Читать книгу Einführung in die Interkulturelle Pädagogik - Georg Auernheimer - Страница 10

1.4 Interkulturelle Erziehung im internationalen Vergleich

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Anders als man erwarten möchte, reicht auch in älteren Einwanderungsländern und in Staaten, die sich ausdrücklich als Einwanderungsland definieren, die Diskussion über interkulturelle bzw. multikulturelle Erziehung nicht weiter als bis in die 1970er Jahre zurück. Das gilt sogar für die überseeischen Einwanderungsländer Australien und Kanada. Das dominante kulturelle Selbstverständnis in Australien und Kanada war nämlich aufgrund der Zugehörigkeit zum Commonwealth lange Zeit britisch orientiert. Die Natives wurden nicht als kulturell eigenständig wahrgenommen. Erst die Einwanderung aus süd- und osteuropäischen, teilweise auch asiatischen Ländern erzwang nach dem Zweiten Weltkrieg eine Neuorientierung. In Kanada sorgte die selbstbewusste frankophone Minderheit schon früh für Beunruhigung und die Anerkennung eines kulturellen Pluralismus. Heute ist dort der Multikulturalismus staatliches Programm und Essential des nationalen Selbstverständnisses. Ähnliches scheint für Australien zu gelten. In beiden Staaten hat zuletzt auch die Rassendiskriminierung, speziell in Bezug auf die eingeborenen Ethnien, mehr Aufmerksamkeit gefunden.

USA

In den Vereinigten Staaten verhinderte bis zu den 1960er Jahren die Ideologie des melting pot, des ethnischen Schmelztiegels, dass man überhaupt |25|auf ethnische oder kulturelle Unterschiede aufmerksam wurde, wenngleich es schon einmal in den 20er und 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts eine multikulturelle Bildungsinitiative gegeben hat (Steiner-Khamsi 1992). Erst die Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre gegen die Rassentrennung im Bildungssystem und gegen jede Art von Diskriminierung gab den Anstoß, die Kulturen der Minderheiten in Schulen und Universitäten zu würdigen. Im Laufe der 1970er Jahre konnte die Pädagogik sich der Ethnic-Revival-Bewegung nicht entziehen. Viele ethnische Minderheiten folgten dem Beispiel der Schwarzen, die sich unter dem Motto „Black is beautiful“ stolz auf ihre Eigenart besannen und begannen, nach ihren „roots“, d.h. nach den Wurzeln ihrer kulturellen Herkunft, zu suchen. Die Bildungspolitik reagierte 1968 mit dem Bilingual Education Act und 1972 mit dem Ethnic Heritage Act. Die Political-Correctness-Bewegung scheint seit den 1980er Jahren die Curricula an einigen Colleges und Universitäten stark verändert zu haben. Die Korrektur galt der eurozentrischen Ausrichtung der allgemeinbildenden Studien. Die pädagogischen Ansätze zu Minderheitenfragen und kulturellen Differenzen scheinen vielfältig bis zur Unübersichtlichkeit, wobei viele nach Ansicht kritischer Autoren die politische Dimension, d.h. Fragen der strukturellen Benachteiligung, vernachlässigen. Ebenso vielfältig sind die Regelungen zum bilingualen Unterricht. Das Spektrum reicht von Maßnahmen, bei denen die Minderheitensprache nur übergangsweise zum leichteren Erwerb des Englischen berücksichtigt wird, über „Immersion“-Programme, wo beide Sprachen zur Verständigung im Unterricht dienen, bis zu Programmen, in denen die Herkunftssprache dominiert (Siebert-Ott 2001). Auch die Trägerschaft variiert. Teils ist der Unterricht von der Kommune getragen, teils von Minderheitenorganisationen.

Europa – Parallelen in der Bildungspolitik

Innerhalb der west- und nordeuropäischen Staaten sind bei allen Unterschieden hinsichtlich der Geschichte und Struktur der Einwanderung Ähnlichkeiten in der Einwanderungs- bzw. Ausländerpolitik und hinsichtlich der bildungspolitischen Antworten auf die Migration festzustellen. Die Arbeitsmigration im großen Maßstab vollzog sich auch bei den früheren Kolonialmächten Belgien, England, Frankreich und den Niederlanden erst in der Nachkriegszeit, wobei die Entkolonialisierung half, den Arbeitskräftebedarf zu decken. Der Vorwurf der Kollaboration mit der Kolonialmacht, die Erwartung besserer Lebenschancen oder ethnische Konflikte wie auf dem indischen Subkontinent veranlassten Menschen zur Migration. Überall in Europa begann die Einwanderung in den 1950er Jahren, stieg in den 1960er Jahren an und wurde zu Beginn der 1970er Jahre gedrosselt bzw. beendet (Anwerbestop bzw. Einwanderungsstop). Überall ist, wenn man von den Niederlanden und Schweden absieht, in den 1960er und frühen 1970er Jahren die Verabschiedung von Gesetzen zur Steuerung der Einwanderung zu verzeichnen, in Frankreich und der Bundesrepublik auch der Versuch der Rückkehrförderung. Auch bei den bildungspolitischen Maßnahmen zur Beschulung der Einwandererkinder gibt es, zum Teil aufgrund internationaler Vereinbarungen, viele Parallelen: Neben den Vorbereitungsklassen zur Vorbereitung auf den Regelunterricht finden sich Förderkurse oder Spezialklassen sowie die bilingualen Klassen, wobei die Schwerpunkte allerdings sehr unterschiedlich gesetzt wurden. Lange Zeit verfolgten die Bildungsadministrationen in den anderen europäischen Aufnahmeländern, ebenso wie die |26|Kultusminister in der Bundesrepublik, das Doppelziel der schulischen Integration und der Wahrung der Bindung ans Heimatland („twofold objective“), was auch in der Resolution des Europarats vom November 1970 als Richtlinie formuliert wurde. Im Zentrum – auch der internationalen Vereinbarungen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft – stand der Abbau der sprachlichen Defizite. In der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom Juli 1977 bekam der muttersprachliche Unterricht ein gewisses Gewicht, wurde aber nach wie vor mit der Wiedereingliederung der Migrantenkinder im Herkunftsland begründet.

Status des Muttersprachunterrichts

Nur in Schweden verband sich schon früh die Einsicht in den irreversiblen Charakter der Immigration mit weiter reichenden pädagogischen Zielsetzungen. Dort haben die Migrantenfamilien Anspruch auf Unterricht in ihrer „Heimsprache“, also in ihrer Familiensprache. Der Heimsprachunterricht wird in zahlreichen Sprachen erteilt. „Aktiver Bilingualismus“ und interkulturelle Erziehung sind Prinzipien der Pädagogik und Bildungspolitik. Die strukturelle Integration der Einwanderer verbindet sich mit dem Bekenntnis zur kulturellen Vielfalt. Erst später kamen auch in anderen Ländern Begründungen zur Geltung wie die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder, die Erleichterung der Integration und die multikulturelle Situation. Der muttersprachliche Unterricht („mother tongue and native culture tuition“) war und ist in fast allen europäischen Staaten ebenso wie in der Bundesrepublik nur teilweise in den Regelunterricht integriert und in der Verantwortung der Schulbehörden des Aufnahmelandes. Häufig bleibt diese Aufgabe den Konsulaten oder wie in Großbritannien den Einwanderergemeinden überlassen. Anzumerken ist, dass das Recht auf die Unterweisung in der Muttersprache auch für die Kinder einheimischer sprachlicher Minderheiten erst in den 1970er Jahren (wieder) entdeckt worden ist, das vorher der Nationalstaatsidee zum Opfer gefallen war, wenn nicht internationale Abkommen, wie im Falle der Slowenen in Österreich, zur Berücksichtigung der Minderheitensprachen zwangen.

Etappen der pädagogischen Diskussion

Die sozial- und erziehungswissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Lage der Einwandererminoritäten und das Bemühen um Verbesserung scheint einer allgemeinen Logik zu folgen, so dass sich in den verschiedenen Ländern ähnliche Etappen der Diskussion ausmachen lassen. Als Kontext muss dabei die von einer widersprüchlichen Politik geprägte Situation gesehen werden. Am Anfang stand die Zuversicht, durch die Behebung sprachlicher Defizite Chancengleichheit für Migrantenkinder herstellen zu können. Die Bildungsinstitutionen waren überall auf die Migration unvorbereitet und verschlossen sich zunächst einer Neuorientierung. Für die Schwierigkeiten der Integration machte man nach den Sprachdefiziten im zweiten Schritt die kulturellen Unterschiede verantwortlich, um schließlich in einem dritten Schritt, meist spät, auf die Diskriminierung der Minderheiten aufmerksam zu werden, was für die einen nahelegte, die interkulturellen Beziehungen selbst zum Gegenstand von Unterricht und Erziehung zu machen, während andere die eigentlichen Ursachen für die soziale Lage der Minderheiten in der Benachteiligung auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt etc. sahen und für eine Thematisierung des „strukturellen Rassismus“ plädierten. So ähnlich scheint die Diskussion in vielen Ländern verlaufen zu sein.

|27|Die Parallelen im pädagogischen Diskussionsverlauf lassen aber allzu leicht Unterschiede verkennen, die sich aus den jeweiligen nationalen Rahmenbedingungen ergeben. Beachtung verdienen in dieser Hinsicht die unterschiedlichen Schulkulturen und Bildungssysteme, darüber hinaus aber auch die jeweilige politische Kultur, wo zum Beispiel stärkerer Staatsfixierung eine mehr zivilgesellschaftliche Orientierung gegenüber steht, einem mächtigen Zentralismus ein institutionalisierter Föderalismus und Pluralismus. Anders als die laizistische Verfassung Frankreichs impliziert die säkulare Ordnung der Bundesrepublik die wohlwollende Förderung der Religionen, allerdings bisher beschränkt auf die christlichen Konfessionen. Eine Forschergruppe um den Ethnologen Schiffauer hat in einer vergleichenden Studie die Auswirkungen solcher Unterschiede zwischen den politischen Systemen und Kulturen auf die Integration und politische Sozialisation von Immigrantenkindern in vier europäischen Ländern aufgezeigt. In ihren Schulfallstudien werden die Differenzen anschaulich gemacht (Schiffauer u.a. 2002).

Unterschiede im Nationsverständnis

Für den Rechtsstatus von Migranten und generell für die „Zugehörigkeitsordnung“ (Mecheril) ausschlaggebend ist das jeweilige Nationsverständnis. Dieses bestimmt unter anderem das Staatsbürgerschaftsrecht und beeinflusst die jeweilige Einwanderungspolitik maßgeblich. Man unterscheidet zwischen einem republikanischen und einem ethnischen Konzept von Nation, wie es für die Bundesrepublik bis zur Novellierung des Staatsangehörigkeitsrechts kennzeichnend gewesen ist. In Frankreich, wo die republikanische Auffassung am prägnantesten hervortritt, stiftet die gemeinsame Verpflichtung auf republikanische Prinzipien und Werte die nationale Gemeinschaft. Dem entspricht im Staatsangehörigkeitsrecht das Territorialprinzip. Das heißt, dem Prinzip nach erwirbt die französische Staatsangehörigkeit, wer auf französischem Boden geboren wird. Die politische Kultur ist getragen von der aufklärerischen Idee der universellen Humanité. Das Beispiel Frankreich zeigt allerdings auch, dass die Berufung auf universelle Werte zu einer militanten oder missionarischen Verbreitung der einheitlichen Staats- und Kultursprache beitragen kann, da diese vielen als das Medium der Zivilisierung gilt. Auch der starke Zentralismus begünstigt die Vereinheitlichung. Kulturelle Homogenität ist jedoch nicht notwendige Bedingung für den nationalen Zusammenhalt, wie man am Beispiel der Niederlande und der Schweiz sieht. In beiden Staaten entspringt die Nation einem politischen Gründungsakt, was bei der Schweiz mit dem Namen „Eidgenossenschaft“ zum Ausdruck gebracht wird. Der nationale Zusammenhalt stützt sich auf den Befreiungsakt der Urkantone. In ähnlicher Weise liefert die Befreiung von der Herrschaft der spanischen Habsburger für die Niederlande die Gründungsurkunde des Nationalstaats. Diese haben zwar nicht mehrere Nationalsprachen wie die Schweiz, tragen aber den konfessionellen Unterschieden mit dem Prinzip der „Versäulung“ Rechnung. Das von der einstigen Stellung als Handelsmacht genährte Selbstbewusstsein erlaubt Gelassenheit und Sparsamkeit im Gebrauch nationaler Symbole. Zwar sind für jede Nation ungeachtet der Unterschiede ein „Gemeinsamkeitsglaube“ (Max Weber) und die „Erfindung“ einer Tradition konstitutiv (Anderson 1993), aber die Bezugnahme auf gemeinsame Abstammung ist dabei keineswegs notwendig, wie man sieht.

die Rechtslage in Deutschland

|28|In Deutschland ist das Verständnis der Nation als Abstammungsgemeinschaft mit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 1999 durchbrochen worden, was eine Angleichung an die europäischen Standards mit sich bringt. Immer noch bestehen aber beträchtliche Unterschiede, was die politischen Partizipationsmöglichkeiten für die Mehrheit der Immigranten betrifft. Das traditionelle Verständnis bestärkt außerdem noch immer die einheimische Bevölkerung in ihrem Exklusivitätsbewusstsein. Von der jeweiligen Rechtslage wird nicht zuletzt die Zusammensetzung des pädagogischen Personals beeinflusst, ein nicht unwesentliches Element der Multikulturalität pädagogischer Institutionen. Dass man auch unterhalb der Ebene des Staatsbürgerschaftsrechts den aufenthaltsrechtlichen Status verbessern und politische Mitbestimmungsmöglichkeiten erweitern kann, zeigt das Beispiel der Niederlande, wo man das Niederlassungsrecht eingeführt und Migranten unabhängig von der Einbürgerung das Kommunalwahlrecht zugestanden hat. Auch bei der Antidiskriminierungsgesetzgebung, einer weiteren Rahmenbedingung, schnitt Deutschland bis zur Verabschiedung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) in 2006 im europäischen Vergleich schlecht ab. In den meisten europäischen Staaten hat man, zum Teil bereits in den 1970er Jahren, Gesetze verabschiedet, die direkte oder auch indirekte Diskriminierung aufgrund von „Rasse“ bzw. ethnischer Herkunft verbieten. Staatliche Kommissionen und Initiativgruppen bemühen sich um die Überwachung. In den Niederlanden hat man die gesamte Gesetzgebung in den 1980er Jahren auf diskriminierende Vorschriften hin überprüft. Gegenüber der für die Integration ungünstigen Rechtslage und unzureichenden politischen Inklusion in Deutschland verweisen einige Autoren allerdings auf die Integrationseffekte des deutschen Sozialstaats.

hohe Selektivität des deutschen Bildungssystems

Neben den allgemeinen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind beim internationalen Vergleich die Unterschiede der Bildungssysteme in Rechnung zu stellen, wenn man die Erfolgschancen interkultureller Bildung und Erziehung vergleichen will. Für die Integration von Migrantenkindern ist es, wie internationale Vergleichsstudien zeigen, von Bedeutung, ob über die Schullaufbahn der Schüler nach dem vierten, nach dem sechsten oder gar wie in vielen Nachbarstaaten nach dem 10. Schuljahr entschieden wird. Die frühe Schullaufbahnentscheidung bedingt die hohe Selektivität des deutschen Systems, was bewirkt, dass Migrantenkinder bei uns besonders geringe Chancen haben (Dt. PISA-Konsortium 2001). Die Trennung nach Schulzweigen verstärkt die Illusion einer homogenen Schülerschaft, so dass die Lehrer/innen weniger auf den Umgang mit Heterogenität eingestellt sind. Ein zweiter Vergleichsaspekt ist, ob Halbtags- oder Ganztagsschulen üblich sind, was nicht nur die Möglichkeiten der Förderung, sondern auch die Gelegenheiten, interkulturelles Zusammenleben und Kooperation einzuüben, tangiert. Der normale, zumal der lehrerzentrierte Unterricht zwingt die Schüler kaum, sich aufeinander einzulassen. Wieweit die Offenheit von Schulsystemen für kulturelle Vielfalt von solchen strukturellen Eigenheiten abhängt, wissen wir noch nicht.

Vorbilder Schweden und Finnland

In den skandinavischen Ländern Schweden und Finnland verhindert die gemeinsame Beschulung aller Kinder im Gesamtschulsystem Bildungssackgassen und verbessert deutlich die Chancen der Migrationskinder (Dt. PISA-Konsortium |29|2001). Es sollte freilich auch nicht verschwiegen werden, dass in Schweden wie in allen skandinavischen Ländern die Periode großzügiger Migrationspolitik von einer stark defensiven Flüchtlingspolitik abgelöst worden ist, neben der aber nach wie vor eine konsequente Politik der Integration verfolgt wird. Finnland machte bei den internationalen Leistungsvergleichen wegen der guten Ergebnisse für Migrationskinder von sich reden. Hervorgehoben werden: die Sicherung der Anschlüsse zwischen den Stufen des Bildungssystems durch Kooperation (z.B. zwischen Kindergärten und Schulen), die Individualisierung des Unterrichts und die Verantwortung aller beteiligten Fachkräfte für jedes Kind.

Österreich und Schweiz

Die beiden deutschsprachigen Nachbarländer Österreich und Schweiz weisen nicht nur hinsichtlich der Ausländerbeschäftigungspolitik, sondern auch beim Schulsystem viele Ähnlichkeiten mit der Bundesrepublik auf, soweit sich das bei der kantonalen Vielfalt für die Schweiz sagen lässt. In der Mehrzahl der Schweizer Kantone erfolgt der Übergang in die Sekundarstufe erst nach sechs Jahren. Die neuen Minderheitensprachen und -religionen findet man nach Allemann-Ghionda (1999) in den kantonalen Lehrplänen insgesamt kaum berücksichtigt. Andererseits verweist sie auf einige beachtliche Initiativen auf der Ebene von Einzelschulen zur Förderung der Chancengleicheit und des interkulturellen Verstehens. Darüber hinaus findet man bemerkenswerte Anregungen für eine interkulturelle Orientierung der Schulen von Seiten kantonaler Schulverwaltungen. Speziell die Bildungspolitik der Kantone Basel und Zürich hat über die Schweiz hinaus Aufmerksamkeit gefunden. In Österreich ist die interkulturelle Erziehung im Verlauf der 1980er Jahre, zuerst angestoßen durch den Streit um die Rechte einer autochthonen Sprachminderheit, zum Gegenstand erziehungswissenschaftlicher Erörterungen geworden. In den Streit um den zweisprachigen Unterricht in überwiegend slowenischsprachigen Orten mischten sich Erziehungswissenschaftler ein, die sich sowohl gegen die Assimilationspolitik der Majorität als auch gegen eine Politik der ethnischen Separation wandten und einen Sprachunterricht mit interkultureller Zielsetzung propagierten (Gstettner/Larcher 1985). Das gab auch Anstöße für die Migrationspädagogik. Unter anderem wurden im Rahmen eines staatlich geförderten und wissenschaftlich begleiteten Aktionsprogramms Möglichkeiten des interkulturellen Lernens erprobt. Die Relevanz von Mehrsprachigkeit und interkultureller Bildung für die pädagogische Ausbildung ist weithin anerkannt, wenn auch die Diskrepanz zwischen Programmatik und Praxis nicht geringer ist als in Deutschland. Dasselbe gilt für die Bildungsbenachteiligung der Heranwachsenden mit Migrationshintergrund. Ihr Anteil an den Haupt- und Sonderschülern ist überproportional hoch. Eine besondere Stellung nimmt Österreich mit der frühen Einführung des islamischen Religionsunterrichts Anfang der 1980er Jahre ein. Die Offenheit dafür verdankt sich einer in die k. u. k. Monarchie zurückreichenden Tradition. In diesem Vielvölkerstaat war der Islam seit 1874 bzw. 1912 als gleichberechtigte Religionsgemeinschaft anerkannt. Dem historischen Vorbild gemäß wurde 1979 die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGIÖ) als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt mit der Befugnis, Religionsunterricht in eigener Verantwortung zu erteilen. Ein entsprechendes Angebot gibt es an Pflichtschulen und höheren Schulen. Allerdings ließen die pädagogische und |30|theologische Ausbildung der Lehrpersonen lange Zeit zu wünschen, und auch der Lehrplan wird kritisch beurteilt (www.integrationsfonds.at/publikationen/oeif_dossiers/ der_islamische_religionsunterricht_in_oesterreich/ 29.02.2012).

Einführung in die Interkulturelle Pädagogik

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