Читать книгу Die Geschichte von KISS - Gene Simmons - Страница 12

Оглавление

7: Auf ins Daisy

Vielleicht noch mehr als ihre Auftritte im Coventry waren es die Gigs im Daisy, einem kleinen Club in Amityville auf Long Island, die den Sound und die Bühnenshow von KISS prägten.

LEW LINET: Zu dieser Zeit gab es für einen Act wie KISS in Manhattan keinen Platz. Sie waren eine enorm laute, anstößige Band, und es war schwierig für mich, ihnen Auftritte zu verschaffen. Also musste ich in andere Gegenden ausweichen – wie etwa Long Island. Ich managte eine Band namens J. F. Murphy & Salt, die in Amityville auf Long Island in einem Club namens Daisy gespielt hatte. Es wurde von Sid Benjamin, einem netten Tapezierer, und seiner Frau betrieben. Ich ging zu ihm hin und verschaffte KISS ein Konzert.

SID BENJAMIN (BESITZER, THE DAISY): Ich vertraute Lews Geschmack und lag auch nicht falsch damit. Das Publikum reagierte toll.

RICHARD BENJAMIN (SID BENJAMINS SOHN): Ursprünglich war es ein Rexall-Drugstore. Der Name war eine Anspielung auf Flower-Power. Das Daisy eröffnete in den späten Sixties und schloss dann zehn Jahre später. Alle von KISS über Attila [Billy Joels frühe Band] bis hin zu den Stray Cats spielte dort in ihren Anfangstagen.

LEW LINET: Das Daisy war ein ungezwungener Club für Teenager und Leute Anfang zwanzig. Es war dort viel netter als im Coventry. Der Club war sauber und lag in einer freundlichen Gegend. Es war einfach eine kleine Bar mit einer Bühne. Am Wochenende drängten die Kids in Scharen hinein.

PATTY BENJAMIN (SID BENJAMINS TOCHTER): In seiner großen Zeit war das Daisy der größte Club auf Long Island. Der Eingang lag auf der Rückseite, nahe einer ruhigen Wohngegend. Wegen des Lärms aus dem Club und der Meute, die auf dem Parkplatz abhing und sich danebenbenahm, riefen die Nachbarn regelmäßig die Polizei. Ihnen gefiel dieser „Rock ’n’ Roll“ bestimmt nicht. Die Polizei kam oft, um die Kids in die Mangel zu nehmen, weil der Club so laut war. Mein Vater sorgte sich immer, dass sie ihm den Laden zusperren würden.

Das nicht ganz ernst gemeinte Motto des Clubs, das auf der Rückseite eines kürzlich entdeckten Streichholzheftchens stand, sagte alles: „Long Islands schrägster Club – Warmes Bier – Beschissenes Essen – Lausige Bands – Billiger Schnaps“.

CAROL GULOTTA SOTTILI (KONZERTBESUCHERIN, THE DAISY): Wir gingen schon eine Zeit lang ins Daisy, schon bevor KISS dort anfingen. Es war eine örtliche Spelunke mit viel Charme, sehr dunkel, mit Schwarzlicht-Lampen – ein Zuhause für Hippies, die zu viel tranken. Wir drückten auf „S3“, um unseren Lieblingssong zu hören – „You Really Got Me“ von den Kinks. So um 1972/73 lebte ich quasi im Daisy, kam fast jeden Tag. Das hatte viel mit Sid zu tun, der jemand war, den ich als den „Vater“ dieses Fuchsbaus bezeichnen würde. Er kümmerte sich um uns. Wenn wir keine Kohle hatten, spendierte er uns ein paar Runden. Er wusste viel über Musik, und wir sahen zu ihm auf.

RICHARD BENJAMIN: KISS hatten es schwer, Auftritte zu bekommen. Niemand wollte sie engagieren. Meine Rockband – Children of the Night – war ein Kostüm-Act. Wir verkleideten uns als Monster. Wir hatten den Wolfsmenschen an den Drums, Dracula spielte Gitarre, Die Mumie übernahm das Saxofon, das Phantom der Oper haute in die Tasten und Frankenstein zupfte den Bass. Wir verwendeten Trockeneis, und Dracula stieg aus seinem Sarg. Also war mein Vater mit theatralischen Bands nicht unvertraut, und ich glaube, dass ihm KISS deshalb willkommen waren. Mein Dad war seiner Zeit voraus und ließ gern Bands auftreten, die ihre eigenen Songs spielten.

PATTY BENJAMIN: Von der räumlichen Kapazität her waren im Daisy maximal 144 Gäste zugelassen. Aber wir kümmerten uns nicht sehr darum. Manchmal quetschten sich 300 Leute rein. Anfangs buchte mein Dad KISS unter der Woche. Bands, die sich in der Gegend einen Namen erspielt hatten, spielten am Wochenende, weil sie schon Fans anzogen. KISS entwickelten sich schon bald von einer Kuriosität zu einer Band mit echtem Fan-Potenzial. Wir bewarben die Shows mithilfe eines händisch zu bedienenden Matrizendruckers, der in unserem Keller stand. Meine Mom fertigte die Vorlage von Hand, und dann machten wir 500 Abzüge. Meine Freunde und ich fuhren nach Jones Beach, zum Farmingdale College, zum C. W. Post College und diversen Einkaufszentren und klemmten sie hinter die Scheibenwischer der geparkten Autos. Meine Mom betrieb einen Plattenladen und gab in jede Papiertüte einen Flyer. Mein Dad heuerte auch einen Künstler an, der riesige Schilder herstellte, die wir dann im Club aufstellten, um Shows zu bewerben.

GENE SIMMONS: Das Schminken und Kostüme-Anziehen erfolgte in Sids Büro, das wir als Garderobe benutzten.

PAUL STANLEY: Es war immer lustig, weil wir es waren, die abhoben, wenn das Telefon klingelte. Die Leute am anderen Ende fragten: „Wer spielt denn heute?“ Und wir antworteten: „Diese fantastische Band, KISS, die musst du dir einfach ansehen!“

EDDIE SOLAN: Sie standen mehr unter Druck, wenn sie im Coventry ran mussten. Dort gab es viel mehr Wettbewerb mit den ganzen New Yorker Bands, außerdem ging ständig irgendetwas kaputt. Draußen im Daisy gab es keinen Wettbewerb. In Amityville sagten sich Fuchs und Hase Gute Nacht. Sie gingen dort viel entspannter ans Werk.

GENE SIMMONS: Es ist interessant, dass die Leute, die kamen, um uns zu sehen, schneller einen Draht zu uns fanden als die New Yorker. KISS schafften den Durchbruch in derselben Stadt, in der Der Weiße Hai und The Amityville Horror gedreht wurden. Die Leute, denen KISS gefielen, waren unabhängig von irgendwelchen Trends. Entweder sie mochten etwas – oder eben nicht. KISS boten Abwechslung und schufen eine Möglichkeit, den Zauberer von Oz über die gelbe Ziegelsteinstraße fegen zu sehen; sie waren nicht nur irgendeine Band.

PAUL STANLEY: Wir hatten kein Interesse daran, in den hipperen Clubs in Manhattan – wie Max’s Kansas City – zu spielen. Das Max’s war ein Ort für Schaumschläger. Da ging es mehr um den Soundtrack zu ihrer Modenschau. Das Daisy hofierte die einfachen Leute, die Arbeiterschaft und den Rock ’n’ Roll. Es ging nicht darum, schick zu sein. Es ging nicht darum, wer der hippste Typ im Raum war.

PATTY BENJAMIN: Mein Dad ließ KISS während des Tages gratis im Club proben. Ich war noch in der Highschool, und mein Vater ließ mich den Einlass regeln. Es gab keine Eintrittskarten. Wer rein wollte, musste einen Dollar löhnen. KISS bekamen ein Fixum von 100 Dollar, dazu 50 Prozent des Eintritts und Freigetränke. Ace war froh über die Gratisdrinks [lacht]. Ich erinnere mich, dass er viel Bier trank [lacht].

PAUL STANLEY: Das Daisy war ein echt günstiger Laden – Drinks um 35 Cent. Die meisten Bands spielten vier Sets an einem Abend, aber wir kamen an wie echte Rockstars und sagten, dass wir zwei Sets an zwei Abenden spielen würden. Sie gaben uns 100 Dollar für zwei Abende. Nachdem wir alle Ausgaben abgezogen hatten, blieben pro Nase noch 3 Dollar und 50 Cent.

CAROL GULOTTA SOTTILI: Bei ihrem ersten Auftritt waren nicht viele Leute da. Wir saßen anfangs nur an der Bar und hörten höflich zu.

EDDIE SOLAN: Die Leute musterten sie kurz und dachten: „Wer zum Teufel sind diese Typen?“

CAROL GULOTTA SOTTILI: Ein wenig skeptisch waren wir schon. Wir waren an typische Bar-Bands gewöhnt. Vier geschminkte Typen waren neu für uns. Aber es gefiel uns ziemlich bald. Wir merkten, dass sie anders und gut und rau und echt waren. Keine Ahnung, ab wann wir uns auf die Tanzfläche warfen, aber ich glaube nicht, dass sie sehr lange spielen mussten, um uns zu überzeugen.

LOU GABRIELSON (KONZERTBESUCHER, THE DAISY): Wir sahen uns an und sagten: „Sid hat endlich mal eine gute Band gebucht.“ Nach dieser Show erzählten wir jedem von ihnen.

EDDIE SOLAN: Es sprach sich herum, und am nächsten Tag waren zehnmal mehr Leute da.

CAROL GULOTTA SOTTILI: Ich sah jede ihrer Shows dort, was eigentlich keine große Sache ist, da ich ja sowieso fast jeden Abend dort war. Aber es war mir besonders wichtig, da zu sein, wenn KISS auftraten.

PAUL STANLEY: Wir trugen zwar unser Make-up, aber es war noch nicht so ausgefeilt wie jetzt. Der Rest der Band sah ziemlich einheitlich aus, und ich trug nur Augenschminke und Rouge.

PATTY BENJAMIN: Als sie das erste Mal dort auftraten, dachten die Gäste, sie wären Transvestiten, weil das Make-up noch eher feminin angehaucht war. Ich sehe sie immer noch vor mir im Büro meines Vaters, wie sie an ihrem Make-up bastelten und mich fragten: „Wie findest du es?“

EDDIE SOLAN: Da gab es ein Mädchen – Roni hieß sie –, eine Freundin des Besitzers Sid Benjamin, und die half uns sehr. Das zweite Mal, als wir dort waren, erlaubte sie der Band, ins Haus ihrer Eltern zu gehen, damit sie ihr Make-up auflegen und in ihre Kostüme steigen konnten.

RONI ASHTON (ANGESTELLTE, THE DAISY): Ich erinnere mich an KISS und daran, wie sie im Büro ihr Make-up auftrugen, während ich das Geld zählte. Wir freundeten uns an. Wenn man mit Gene sprach, merkte man, wie klug er war. Bis heute ist Gene Simmons wahrscheinlich die klügste Person, die ich jemals getroffen habe.

CAROL GULOTTA SOTTILI: Patty half ihnen beim Schminken und machte Vorschläge bezüglich der Feinabstimmung ihrer Looks.

EDDIE SOLAN: Eines Abends waren wir im Büro, und sie legten ihr Make-up auf. Gene sagte: „Gib mir den Bass, ich will ihn stimmen.“ Allerdings hatte Paul am Vorabend die Instrumente mit zu sich genommen, wo er Genes Bass unter dem Bett verstaute und vergaß, ihn wieder mitzubringen [lacht]. Also musste ich im Club fragen, ob wer Bass spielte. Die Band war bereit und schon ein wenig zu spät dran. Wir trafen dieses Mädchen, Roni, und sie sagte, sie würde jemanden kennen, der einen Bass hätte. Der Typ holte das Instrument, einen blauen Hagstrom-Bass mit Nylonsaiten. Gene wurde bleich [lacht]. Aber er schaffte es durch das erste Set. Dann fanden wir noch jemanden mit einem besseren Bass. Gene benutzte dann diesen für das zweite Set. Wir waren ja hundert Meilen von zu Hause entfernt.

PAUL STANLEY: Im Daisy gab es einen riesigen Rausschmeißer, der uns vom ersten Auftritt an umbringen wollte.

PATTY BENJAMIN: Sein Name war Brian, ein massiger Kerl mit langen Haaren, Vollbart und Schnauzer. Er sah wie der furchteinflößendste Hell’s Angel aus, den man sich ausmalen konnte.

RICHARD BENJAMIN: Mit dem wolltest du keinen Trouble haben. Er ließ sich nichts gefallen – von niemandem. Er hätte dich zerlegt. Viele Male sah ich ihn Leute vom Grundstück begleiten, indem er ihnen um den Hals fasste – in Popeye-Manier – und sie wie Zeichentrickfiguren auf den Parkplatz warf.

PATTY BENJAMIN: Brian hatte echt was gegen KISS [lacht]. Bevor sie für ihren ersten Gig im Daisy auftauchten, sah ich ihn, wie er ein Foto der Band in die Hand nahm, es ansah und es angeekelt wieder auf den Tisch fallen ließ.

PAUL STANLEY: Ihm stank der gesamte Vibe der Band. Man konnte ihn an der Hintertür schreien hören: „Ich werde sie umbringen!“ Wir hatten Schiss.

GENE SIMMONS: Wir sperrten uns im Büro ein und kamen nur als Gruppe vor die Tür.

PATTY BENJAMIN: Brian hielt KISS für eine Transen-Band. Paul hatte damals diesen androgynen Look, der nicht gut bei Brian ankam.

PAUL STANLEY: Aber als wir schließlich groß rauskamen, wurde er zu einem großen, großen Fan. Egal wie negativ uns jemand anfangs gegenüberstand – sobald wir spielten, konnten wir die Leute für uns einnehmen.

Da ihr Budget äußerst limitiert war, fungierte die Band bei den frühen Gigs im Coventry und im Daisy als ihre eigene Road-Crew.

PAUL STANLEY: Wir trugen unser Equipment schon am Nachmittag in die Clubs, damit niemand sah, dass wir keine Road-Crew hatten.

BOBBY MCADAMS: Einmal mieteten wir einen alten rechteckigen, kastenförmigen Milchwagen, um den Kram zu transportieren. Paul fuhr in vollem Make-up, und wir verfuhren uns auf Long Island auf dem Weg ins Daisy. Paul ging mit seinem Make-up, seinem Kostüm und seinen Plateauschuhen in eine Tankstelle, um sich nach dem Weg nach Amityville zu erkundigen. Wir dachten, er würde bestimmt umgebracht [lacht]. Wir waren startklar, um ihn zu retten. Wir hatten unsere Baseball-Schläger dabei, aber es lief ohne Probleme ab. Nicht viele Bands hatten die Eier, sich so abgefahren zu kleiden.

KISS waren sich stets bewusst, dass die Wahrnehmung oft für die Wirklichkeit gehalten wurde. Dieses Wissen führte auch dazu, dass ihre Auftritte in örtlichen Clubs nicht zu zahlreich wurden.

PAUL STANLEY: Sobald KISS anfingen, in Clubs zu spielen, passten wir auf, nicht zu viele Konzerte zu geben. Wir wollten nicht, dass die Leute dachten, wir würden uns nur in der City aufhalten, sondern sie sollten annehmen, dass wir gerade außerhalb des New Yorker Raums spielten. Wir saßen also buchstäblich in unserem Loft die Tage ab, bevor wir wieder auf die Bühne gehen konnten. Wir hatten eine Regel, die lautete, nur so und so oft in New York und Umgebung aufzutreten. Wenn wir auf die Bühne gingen, log ich und sagte: „Wir kommen gerade zurück aus …“ und ließ mir irgendwas einfallen.

Zur Zeit ihrer ersten Club-Auftritte befand sich die Bühnenshow von KISS noch absolut in der Entwicklungsphase. Die Band experimentierte noch mit dem dramaturgischen Aufbau, Ansagen und der Auswahl der Songs. Ein Dilemma bestand darin, einen passenden Song für den Abschluss der Show zu finden.

GENE SIMMONS: Wir hatten keine Ahnung, wie wir unser Set beenden sollten. Wir versuchten etwas zu schreiben, das so richtig nach „Danke für’s Kommen, gute Nacht“ geklungen hätte. [Der Produzent] Bob Ezrin hatte sich all solche Sachen für Alice Cooper einfallen lassen [singt einen Teil von „Hello Hooray“].

EDDIE SOLAN: „Go Now“ von den Moody Blues war das einzige Cover, das sie als Club-Band im Repertoire hatten. Sie benutzten den Song als Rausschmeißer.

GENE SIMMONS: Paul sang die erste Stimme, und wir unterstützten ihn bei den Harmonien. Es klang wie eine Kreuzung aus dem Moody-Blues-Original und einer Version von den Allman Brothers – der Mittelteil war nun ein doppelter Gitarren-Angriff.

EDDIE SOLAN: Es war ein echt starker Riff. Sie setzten den Song ein, um das Konzert abzuschließen. „Go Now“ kam gut an, blieb aber nur ein paar Konzerte lang im Set.

GENE SIMMONS: Wir nahmen das Stück nie im Studio auf. Wir überlegten uns das für unser erstes Album, es kam dann aber nicht zustande. Immerhin, unsere Version war richtig gut.

Anders als die meisten örtlichen Bands, die im Daisy auf die Bühne stiegen, gingen KISS mit einer besonderen Professionalität sowohl an ihre Bühnen-Performance als auch an ihre optische Präsentation heran, was die Bargäste unweigerlich polarisierte.

RICHARD BENJAMIN: Viele der coolen lokalen Musiker sahen auf KISS herab, weil sie vielleicht nicht die größten Virtuosen waren. Die Power und das Potenzial der Band war ihnen dann zu viel des Guten.

BILLY LOURIE (KONZERTBESUCHER, THE DAISY): Sie waren ausgeklügelter und geschliffener als die Bands, die üblicherweise im Daisy auftraten. Es war nicht schwer vorherzusagen, dass sie den Durchbruch schaffen würden.

RICHARD BENJAMIN: KISS hatten eine Einstellung auf der Bühne, so in der Art: „Lasst uns eine gute Zeit miteinander haben und eine Party feiern – wer dagegen ist, soll sich verpissen“ [lacht]. Wenn du emotionslos dagesessen hast, kam Gene an deinen Tisch, um dich aufzufordern, an den Festlichkeiten teilzunehmen, um es mal vorsichtig auszudrücken.

GENE SIMMONS: Um das Publikum zum Mitklatschen zu motivieren, musst du sie dazu zwingen. Da saß einmal ein schwangeres Mädchen vor der Bühne, und während unseres Songs „Life in the Woods“ stiegen wir herunter, um die Leute zum Mitklatschen aufzufordern. Diese arme Frau hielt sich den Bauch, um das Baby vor dem Lärm abzuschirmen. Ich erinnere mich, dass ich ihr den Drink aus der Hand nahm, ihn abstellte und sie zwang, in die Hände zu klatschen. Als ich zur Bühne zurückrannte, hoffte ich nur, dass sie nicht einen Herzinfarkt oder eine Fehlgeburt erleiden würde, weil wir so laut spielten. Hoffentlich war mit dem Baby alles in Ordnung und es würde nicht mit zwei Köpfen zur Welt kommen.

PATTY BENJAMIN: Ich erinnere mich an eine Polonaise, die während ihrer Show stattfand. Gene sprang in die Menge, und die Leute folgten ihm quer durch die Bar und klatschten. Dann sprang er wieder auf die Bühne.

CAROL GULOTTA SOTTILI: Keine Ahnung, wer die Polonaise anzettelte, aber es wurde zumindest für ein paar Auftritte ein Bestandteil der Show. Und das war noch bevor Polonaisen auf jeder Bar Mizwa und jeder kitschigen Hochzeit stattfanden.

RONI ASHTON: KISS waren so anders als die Bands, die sonst im Club spielten. Sie wurden sehr schnell sehr populär. Dem Publikum im Daisy gefielen KISS, weil sie hier im Vergleich zu den anderen Bands so fremdartig wirkten. Es sprach sich herum, dass man diese Band sehen musste. Sie hörten schließlich auf, hier zu spielen, weil sie zu groß für den Club wurden.

CAROL GULOTTA SOTTILI: Als wir für ihren letzten Gig dort raus fuhren, ging ordentlich die Post ab. Der Club rockte. Es war gerammelt voll, und eine Menschenschlange reichte um das Gebäude herum. Weil wir Stammgäste waren, durften wir vor – ich erinnere mich noch gut an das Gezeter der Leute.

GENE SIMMONS: Das Daisy war wichtig, nicht nur für die Leute, die KISS dort sahen, sondern besonders für die Einstellung, die wir dort entwickelten. Wir schminkten uns im Büro und Peter sagte: „Lasst uns rausgehen und reinhauen, als ob es der Madison Square Garden wäre.“ Damit hatte er recht. Das war unsere Firmenphilosophie, und Peter hatte sie verstanden. Es war der richtige Vibe. Egal, ob man für zehn Leute oder für Hunderttausende spielt, du musst mit ganzem Herzen bei der Sache sein und alles geben.

PATTY BENJAMIN: Vom ersten bis zum letzten Song waren KISS voller Energie. Ich erinnere mich, dass sie Schoko-Bonbons ins Publikum warfen. Nachdem sie den Durchbruch geschafft hatten, waren einige unserer Gäste außer sich vor Freude darüber, dass sie mit Ace ein Gläschen getrunken hatten und er nun ein großer Star war.

PAUL STANLEY: Bei unserem letzten Auftritt im Daisy schlugen Leute die Scheiben des Clubs ein, um hineinzukommen. Es war ein fulminanter Aufstieg. Innerhalb von nur wenigen Monaten war unser Publikum von nur 20 Gästen, die sich wunderten, wer zum Teufel wir waren, auf Hunderte von Leuten, die unbedingt rein wollten, angewachsen. Wir spielten ungefähr an fünf Wochenenden dort. Das war unser Plan – dort zu spielen, bis wir bereit für Größeres waren.

CAROL GULOTTA SOTTILI: KISS wurden binnen kurzer Zeit zu groß für das Daisy. Keine Ahnung, ob uns damals klar war, welches Glück wir hatten, an dieser kurzen Phase teilzuhaben. Aber auf jeden Fall weiß ich, dass wir eine verdammt tolle Zeit hatten.

Als KISS zum ersten Mal in der Musikszene auftauchten, verachteten Clubbesitzer Bands, die ihr eigenes Material schrieben, und buchten lieber Cover-Bands. KISS kapierten ziemlich schnell, dass es schwer werden würde, Gigs in New York City an Land zu ziehen.

EDDIE SOLAN: Neben den Shows im Coventry und dem Daisy gab es kaum Auftrittsmöglichkeiten für die Band. Es gab eine begrenzte Anzahl von Clubs, die Bands mit eigenen Songs engagierten. Die Band entschied sich dafür, eine Pressemappe zusammenzustellen, die Clubbesitzer dazu bringen sollte, ihnen eine Chance zu geben. Ich brachte meinen Tape-Rekorder zur zweiten Show mit ins Daisy, nahm die Songs auf, mixte sie provisorisch und stellte ein paar Kassetten her. Lydia und Peter stellten die Mappe zusammen, glaube ich. Wir nahmen ein paar Umschläge, packten jeweils ein Tape hinein, das ein paar Songs von ihrem Konzert enthielt, und gaben ein Foto und eine kleine Biografie der Band dazu. Dann fuhr ich zum Haus von Paul Stanleys Familie in der Jewel Avenue in Queens. Ich holte Paul ab, und zusammen fuhren wir nach Westchester, um zu versuchen, ein paar Gigs in den dortigen Clubs auf die Beine zu stellen. Wir gingen ins Fore n’ Aft in White Plains, um dem Besitzer einen Umschlag zu überreichen. Dann ging es ab nach Yonkers, ins Rising Sun. Ich kannte die Besitzer, und die meinten, dass sie KISS buchen würden, wenn die Band eine Anhängerschaft in Queens oder Brooklyn hätte, die zum Konzert kommen würde. Aber KISS hatten damals noch nicht wirklich viele Fans, und deshalb ließen sie es bleiben. In dieser Nacht schlief Paul Stanley im Haus meiner Eltern, und ich fuhr ihn am nächsten Tag heim. Er war nicht entmutigt, weil er immer das sichere Gefühl hatte, dass, egal wie klein die Schritte auch waren, sie sich doch vorwärts bewegten. Wenn man Paul oder Gene in die Augen sah, wusste man, dass es klappen würde – KISS würden eine große Band werden.


Ursprüngliche Ansicht des Hauses, in dem sich später das Daisy befand, Amityville, New York, circa Mitte der 60er-Jahre Mit freundlicher Genehmigung der Amityville Historical Society


Streichholzheftchen aus dem Daisy Mit freundlicher Genehmigung von Richard Benjamin

Die Geschichte von KISS

Подняться наверх