Читать книгу Der Kaiser - Geoffrey Parker - Страница 50
Ein Duell, das niemals stattfand
ОглавлениеAuch wenn Monsieur de Beersel seinen früheren Schützling vielleicht dafür getadelt hätte, dass dieser »die Ernte nicht eingefahren« hatte: Karls Bemühungen, seine Verluste durch ein einziges Duell wieder wettzumachen, hätte Beersel wohl mit Beifall aufgenommen. Im März 1528 wiederholte der Kaiser seine persönliche Herausforderung an Franz erneut, bei diesem dritten Mal in einem Brief an den französischen Botschafter (der zwar immer noch festgehalten wurde, mit der Außenwelt jedoch Kontakt halten durfte): »Euer Herr, der König von Frankreich, hat sich auf eine nichtswürdige und niederträchtige Weise verhalten, als er die Versprechen nicht einhielt, die er mir im Vertrag von Madrid gegeben hat, und wenn er mir in diesem Punkt zu widersprechen wünscht, so will ich meine Meinung gern in einem persönlichen Zweikampf vertreten.«88 Diesmal konnte Franz die Nachricht nicht einfach ignorieren und verfasste seinerseits eine wütende Gegenherausforderung. »Sollte es Eure Absicht gewesen sein«, warnte er Karl, »uns irgendetwas vorzuwerfen, was für einen auf seine Ehre bedachten Mann von Stand nicht statthaft wäre, so hättet Ihr dreist gelogen. Deshalb schreibt uns von nun an keine unnötige Zeile mehr: Nennt nur den Ort, und wir bringen die Waffen mit.« Bis dahin müsse jedoch Schluss sein mit Sticheleien. »Ich will hoffen«, beschloss Franz seine Herausforderung, »dass Ihr wie ein Edelmann antworten werdet und nicht wie ein Advokat: auf dem Duellplatz und nicht bloß auf Papier.«89
Karl hatte jedoch nicht die Absicht, fortan auf die »Waffen« Papier und Tinte zu verzichten – ganz im Gegenteil ließ er den gesamten Briefwechsel mit Franz als ein kleines Büchlein veröffentlichen –, umso weniger, als er gerade zum ersten Mal deutliche Popularität bei seinen spanischen Untertanen erfuhr. Wie Gattinara bemerkte, »spornte die Aufforderung zum Duell, so unbedacht sie auch ausgesprochen war, Aragonier, Valencianer und Katalanen dazu an, mit Leidenschaft ihren Cäsar zu unterstützen und zu ihrer Rache [an den Franzosen] zu kommen«. Salinas berichtete, Karls ursprüngliche Antwort an die Herolde habe »allen Anwesenden sehr gefallen« und jedermann sei »so froh über diese Herausforderung, als hätte er selbst sie erhalten«.90 Der Kaiser wusste sich eine solche Stimmung zunutze zu machen, indem er die in Valladolid zusammengetretenen Cortes von Kastilien dazu brachte, beträchtliche neue Steuersummen zu bewilligen – mit denen er einen weiteren Italienfeldzug finanzieren wollte – sowie Philipp als dem neuen Fürsten von Asturien Gefolgschaft zu schwören (diesen Titel führte traditionell der kastilische Thronfolger). Außerdem unternahm Karl nun den zeremoniellen Besuch in Valencia, den er neun Jahre zuvor vermieden hatte, und ließ bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal »die Kaiserin als Regentin von ganz Kastilien« zurück. Bei seiner Rückkehr traf er in Monzón mit den Cortes von Aragón zusammen und konnte auch sie zur Bewilligung neuer Steuern bewegen.91
Bevor er auf die Herausforderung durch Franz antwortete, unternahm Karl den ungewöhnlichen Schritt, seine führenden Untertanen und Minister in Sachen Etikette zu konsultieren: Mit den Aragoniern konnte er in Monzón persönlich sprechen, die Kastilier befragte er brieflich. Der kastilische Kronrat äußerte sich dahingehend, dass »derlei Herausforderungen [zum Duell] nach dem Gesetz Gottes und dem Naturrecht verboten« seien. Der Kaiser als ranghöchster Herrscher der Christenheit solle daher mit gutem Beispiel vorangehen und Duellen aus dem Weg gehen. Wie die Räte vorhersagten, würden auch, »selbst wenn Ihr diese Herausforderung annehmt, Krieg und Zwietracht nicht aufhören, sondern (wie wir glauben) eher noch zunehmen«. Die Kaiserin, die erst kürzlich ihre Tochter María zur Welt gebracht hatte, versuchte ebenfalls, ihren Gatten von seinem Vorhaben abzubringen – »aus Angst, Euer Majestät könnte damit tatsächlich Ernst machen« und sie selbst als Witwe zurücklassen.92 Die Adligen, Prälaten und Stadtoberen von Kastilien dankten Karl allesamt brav »für die Ehre, die Ihr mir erweist, indem Ihr um meinen Rat für Euer weiteres Vorgehen bittet«. Dann jedoch äußerten manche Besorgnis darüber, dass Karl sein Leben aufs Spiel setzte, während sein Sohn und Nachfolger noch im Säuglingsalter war. Andere wiesen darauf hin, dass – wie der Herzog von Infantado es ausdrückte – »der ritterliche Ehrenkodex auch für Fürsten gilt, so mächtig sie auch sein mögen, und nicht nur für einfache Ritter wie uns«. Das bedeutete, dass ein Eidbrecher wie Franz überhaupt nicht das Recht hatte, eine Herausforderung auszusprechen. Der Kaiser solle sie deshalb einfach ignorieren.93
Die rapide Verschlechterung der kaiserlichen Position in Italien brachte Karl dazu, diesen Rat zu verwerfen und Franz’ Aufforderung zum Duell tatsächlich anzunehmen. Er schlug vor, der Zweikampf solle auf einem eigens abgesicherten Areal stattfinden, »an dem Fluss [Bidassoa], der Fuenterrabía und Hendaye trennt« und noch heute die Grenze zwischen Spanien und Frankreich bildet. Franz überließ er es, zu wählen, »wie und womit wir kämpfen sollen«. Sollte der aber binnen vierzig Tagen nicht akzeptieren, fügte Karl hinzu, werde diese Verweigerung »Euch zur Last gelegt und der Schande noch hinzugefügt, die Ihr mit dem Bruch Eurer in Madrid gegebenen Versprechen auf Euch geladen habt«. Am 24. Juni vertraute der Kaiser diese provokante Nachricht seinem Oberherold an, einem Mann namens Bourgogne (»Burgund«), und versah ihn mit detaillierten Anweisungen für ihre Übergabe an seinen Rivalen. Bald darauf ließ Karl den berühmten Augsburger Plattner und Harnischmacher Kolman Helmschmied zu sich rufen, der ihm erst kürzlich eine prachtvolle Rüstung angefertigt hatte (das Monogramm »kd«, das Helmschmied darauf angebracht hatte, stand für »Karolus Divus«, »Karl der Göttliche«). Nun sollte der Meister nach Spanien kommen und Material und Schmiede mitbringen »für den Fall, dass ich kämpfen muss«.94 (Abb. 12)
Aus denselben Gründen, die Karl einen Zweikampf Mann gegen Mann befürworten ließen, lehnte Franz ein Duell ab: Der französische König weigerte sich, den nötigen Geleitbrief auszustellen, der es »Bourgogne« erlaubt hätte, Karls Botschaft unbeschadet zu überbringen. Schließlich hatten Franz’ Truppen gerade gute Aussichten darauf, die Kontrolle über ganz Italien zu erringen – in einer solchen Situation schien es nicht angeraten, durch einen Zweikampf alles aufs Spiel zu setzen. In einem Brief mit Datum vom 28. Juli 1528 prahlte der König: »Ich fühle mich so gut, dass ich mich gar nicht besser fühlen könnte«, und berichtete, dass er in der letzten Zeit »zwei oder drei Mal auf der Jagd gewesen« sei und »jeden Tag durch meine Gärten streife und mir die Bauarbeiten ansehe« – gemeint war sein neues Schloss Fontainebleau. Sodann gab er seiner Freude darüber Ausdruck, dass sein Heer die Kaiserlichen in der Lombardei zum Rückzug gezwungen hatte. Dies sei »eine solch herrliche Nachricht, dass die Dinge nicht besser stehen könnten«, denn schließlich
»haben wir so den feindlichen Kräften in Neapel jede Hoffnung auf Entsatz genommen. Das wird es Monsieur de Lautrec ganz leicht machen, den Rest seines Auftrags auszuführen, und so hoffe ich, dass wir schon in wenigen Tagen weitere gute Nachricht von jener Seite erfahren … Stellt Euch nur vor, wie fassungslos meine Feinde sein werden, wenn sie ihre Kräfte Tag um Tag schwächer werden und schwinden sehen, während die meinen mit dem Gelingen meines Vorhabens immer stärker werden und zunehmen«.95
»Weitere gute Nachricht von jener Seite« sollte es niemals geben. Etwa um dieselbe Zeit, als Franz in Fontainebleau seinen allzu siegessicheren Brief unterzeichnete, ging im 1500 Kilometer entfernten Neapel der Admiral Andrea Doria in das Lager des Kaisers über und brach die Seeblockade. Ruhr und Malaria dezimierten das französische Belagerungsheer, und Lautrec selbst lag auf dem Sterbebett. Prahlerei und Schadenfreude bestraft der liebe Gott sofort.