Читать книгу 49 Anregungen zum Reflektieren - Georg Ferdinand Weidner - Страница 5
2. Im Angesicht des Todes ist alles egal
ОглавлениеIn #51EZN wurde aufgezeigt, dass jeder ein Erbe hinterlässt (vgl. „Jeder hinterlässt (s)ein Erbe“). „Ich sterbe, ist also doch eh alles egal!“ ist eine schale Aussage in zweierlei Hinsicht: erstens, sterben alle, die leben. Zweitens ist die Konklusion eine falsche: eben weil ich nur begrenzt Zeit habe, ist alles wichtig.
Das Leben, und der Sinn des Lebens, besteht gerade in seiner Begrenzung. Hegelianisch: Leben kann nicht ohne Tod betrachtet werden. Es ist sogar verstandesmäßige Vorschrift, dass das Leben nicht anders als durch sein Gegenteil gedacht werden kann. Oder wie will man sich ein Leben ohne seinen Gegenspieler (Tod) vorstellen? Dies würde in einer „Fantasietranszendenz“ enden.
Gleichzeitig ist der Ausspruch „Yolo“ (aus dem Englischen: You only live once“) oder „man lebt nur einmal“, als Perspektiven auf das Leben beziehungsweise auf den Tod, genauso befremdlich. Woher will man mit Sicherheit wissen, dass man nur einmal lebt? Wenn man stirbt, geht dann das Licht aus? Mit Descartes: geht dann einfach das Licht des Denk-Bewusstseins aus?
Ich denke, die einzige Möglichkeit, die wir haben, ist die Gegenwart; die Vergangenheit ist vergangen, die Zukunft ist offen. Mit der Gegenwart meine ich nicht die von Emotionen geprägte Gegenwart, sondern die durch das Gewissen gestaltete. Gegenwart ist aktivisch, nicht passivisch. Mit immer wieder neuen Handlungen gestalte ich das Jetzt, mit Rumsitzen verwalte ich die Vergangenheit. Gerade auch wegen der Unberechenbarkeit des Gewissen, manchmal der Kontraintuition kann man darauf vertrauen, dass man im hier und jetzt lebt. Standatisierte Handlungsmechanismen in ihrer Bloß-heit schaffen keine „neue“ Zukunft – auch sie verwalten nur. Das Gewissen kann also hier theologisch als ein Hinweis auf Gott gelesen werden: Gott schreibt auf krummen Linien gerade.
Von daher halte ich es eher wie die Philosophen: „Nur das geprüfte Leben ist es wert, gelebt zu werden.“. Oder ignatianisch: „Nur das (mit dem Gewissen) reflektierte Leben ist es wert, gelebt zu werden.“