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Egalitäre Gesellschaften

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In der gewaltsamen Tötung des Opfers, das zur Rettung der Gruppe dem Raubtier vorgeworfen wurde, wurde die Gruppe als Ganzes zum Raubtier. Durch die Opferhandlung erwarb sie den Jäger- und Raubtierstatus. Im Beutetierstatus befand sich dagegen das ausgewählte Opfer, das dem Raubtier vorgeworfen wurde. Dieses aber wurde nach seinem Tod (als stellvertretend für alle anderen gestorben) sakralisiert und zum göttlichen Retter hochstilisiert. Auch später, als der neu gewonnene göttliche Status in der Großwildjagd, in der Blutrache-Tötung und im Krieg aufgebaut, erhalten und gefestigt wurde, eignete dieser Status der Gruppe als Ganzem. Es gab noch nicht das von der Gruppe losgelöste Individuum. Der Einzelne war das, was er für die Gruppe und in der Gruppe war. Zwar hatte der todgewaltige Jäger und Krieger das höchste Ansehen. Bei in der Gruppe zu treffenden Entscheidungen fiel seine Stimme besonders ins Gewicht. Frauen und Kinder, die bei Jagd, Blutrache und Krieg im Hintergrund standen, dabei aber notwendige und wichtige Hilfsfunktionen ausübten, bezogen von der Muttersymbolik her ebenfalls einen göttlichen Status, der allerdings im Rasen des männlichen Vernichtungsrausches oft unterdrückt und hintangestellt wurde.

Insgesamt aber gibt es bei Völkerstämmen, die noch als Sammler und Jäger leben, innerhalb des Stammes keine Klassenunterschiede. Diese Gesellschaften sind egalitär. Dies änderte sich erst mit der Sesshaftwerdung vor etwa zehn- bis zwölftausend Jahren, vor allem aber mit der späteren Gründung von Großreichen.

Nach der „Urrebellion“ (Ehrenreich) des frühmenschlichen Beutetiers gegenüber dem Raubtier und der Erringung des Raubtierstatus bestand die zweite menschheitsgeschichtliche Revolution im Übergang vom Nomadendasein zur Sesshaftwerdung. Gewiss spielten dabei Klimaänderungen und Beobachtungen des Pflanzenwachstums auf vormals verlassenen und später wieder aufgesuchten Lagerplätzen eine bedeutende Rolle. Doch die Frage, wie dieser gravierende Wandel der Lebensweise von innen her, gewissermaßen „psychologisch“, möglich wurde, ist damit nicht geklärt. Sofern der Mensch von innen her aus seiner Symbolerfahrung lebt, ereignete sich in der Sesshaftwerdung ein Vordringen des Muttersymbols gegenüber der Raubtiersymbolik. Die früheste Kultur nach der Sesshaftwerdung war eine ausgesprochene Bestattungskultur. Im Mittelpunkt standen die Toten, denen mit riesigen Steinen (Megalithen) monumentale Grabmäler errichtet wurden. Bekannt sind Stonehenge in England und die sehr frühe Stadtkultur von Catal Hüyük in Anatolien, wo die Skelette Verstorbener teilweise unter den Schlafplattformen begraben wurden, die Menschen also gleichsam auf den Gräbern ihrer Ahnen schliefen. Sich nicht mehr von diesen Gräbern der Vorfahren lösen und weiterziehen zu müssen, sondern bei ihnen bleiben und wohnen zu können, war eine starke innere Motivation zur Sesshaftwerdung. Das aus der Muttersymbolik entspringende Beziehungserleben stand also im Mittelpunkt.

Außerdem war eine innere Voraussetzung für die Sesshaftwerdung des Menschen sein Vertrauen auf die Kräfte des Wachstums und der periodischen Erneuerung des Wildgetreides und anderer Pflanzen, von denen die Sammlerinnen und Sammler ihre Nahrung bezogen. Die Frau und Mutter in ihrer Fähigkeit, neues Leben in ihrem Leib wachsen zu lassen und zu gebären, symbolisierte auch diese Kräfte der Vegetation. In diesem tiefgreifenden Übergang der Lebensweise des Menschen hat das Muttersymbol eine entscheidende Wirksamkeit entfaltet. Tatsächlich bestätigen die Funde, dass in den Pflanzer- und Bauernkulturen die Muttergottheit im Zentrum des religiösen Kults stand. Der seine Äste schützend ausbreitende große Baum, das an der Quelle aus der Erde hervorsprudelnde Wasser, Seen und Teiche sowie die fruchtbare Erde und ihre Höhlen symbolisierten die Große Mutter. Wahrscheinlich haben die erstmals von J. J. Bachofen anhand historischer Quellen und Mythen beschriebenen sowie die von der gegenwärtigen Feminismusforschung anhand ethnologischen Materials in allen Teilen der Erde teilweise sehr detailliert dargestellten matriarchal geprägten Gesellschaften hier ihren Ursprung.56 In diesen Gesellschaften war das Erbrecht durch die Mutter definiert und die Männer zogen bei der Eheschließung in den von der Mutter bestimmten Clan ein. Die Jagd spielte nur noch eine untergeordnete Rolle. Vor Raubtieren und räuberischen Überfällen schützte man sich durch die Art des Häuserbaus – in Catal Hüyük konnte man die Häuser nur über eine Leiter vom Dach aus betreten – sowie durch starke Stadtmauern (etwa in Jericho oder in Uruk).

Wie der Grundriss der Häuser und die gefundenen Grabbeigaben zeigen, gab es anfangs auch in diesen Gesellschaften keine größeren sozialen Unterschiede. Diese entstanden erst durch die Entwicklung größerer Siedlungen, durch die Entstehung von Tochtersiedlungen sowie durch die aufkommende Arbeitsteilung in Bauern, Hirten, Handwerker und Händler. Diese allmählich herauswachsenden sozialen Unterschiede bedingten aber nicht Unterschiede des Seinsstatus, wie sie in der Antike zwischen Freien und Sklaven, in Indien zwischen den Angehörigen einer Kaste und den Kastenlosen bestanden. Auch der Angehörige einer relativ niederen sozialen Schicht – etwa der Bauer – war nicht statusmäßig vom handwerklichen Spezialisten (etwa in der Metallgewinnung) oder von den führenden Familien unterschieden. Niemand befand sich im Beutetierstatus.

Gewalt in den Weltreligionen

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