Читать книгу Der Kaiser - Geoffrey Parker - Страница 45
Die Hochzeit
ОглавлениеKarl war nun wirklich schon oft verlobt gewesen – zuletzt mit seiner Cousine Mary Tudor, die er hatte heiraten sollen, sobald sie zwölf Jahre alt wäre. Die englische Gesandtschaft, die nach Spanien geschickt worden war, um Glückwünsche zum Sieg von Pavia zu überbringen, brachte dem Kaiser auch einen Smaragdring mit, ein Geschenk der Prinzessin als »Unterpfand weiterer Nachricht davon – wenn Gott in seiner Gnade sie endlich zusammenführen würde –, ob Seine Majestät sich genauso keusch und züchtig halte, wie sie selbst mit Gottes Gnade es beabsichtige« (vielleicht ein nicht gerade subtiler Seitenhieb auf den außerehelichen Nachwuchs, den der Kaiser bereits gezeugt hatte). Karl nahm den Ring »überaus dankbar an, steckte ihn an seinen kleinen Finger und erklärte, er wolle ihn um ihrer willen tragen«. Zugleich verlangte er freilich, dass Mary – die zu diesem Zeitpunkt erst neun Jahre alt war – unverzüglich zu ihm nach Spanien kommen solle. Seine Untertanen, erklärte er, wollten nicht, dass er »sein Reich verlasse, bevor er nicht seine Braut, die Frau Prinzessin, hier bei sich in Spanien hätte, damit ein Rat, den sie [dann] um sich haben würde, die Angelegenheiten des Königreiches lenken und einen solchen Aufruhr verhindern möge, wie er in der Zeit seiner vorherigen Abwesenheit ausgebrochen war« (gemeint ist der Comuneros-Aufstand). Die Gesandten erwiderten, dass Mary noch »in einem solch zarten Alter« sei, dass »es wohl zu ihrem großen Schaden ausgehen würde, wenn man sie über das Meer fahren ließe, vom ungünstigen Einfluss des heißen spanischen Klimas ganz abgesehen« – dies solle »der Kaiser doch bedenken, wie wir meinen, wenn er sich von ihr Leibesfrucht erwartet«. Karls Bruder Ferdinand stimmte dieser Einschätzung prinzipiell zu, zog jedoch andere Schlüsse daraus: »In Anbetracht des Alters Eurer Majestät und aller Eurer Verpflichtungen sowie des Alters der englischen Prinzessin und der Tatsache, dass wir nur zwei [Brüder] sind«, schrieb er an Karl, solle der Kaiser doch lieber ihrer beider Cousine, die Infantin Isabella von Portugal, heiraten, »damit Ihr mit Gottes Gnade Nachkommen zeugen werdet, welche die Frucht Eures Ehebundes sein werden« (ein weiterer wenig subtiler Verweis auf Karls illegitime Nachkommenschaft). Karl stimmte zu. »Sollte diese Heirat stattfinden«, grübelte er, »dann könnte ich die hiesigen Regierungsgeschäfte in der Hand der besagten Infantin zurücklassen« und würde noch dazu nicht nur deren stattliche Mitgift einstreichen, sondern auch noch die zusätzlichen Steuermittel, welche die Cortes von Kastilien ihm für den Fall einer »portugiesischen Heirat« in Aussicht gestellt hatten. Er stellte den Engländern daher ein Ultimatum: Sofern Mary Tudor nicht umgehend zu ihm nach Spanien käme und dabei nicht zumindest eine erste Rate der vereinbarten Mitgift mitbrächte, werde er die Verlobung auf der Stelle lösen.31
Karl wartete noch nicht einmal Heinrichs Antwort ab: Schon im Oktober 1525 konnten seine Emissäre den Heiratsvertrag mit der portugiesischen Krone in seine endgültige Form bringen. Nur der Papst zögerte noch, Karl den nötigen Dispens für die Heirat seiner Cousine zu erteilen, da er Heinrich nicht vor den Kopf stoßen wollte. Gegenüber seinem Botschafter in Rom klagte der Kaiser: »Obwohl wir vom Papst einen Generaldispens erhalten haben, der es uns erlaubt, jegliche Frau eines beliebigen Verwandtschaftsgrades (außer dem ersten) zu heiraten – und diesen Dispens haben wir sowohl mit Blick auf die englische Heirat als auch auf diese hier erlangt –, behaupten sie nun, dass dieser Generaldispens nicht ausreiche angesichts unserer mehrfachen Verwandtschaft mit der illustren Infantin.« Die notwendigen Dokumente gingen schließlich erst im Februar 1526 in Spanien ein, was Karl zum Einsatz hässlicher Winkelzüge brachte, um die Hochzeit möglichst lange aufzuschieben.32 Zuerst ließ er sich viel Zeit bei der Auswahl der Höflinge, die seine Braut an der portugiesischen Grenze in Empfang nehmen sollten; dann wies er sie an, Isabella nicht nach Madrid, sondern in das weit entfernte Sevilla zu bringen – und zwar so langsam wie möglich. Erst am 3. März 1526 zog Isabella, die auf ihrer langen Reise ein Medaillon mit der Aufschrift »Aut Caesar aut nullum« getragen hatte – den Kaiser wollte sie oder keinen, sollte das heißen –, endlich in Sevilla ein. Und selbst dann musste sie noch eine ganze Woche auf die Ankunft ihres künftigen Ehemannes warten.33
Schließlich traf auch der Kaiser zum ersten Mal in der geschäftigen Metropole im Süden seines Reiches ein, wobei ihn »zahllose Schaulustige in Empfang nahmen, die aus dem ganzen Umland nach Sevilla geströmt waren, um Seine Majestät zu sehen: Manche sagen, mehr als 100 000 Menschen hätten an jenem Tag seinen Weg gesäumt«. Noch im Reisehabit und vom Staub der Straße bedeckt, eilte Karl, sobald er im Innenhof des Alcázars von Sevilla vom Pferd gestiegen war, gleich in das Gemach, in dem Isabella ihn erwartete. Er machte eine Viertelstunde lang mit seiner Verlobten Konversation, legte dann festliche Kleidung an, ließ die Brautmesse halten und lud anschließend zum Tanz. Zu guter Letzt »entfernte das Brautpaar sich«, wie ein italienischer Zeuge unverblümt berichtete, »um beieinander zu schlafen«.34
Allerdings wurde das junge Eheglück von zwei dunklen Wolken überschattet. Am Tag nach der Hochzeit erhielt der Kaiser die Nachricht von der Folter und Erdrosselung des Bischofs von Zamora, der die Comuneros unterstützt hatte. Sofort gab Karl sein Vorhaben auf, die Karwoche wie gewohnt in einem nahe gelegenen Kloster zu verbringen. Außerdem bat er den Papst um Absolution und verwies dabei auf die schrecklichen Taten, die der Bischof »während des kürzlich geschehenen Aufruhrs in diesem Königreich begangen und angeordnet hatte«. Bis zum Eintreffen des päpstlichen Sündenerlasses »besuchte er keine Gottesdienste mehr, denn er betrachtete sich selbst als exkommuniziert«.35 Reue empfand der Kaiser jedoch keine. Francisco de Los Cobos, der die Anordnung zur Folter und Hinrichtung des Bischofs erteilt hatte, versicherte dem Alkalden Ronquillo (der beides vollstreckt hatte), dass »Seine Majestät sehr zufrieden ist mit dem, was Ihr getan habt, wie Ihr seinem Brief entnehmen werdet«, und fügte hinzu: »Uns geht es gut in dieser Karwoche«, obgleich »Seine Majestät und auch ich selbst an keiner Messe oder anderen Gottesdiensten teilnehmen«.36 Den zweiten Schatten warf der Tod von Karls Schwester Isabella, der Königin von Dänemark. Nach ihrer Hochzeit zehn Jahre zuvor, bei der er so übermütig getanzt hatte, war Karl seiner Schwester nie wieder persönlich begegnet. Nach Angaben des Nuntius Baldassare Castiglione jedoch – dem Karl sich anvertraute, wie es scheint – »trauerte der Kaiser sehr um seine Schwester«, und nach »den Feierlichkeiten und Turnierspielen, die zu seiner Hochzeit bereits geplant waren«, hielt der gesamte Hof eine gewisse Trauerzeit ein.37
Das Kaiserpaar vergnügte sich dennoch. Eine Woche nach der Hochzeit vermerkten die portugiesischen Diplomaten, die Isabella nach Sevilla begleitet hatten, zufrieden, dass »sie jede Nacht in den Armen ihres Ehemannes schläft, und sie sind beide sehr verliebt und überglücklich … bis 10 oder 11 Uhr bleiben sie des Morgens im Bett«. Und wenn sie sich dann zeigten, »unterhalten sie sich ständig und scherzen miteinander, selbst wenn alle Welt zuschaut«. Einem Höfling gegenüber machte Karl die derbe Bemerkung: »Ich bin zu schwach, um selbst zu schreiben … [denn] ich bin noch immer frisch vermählt.« Einen Monat später klagte der Florentiner Botschafter, dass »Seine Majestät sich nicht mehr so fleißig um die Geschäfte bemüht wie früher, seitdem er seine Frau kennengelernt hat; tatsächlich arbeitet er am Morgen nun überhaupt nicht mehr«. Als Karls Gesundheit im September leicht angeschlagen schien, erklärte selbst der vornehme Castiglione dies damit, dass der Kaiser sich eben »zu sehr bemüht, ein guter Ehemann zu sein«.38 Als die Temperaturen in Sevilla in unerträgliche Höhen kletterten, brach das frisch vermählte Paar zu einer langsamen Reise über Carmona und Córdoba nach Granada auf, um ihren gemeinsamen Großeltern, den Katholischen Königen, ihre Aufwartung zu machen, die in der gerade erst fertiggestellten Hofkapelle der dortigen Kathedrale beigesetzt waren. Anschließend quartierten Karl und Isabella sich in der Alhambra ein, dem einstigen Palast der muslimischen Herrscher von Granada. Karl hatte nicht vor, lange zu bleiben – seinem Bruder versprach er, Ende Juni von Barcelona aus per Schiff nach Italien zu reisen, und schlug vor, dass sie sich in Mailand treffen sollten. Aber diese Absicht wurde durchkreuzt, als sich zeigte, dass Franz I. von Frankreich seine Versprechen nicht hielt.
Die Freilassung des französischen Königs – im Gegenzug für die Geiselhaft seiner zwei älteren Söhne – war unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen am 17. März 1526 an der spanisch-französischen Grenze erfolgt. Noch kurz bevor er von dort aufbrach, hatte Franz Lannoy gegenüber sein Versprechen wiederholt, dass er Wort halten und den zuvor geschlossenen Vertrag schon in der ersten französischen Stadt in Kraft setzen werde, die am Wege lag. Als er jedoch später am selben Tag in Bayonne eintraf und der kaiserliche Botschafter in seinem Gefolge auf diese Ratifizierung pochte, erwiderte ihm der französische Kanzler, dass »der König so handeln wird, wie es Räson und Anstand von ihm fordern« – ein deutlich anderes Versprechen als das zuvor gegebene. Als Karls Botschafter es drei Tage später noch einmal versuchte, beschied man ihm, die Übergabe Burgunds an den Kaiser werde noch etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen. Karl selbst fand diese Antwort »überaus seltsam, sodass mich auch in anderer Hinsicht ein Verdacht überkommt«. Schlimmer noch: Sie »lässt uns und all unsere Geschäfte im Ungewissen«.39
Während der Kaiser also im Ungewissen schwebte, vertrieb er sich seine Zeit in Granada. Und das hieß – sofern er sich nicht gerade bei seiner Frau im Ehebett aufhielt –, dass er sich geduldig mit der großen Flut von Briefen auseinandersetzte, die aus allen Enden seines wachsenden Imperiums eintrafen (so versprach er etwa Erasmus, ihn gegen seine Kritiker zu beschützen: »Der Kaiser steht zu Euch als ein rundum gebildeter und wahrhaft frommer Mann, und er wird Eure Ehre und Reputation verteidigen wie seine eigene«).40 Außerdem unternahm Karl diverse Schritte, um die von den Katholischen Königen begonnene Christianisierung Granadas schneller voranzutreiben: Er gründete ein Seminar zur Ausbildung von Priestern für die Hofkapelle und ein anderes, an dem Logik, Philosophie, Theologie und Jurisprudenz gelehrt wurden, zur Ausbildung von Predigern – daraus sollte später die Universität Granada hervorgehen. Auch führte Karl den Vorsitz einer Kommission, die Anordnungen (Mandatos) zur Christianisierung der Morisken (der früheren Untertanen der muslimischen Herrscher und ihrer Nachkommen) erarbeiten sollte. Manche dieser Anordnungen untersagten islamische Glaubenspraktiken wie die Beschneidung der Knaben und das rituelle Schächten, andere verboten den Gebrauch der arabischen Sprache in Wort und Schrift oder das Tragen traditionell-islamischer Kleidung. Allerdings trat keine dieser Maßnahmen tatsächlich in Kraft, da der Kaiser beinahe sofort einer Aussetzung der Mandatos auf vierzig Jahre zustimmte – im Gegenzug erhielt er aus den Reihen der Morisken eine beträchtliche Summe zur Finanzierung seiner diversen Kriegsvorhaben.
Während dieses Aufenthaltes in der Alhambra wurde Isabella mit ihrem ersten Kind schwanger, dem künftigen König Philipp II. Der englische Botschafter war im September 1526 der Erste, der diese frohe Kunde vermelden konnte: »Wir können nun offen und gewiss mitteilen, dass die Kaiserin ein Kind unter dem Herzen trägt, worüber der ganze Hof und auch das Volk nicht wenig erfreut sind.« Zwei Wochen später bestätigte auch sein polnischer Kollege die Nachricht: »Es heißt, es sei nun fast ein Monat, dass die Kaiserin empfangen hat und guter Hoffnung ist (welch frohes und glückliches Ereignis!), und aus diesem Grund verbringt sie nun die meiste Zeit im Bett.«41 Zugleich prophezeite er, der Kaiser werde seine geplante Italienreise nun wohl verschieben und seine schwangere Frau nicht allein zurücklassen, um Spanien während seiner Abwesenheit zu regieren, zumal die neuerliche französische Feindseligkeit eine solche Reise viel zu gefährlich erscheinen ließ.