einen Hammer, eine Säge und Nägel zu haben. Er macht sich daran, sie herzustellen. Jetzt arbeitet Rich an Gütern, die zwei Ordnungen vom Konsum entfernt sind [Güter dritter Ordnung statt Güter erster Ordnung – Konsumgüter, Anm. d. Übersetzers]. Er wird den Hammer, die Säge und die Nägel wegen der Hilfe schätzen, die sie ihm bei der Herstellung von Fallen und Fässern gewähren. Alle Güter höherer Ordnung leiten ihren Wert von den Gütern der nächstniedrigen Ordnung ab, bei deren Herstellung sie helfen. Letzten Endes ist jedes Produktionsgut nur deshalb wertvoll, weil es am Ende ein oder mehrere Konsumgüter ergibt.

Diese Abhängigkeit lässt sich illustrieren, indem man bedenkt, was passiert, wenn sich Richs Bewertung eines Konsumgutes ändert. Vielleicht entdeckt Rich, dass die Ratten auf der Insel verseucht sind und es schädlich ist, sie zu essen. Rich wird die Ratten nicht länger hoch schätzen. So lange es für Rich keine andere Verwendung für die Fallen gibt, werden sie ihren Wert ebenso verlieren. Rich wird nicht länger dazu bereit sein, irgendetwas zu opfern, um mehr Fallen zu erhalten, und er wird sich nicht mehr darum kümmern, was mit denen geschieht, die er bereits gemacht hat (Natürlich könnten sie einen Teil ihres Wertes behalten, wenn er eine andere Verwendung für die Fallen findet – als Feuerholz zum Beispiel).

Eine interessante Frage stellt sich, wenn wir die Bewertung von Gütern höherer Ordnung betrachten. Sagen wir, dass Rich ohne die Hilfe von Fallen vier Ratten pro Tag fangen kann. Mit den Fallen hofft er, acht am Tag zu fangen. Betrachtet man den Produktivitätsvorteil durch die Fallen gegenüber dem Rattenfangen mit der Hand als gegeben, warum verwendet Rich dann nicht 100 Prozent seiner Arbeitszeit für die Fallenherstellung?

Die erste Antwort, die einem in den Sinn kommt, ist, dass er bei diesem Arbeitsprogramm verhungert. Sparen für die Zukunft, das auf einer Einschränkung des Konsums unterhalb des Existenzminimums beruht, ist nicht sinnvoll – außer jemand spart nur für die Erben! Trotzdem können wir uns vorstellen, dass Rich mit nur zwei Ratten pro Tag auskommen kann, wenn es auch etwas unbequem wird. Warum verschiebt er nicht allen Konsum oberhalb des Existenzminimums um zu sparen?

Überall um uns herum, jeden Tag, konsumieren Menschen weit mehr als sie zum Überleben brauchen und sparen daher wesentlich weniger als sie könnten. Wir wissen jedoch alle, dass Sparen der Weg zu Reichtum ist. Warum leben die Tophändler an der Wall Street nicht in winzigen Bretterbuden, essen Bohnen aus der Dose und fahren mit alten Fahrrädern zum Bahnhof? Warum geben sich Hollywoodstars verrückten Einkaufsorgien hin und verbringen Zeit in hippen Luxusabsteigen? Sollten sie nicht als Arme leben, um jeden Penny zu sparen, den sie erübrigen können?

Die Frage suggeriert bereits die Antwort. Es wäre eine seltsame Welt, in der Menschen ungeheuer hart arbeiten, damit sie für einen zukünftigen Konsum sparen könnten – den sie trotzdem nie genießen, denn wenn diese Zukunft kommt, sparen sie bereits für den Konsum in einer noch weiter entfernten Zukunft. Es wäre eine Spiegelwelt, wie sie die Rote Queen aus „Alice im Wunderland“ beschreibt: Marmelade morgen und Marmelade gestern, aber niemals Marmelade heute (in Wirklichkeit hätte es dann auch gestern keine Marmelade gegeben).

Menschen können nur in der Gegenwart konsumieren. Es ist unsere gegenwärtige Unzufriedenheit, die nach Befriedigung verlangt. Es ist die Gegenwart, in der wir Schmerz und Freude erfahren. Sparen im Interesse eines in die Unendlichkeit verschobenen Konsums ist überhaupt kein Sparen – es ist ein reiner Verlust.

Jetzt müssen wir der anderen Seite der Sparfrage ins Angesicht blicken – wenn wir nur in der Gegenwart konsumieren können, warum spart dann überhaupt jemand? Die Antwort lautet, dass wir zwar nicht in der Zukunft konsumieren, es uns aber vorstellen können. Wir können uns ausmalen, dass wir in dieser Zukunft ebenso Unzufriedenheit erleiden werden und dass wir sie werden lindern wollen. Darüber hinaus können wir uns vorstellen, dass ein ausreichend hoher Zufriedenheitsgrad an einem Tag in der Zukunft uns Kompensation für zusätzliche Unzufriedenheit heute geben wird.

Der Schlüssel zum Verständnis des Sparens liegt in der Erkenntnis, dass die Vorstellung von Unzufriedenheit in der Zukunft selbst eine Quelle gegenwärtiger Beunruhigung ist. Der Gedanke, dass ich nächste Woche verhungern könnte, ist verstörend. Ich kann dieses Gefühl durch Sparen mildern. Aber wenn ich in der Gefahr bin, heute zu verhungern, dann wird es mir nicht so dringend scheinen, meine Sorge über einen Hungertod nächste Woche zum Verstummen zu bringen. Wichtiger wird es sein, auf der Stelle etwas Essen zu besorgen. Die Befriedigung durch das Wissen, dass ich Vorsorge für das Essen nächste Woche getroffen habe ist verschwindend gering verglichen mit dem Unwohlsein über das Wissen, dass ich zur Abendessenszeit tot sein werde.

Analog dazu ist die Vorstellung zukünftiger Befriedigung ihrerseits selbst eine Quelle gegenwärtiger Befriedigung. Eine Schwimmerin, die für eine olympische Goldmedaille trainiert, hält sich selbst durch die Vorstellung bei Laune, wie sie sich fühlen wird, wenn sie den Beckenrand zuerst berührt. Wenn wir kein Gefühl für diese zukünftigen Schmerzen und Freuden in unseren gegenwärtigen Überlegungen berücksichtigten, dann hätten wir keine Möglichkeit, unsere Handlungen auf diese Zukunft auszurichten.

Das Ausmaß, bis zu dem ein Individuum sparen wird, lässt sich durch seine Zeitpräferenz erklären. Dieser Begriff beschreibt das Ausmaß, in dem das Individuum eine gegenwärtige Befriedigung derselben Befriedigung in der Zukunft vorzieht. Mit der Zeitpräferenz haben wir es wiederum mit einem subjektiven Faktor zu tun. Das Ausmaß an Zeitpräferenz wird sich von Person zu Person unterscheiden; für dieselbe Person wird es sich von einem Zeitpunkt zum anderen unterscheiden. Die Zeitpräferenz eines Dreißigjährigen könnte niedriger sein als die derselben Person mit achtzig Jahren. Mit dreißig könnte die Person die Reise zu den Alpen verschieben wollen, um für das Haus für die neu gegründete Familie zu sparen, während sie mit achtzig eher denken wird: „He, ich sollte das besser jetzt erledigen!“ Trotzdem lässt das nicht darauf schließen, dass es irgendeine Funktion gibt, die die Zeitpräferenz mit dem Alter verknüpft. Die entgegen gesetzte Entwicklung der Zeitpräferenz kann genauso gut vorkommen: Mit dreißig könnte jemand nur für den Augenblick leben, während er sich mit achtzig allein darauf konzentriert, den Treuhandfonds für die Enkelkinder aufzubauen.

Das sind einige der psychologischen Faktoren, die die Zeitpräferenz beeinflussen. Aber abgesehen von psychologischen Einflüssen wird die Zeitpräferenz selbst durch die Existenz menschlichen Handelns vorausgesetzt.

Würden wir unter sonst gleichen Umständen nicht die gleiche Befriedigung früher als später vorziehen, würden wir niemals handeln. Eine unbewegliche Existenz wäre für uns ausreichend. Egal für welche Befriedigung, es würde uns nicht kümmern, ob wir sie morgen erreichen oder irgendwann in der Ewigkeit. Wie es Mises in Human Action ausgedrückt hat:

„Wir müssen begreifen, dass ein Mensch, der eine Befriedigung innerhalb einer kürzeren Zeitspanne nicht derjenigen in weiterer Zukunft vorzieht, niemals Konsum und Genuss erreicht.“

Es ist ökonomisch nicht sinnvoll, zu sagen, dass ein Grad von Zeitpräferenz besser ist als der andere. Daher gibt es vom ökonomischen Standpunkt aus keine „korrekte“ Sparquote. Manche Menschen ziehen es vor, für den Moment zu leben, während andere sparen mit dem Gedanken an eine ewige Stiftung. Die Ökonomie kann nicht sagen, dass der eine recht hat und der andere nicht. Sie kann aber trotzdem die Umstände erhellen, unter denen ein Individuum sich zum Sparen entschließen wird und einige der Konsequenzen dieser Umstände aufzeigen.

Wir sind jetzt in der Lage, Richs Entscheidung zu sparen genauer zu untersuchen. Sagen wir, dass Rich eine Woche lang eine Ratte am Tag von seinem täglichen Konsum opfern muß, um die Zeit für den Bau einer Falle zu gewinnen. Darüber hinaus nehmen wir an, dass er davon ausgeht, dass eine Falle eine Woche lang hält und dass er in dieser Zeit mit der Falle um 14 Ratten mehr fängt als ohne. Vereinfacht gesagt, muss er jetzt sieben Ratten opfern, um in einer Woche 14 Ratten zu bekommen. Die Rentabilität seiner Investition beträgt 100 Prozent pro Woche.

Wenn Rich sich dazu entscheidet, weiterzumachen und die Fallen herzustellen, können wir sagen, dass er eine Ratte jetzt niedriger bewertet als zwei Ratten, die er in einer Woche erhält. Eine Rentabilität von 100 Prozent pro Woche war ausreichend, um ihn davon zu überzeugen, gegenwärtigen gegen zukünftigen Konsum einzutauschen. Wenn er keine Fallen macht, wissen wir, dass er eine Ratte jetzt zwei Ratten in einer Woche vorzieht. Eine Rentabilität von 100 Prozent pro Woche hat nicht ausgereicht, um ihn davon zu überzeugen, Ratten jetzt gegen Ratten in der Zukunft einzutauschen. Wir kommen auf dieses Thema in den Kapiteln 7 und 8 zurück, wenn wir die Rolle von Zinssätzen in einer Marktwirtschaft untersuchen.

Es ist wichtig festzustellen, dass Richs Bewertung von den Umständen abhängt. Sollte er plötzlich eine Kiste mit Dosensardinen und Crackern finden, die die TV-Mannschaft zurückgelassen hat, würde das seine Entscheidung wesentlich beeinflussen. Rufen Sie sich in Erinnerung, dass ein Individuum nach dem Gesetz des fallenden Grenznutzens jede folgende Einheit eines Gutes weniger hoch schätzt. Ich würde € 50 für eine einzelne Katze bezahlen, aber wenn ich einmal 300 habe, würde ich zahlen, um sie loszuwerden.

Daher wird Rich eher darauf verzichten, eine Ratte zu fangen, um Kapital aufzubauen, das eine größere Ausbeute an Essen in der Zukunft verspricht, wenn er ausreichend mit Essen für den gegenwärtigen Konsum versorgt ist. Die zusätzliche Ratte heute wäre ihm weniger wert als zum Zeitpunkt vor dem Auffinden der Kiste. Schließlich erfüllen Sardinen und Cracker denselben physiologischen Zweck wie die Ratte – und besser schmecken tun sie auch.

Das darf nicht so interpretiert werden, als gäbe es eine allgemeine Regel wie „Die Reichen sparen mehr als die Armen.“ Es gibt keine gleich bleibenden Gesetze, die festlegen, wie eine bestimmte Person zukünftigen Genuss im Vergleich zum gegenwärtigen bewertet. Wir alle haben Geschichten von einer kleinen alten Dame gehört, die ihr Leben lang für ein bescheidenes Gehalt als Sekretärin gearbeitet und unter bescheidenen Umständen gelebt hat. Nach ihrem Tod fanden ihre Freundinnen bestürzt heraus, dass sie ein Vermögen in Aktien und Anleihen angehäuft hatte. Ebenso vertraut sind uns Geschichten von verschwenderischen Reichen, die mit ihrem wilden Lebenswandel Vermögen verschleudert haben.

Das Gesetz des fallenden Grenznutzens ist auf das Sparen genauso anzuwenden wie auf den Konsum. Jeder zusätzliche Euro, der gespart wird, hat einen niedrigeren Wert für den Sparer als der vorhergehende Euro hatte. Sie können das leicht mit Ihren eigenen Lebensumständen in Verbindung bringen. Wenn Sie 50 Euro auf der Bank haben, wird Ihnen die Möglichkeit, weitere 50 Euro auf die Bank zu legen, wichtiger erscheinen, als wenn Sie 50 Millionen auf der Bank liegen haben.

Sogar in dieser einfachen Ökonomie haben Richs Kapitalgüter eine Struktur. Wir haben uns vorgestellt, dass er einen Hammer, Nägel und eine Säge gemacht hat. Hammer und Nägel stehen in einer bemerkenswerten Beziehung zueinander – sie sind Komplementärgüter. Ohne den Hammer gibt es nichts, um die Nägel einzuschlagen und ohne die Nägel gibt es für den Hammer nichts einzuschlagen. Jeden Tag haben wir es mit Gütern zu tun, die ohne andere, komplementäre, Güter nutzlos sind: Tragbare Radios und Batterien, MP3-Player und Kopfhörer, Lampe und Glühbirne. In jedem dieser Fälle verlieren solche Güter ihren ganzen oder einen Teil ihres Wertes, wenn das Komplementärgut nicht erhältlich ist. Sollte ein Erfinder einen Weg finden, Schimmel aus der Dusche als billige, im Überfluss vorhandene, Lichtquelle zu nutzen und die Produzenten hören auf, Glühbirnen herzustellen, dann werden elektrische Lampen nur noch nostalgischen Wert besitzen.

Das lässt sich als die horizontale Struktur des Kapitals beschreiben. Die vertikale Struktur haben wir bereits vorgestellt. Kapital kann in Güter der zweiten Ordnung, die zur Produktion der Konsumgüter dienen, und in Güter der dritten Ordnung, die zur Produktion der Güter der zweiten Ordnung dienen, eingeteilt werden und so weiter. Richs Ökonomie ist bis jetzt noch nicht über die Produktion von Gütern dritter Ordnung hinausgekommen, aber es ist leicht zu sehen, wie unser Prinzip sich über so viele Ordnungen von Gütern erstreckt, wie die Menschen verwenden.

Der Wert eines Kapitalgutes ist mit der Position verbunden, die es in der Kapitalstruktur einnimmt. Ein Gut höherer Ordnung wird seinen Wert verlieren, wenn alle Güter niedrigerer Ordnung, zu deren Produktion es dienen kann, ihren Wert verlieren. Wenn Rich keine Verwendung mehr für Fallen und Fässer hat und sich nichts mehr vorstellen kann, was er sonst mit Hammer und Nagel herstellen könnte, dann werden Hammer und Nagel ihren Wert für ihn verlieren. Wie wir schon erwähnt haben, haben im Endeffekt alle Kapitalgüter ihren Wert nur deswegen, weil sie letztendlich Konsumgüter hervorbringen.

Die Wichtigkeit der Kapitalstruktur nimmt extrem zu, wenn wir etwas kompliziertere Volkswirtschaften unter die Lupe nehmen. Die Kapitalstruktur wird für unsere Analyse des Sozialismus wesentlich sein. Aber hier, in der denkbar primitivsten Ökonomie, können wir solche grundlegenden Konzepte am deutlichsten sehen. Um weiterzugehen, müssen wir unser Bild aber etwas komplizieren. Am Anfang tun wir das, indem wir mehr Leute zu Richs isolierter Welt hinzufügen.

Wirtschaft für Menschen, wie sie wirklich sind

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