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Reise vom Kap nach dem antarktischen Zirkel

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Reise vom Kap nach dem antarktischen Zirkel

Am 22. November, nachmittags um vier Uhr, segelten wir aus der Tafelbai und begrüßten beim Abschied das Fort. Das unruhige Element, dem wir uns nun wieder anvertrauten, bewillkommnete uns auf keine angenehme Art, denn wir hatten die ganze Nacht mit Stoßwinden zu kämpfen. Am folgenden Tage um acht Uhr morgens verloren wir das Kap aus dem Gesicht und liefen gen Süden. Da wir nun auf einer Reise begriffen waren, die noch niemand vor uns unternommen hatte, und wir auch nicht wussten, wann und wo wir einen Erfrischungsort finden würden, gab der Kapitän Befehl, mit dem Trinkwasser gut hauszuhalten. Dazu wurde eine Schildwache an das Wasserfass gestellt, und von der Mannschaft bekam jeder ein gewisses Maß zugeteilt. Der Kapitän selber wusch sich mit Seewasser, und unsere ganze Reisegesellschaft musste sich ein gleiches gefallen lassen. Auch wurde die Destilliermaschine in Gang gehalten, um die tägliche Abnahme des Trinkwassers in etwa zu ersetzen.

Am 24. nachmittags fingen wir neun Albatrosse an Schnüren, die wir mit einem Stückchen Schafsfell bestückt hatten.


Einige dieser Vögel maßen von einer Flügelspitze zur anderen über zehn Fuß. Das Gefieder der jüngeren war mit vielen braunen Federn vermischt, die ausgewachsenen aber waren ganz weiß bis auf die Flügel, die schwärzlich oder schwarz gesprenkelt waren. Am 29. wurde der Wind so heftig, dass wir nur das Focksegel setzen konnten, zugleich ging die See fürchterlich hoch und brach oft über das Schiff. Wer kein Seemann war, wusste sich in diese neue Lage gar nicht zu schicken, und da wir bisher gutes Wetter gehabt hatten, waren in den Kajüten keinerlei Anstalten getroffen worden. Das Schwanken des Schiffes richtete deshalb schreckliche Verwüstungen unter unseren Tassen, Gläsern, Schüsseln und anderem Geschirr an, allein die lustigen Auftritte, zu denen es bei dieser allgemeinen Verwirrung kam, bei denen man sich unmöglich des Lachens enthalten konnte, machten uns gegen diesen Verlust gelassener. Das Übelste dabei war, dass die Decken und Fußböden in den Kajüten gar nicht trocken wurden, und das Heulen des Sturmes im Tauwerk, das Brausen der Wellen nebst dem gewaltigen Hin- und Herwerfen des Schiffes waren neue Szenen, aber höchst widrig und unangenehm. Hierzu kam noch, dass die Luft schon recht scharf zu werden begann, wie auch der häufige Regen dem Schiffsvolk den Dienst noch schwerer machte. Um nun die Leute einigermaßen zu schützen, ließ der Kapitän die Kleider austeilen, die von der Admiralität zu diesem Zwecke angeschafft worden waren. Ein jeder, der im Dienst dem Ungestüm des Wetters ausgesetzt war, vom Leutnant bis zum gemeinsten Matrosen, bekam ein Wams und ein paar Schifferhosen vom dicksten wollenen Zeug, welche die Nässe lange abhielten und, wie alle Artikel, die die Admiralität von Lieferanten beschaffen lässt, nur den einzigen Fehler hatten, dass sie durchgehend zu kurz oder zu knapp waren.

In dieser Nacht erlebten wir einen kritischen Augenblick. Ein Unteroffizier, der im Vorderschiff schlief, erwachte von ungefähr und hörte Wasser durch den Schlafraum rauschen. Er sprang aus dem Bett und fand sich bis an die Waden im Wasser. Augenblicklich machte er dem Offizier auf dem Achterdeck Meldung, und in wenigen Minuten war alles in Bewegung. Man fing an zu pumpen, und die Offiziere redeten den Leuten mit einer ungewohnten und daher bedenklichen Güte Mut ein, nicht nachzulassen und aus allen Kräften zu arbeiten. Dennoch schien das Wasser überhandzunehmen. Jedermann geriet in Furcht und Schrecken, und die Dunkelheit der Nacht vergrößerte nur noch die Abscheulichkeit unserer Lage.

Die Schöpf- und Kettenpumpen wurden in Gang gebracht, und die Leute arbeiteten mit dem größten Eifer. Endlich entdeckte man zu unserem größten Glück, dass das Wasser nicht durch ein Leck eindrang, sondern dass es durch ein Luftloch in der Vorratskammer des Bootsmanns hereinkam, das nicht fest genug geschlossen worden war. Es wurde augenblicklich abgedichtet, und so kamen wir diesmal ohne einen anderen Schaden davon, als dass die Kleider und das Gepäck der Matrosen und Offiziere ganz durchnässt worden waren.

Das stürmische Wetter dauerte bis zum 5. Dezember, an welchem Tage der Wind zum ersten Mal, seit wir das Kap verlassen hatten, so gemäßigt war, dass die höchsten Bramsegel gesetzt werden konnten. Die Freude über das gute Wetter war aber von kurzer Dauer. Nachmittags fiel bereits wieder Regen, und die Wellen, die sich von Westen heranwälzten, verkündeten uns, dass wir aus diesem Strich Wind zu erwarten hätten. Er stellte sich auch wirklich ein, und am 7. stürmte es dermaßen, dass wir nachmittags nur noch ein Segel führen konnten. Eine Menge Sturmvögel und Seeschwalben waren uns vom Kap gefolgt, ohne sich an das Stürmen des Windes und der See zu kehren, das sie im Gegenteil in immer größerer Zahl herbeizuführen schien. Von Zeit zu Zeit ließen sich auch Albatrosse sehen. Am 8., da die See immer noch sehr unruhig und der Wind sehr heftig war, ließen sich zum ersten Mal Pinguine und Haufen von Seegras unweit des Schiffes sehen. Diese Umstände begünstigten unsere Hoffnung, Land zu finden, denn bisher wurde es für ausgemacht gehalten, dass Pinguine und Seegras niemals fern von der Küste angetroffen würden. Die Erfahrung aber hat gelehrt, dass man sich auf diese Zeichen nicht verlassen kann.

Am 9. morgens konnten wir endlich wieder unsere großen Segel setzen, weil der Sturm nachgelassen hatte. Das Thermometer war auf 35 Grad (Fahrenheit = 1,7° Celsius) gesunken, stieg mittags um einen Grad höher, obgleich wir uns erst unter 49 Grad 45 Minuten südl. Breite befanden. Nachts wurde es wieder kälter, und in unserem Trinkfass fing das Wasser am Rande an zu gefrieren. Diese Kälte war der Vorbote des Treibeises (Eisberge), das wir am folgenden Morgen antrafen. Das erste, was wir davon zu sehen bekamen, war ein großer Klumpen, dem wir eiligst ausweichen mussten. Ein anderer war dicht vor uns, und einen dritten erblickten wir zwei Meilen entfernt, wo er wie eine Kreideklippe aus dem Meer emporragte. Nachmittags fuhren wir an einer anderen ungeheuren Eismasse vorbei, die ungefähr 2.000 Fuß lang, 400 breit und wenigstens zweimal so hoch wie unser mittlerer Brammast, also ungefähr 200 Fuß hoch war. Da die Masse des Eises sich zum Seewasser ungefähr wie 10 zu 9 verhält, muss die Masse des Eises über dem Wasser wie jene unter dem Wasser wie 1 zu 9 sein. Wenn das Eis, das wir vor uns sahen, von regelmäßiger Gestalt gewesen ist, dann muss es 1,800 Fuß tief im Wasser und im ganzen 2.000 Fuß hoch gewesen sein. Rechnen wir nun seine Breite auf 400 Fuß und für seine Länge 2.000, dann muss dieser einzige Klumpen 1.600 Millionen Kubikfuß Eis enthalten haben. Dergleichen ungeheure Eismassen treiben allem Anschein nach nur sehr langsam, denn da der größte Teil unter Wasser ist, kann die Gewalt des Windes und der Wellen nur wenig Eindruck auf sie machen. Strömungen in der See sind vielleicht die Hauptkräfte, wodurch sie in Bewegung gesetzt werden.

Am 11. Dezember liefen wir an einer Eisinsel vorbei, die wenigstens eine halbe englische Meile lang war. Die Wellen brachen sich mit solchem Ungestüm daran, als ob es ein unbeweglicher Felsen gewesen wäre. Der Kälte des Himmelstrichs ungeachtet waren unsere Schiffe doch immer noch von Sturmvögeln, Albatrossen und Pinguinen umgeben. Ein Nordkaper und verschiedene Wale, die sich zwischen den Eismassen zeigten und die traurigen Seegegenden in diesem eiskalten Klima einigermaßen belebten, brachten uns auf den Gedanken, dass wir doch vielleicht noch ein südliches Grönland zu erwarten hätten.

Abends sondierten wir mit einer Leine von hundertfünfzig Faden (etwa 275 m), fanden aber keinen Grund. Wir waren jetzt unter der Polhöhe, in welcher der Kapitän Bouvet das Kap Circonsion entdeckt haben will. Jeder erwartete daher mit großer Ungeduld, Land zu erblicken, und der geringste Umstand, wenn es auch nur ein schwarzer Fleck auf dem Eise war, erregte unsere ganze Aufmerksamkeit. Die trügerische Gestalt der Nebelbänke oder der in Schneegestöber eingehüllten Eisbänke hatten schon manchen falschen Lärm veranlasst, und die „ADVENTURE“ wurde durch solche Täuschung oft verleitet, uns falsche Signale zu geben, dass sie Land sähe. Die Idee von Bouvets Entdeckung hatte die Einbildungskraft eines unserer Leutnants derart erhitzt, dass er immer wieder in den Mastkorb kletterte und endlich am 14. morgens um sechs Uhr dem Kapitän ernsthaft meldete, er sehe Land. Diese Neuigkeit brachte uns alle an Deck. Wir sahen aber nichts als ein ungeheures Eisfeld vor uns, und eine große Menge Eisinseln ragte dahinter empor, die im Dunst des Horizonts wirklichen Bergen ähnlich sahen. Scharen von Pinguinen und Seevögeln fanden sich bei diesem weitverbreiteten Eise, und verschiedene Walfischarten bliesen rund um uns her.

Am Nachmittag kamen wir durch viel gebrochenes Eis und sahen ein zweites großes Eisfeld, jenseits dessen verschiedene unserer Leute noch immer Land zu sehen behaupteten. In der Nacht schneite es stark, und bei Anbruch des Tages wurde es sehr neblig, aber zugleich fast meeresstill. Herr Wales und mein Vater nutzten die Gelegenheit, in einem kleinen Boot die Wärme der See in verschiedener Tiefe zu messen. Als sie jedoch damit beschäftigt waren, wurde der Nebel so dick, dass sie beide Schiffe aus den Augen verloren. Wie ihnen dabei zumute sein mochte, lässt sich leicht erachten. In einem kleinen Boote, in dem sie weder Mast noch Segel hatten, sondern nur zwei Ruder, befanden sie sich auf dem unermesslichen Ozean, fern von irgendeiner bewohnten Küste, überall von Eis umgeben und ohne Lebensmittel. Unter ständigem Rufen ruderten sie eine Weile bald hier-, bald dorthin, aber umsonst. Alles war still um sie her, und sie konnten vor Nebel keine Bootslänge weit sehen. In dieser Ungewissheit hielten sie es für das Beste, still zu liegen, und sie hofften, dass die Schiffe nicht außer Sicht getrieben würden. Endlich hörten sie in großer Entfernung eine Glocke läuten. Das war ihren Ohren himmlische Musik. Sie ruderten darauf zu und erhielten endlich auf ihr ständiges Rufen von der „ADVENTURE“ aus Antwort. Nunmehr eilten sie an Bord, höchsterfreut, der Gefahr eines langsamen, fürchterlichen Todes glücklich entkommen zu sein. Nachdem sie eine Weile an Bord gewesen waren, ließen sie eine Kanone abfeuern, und als sie beim Antwortschuss fanden, dass die „RESOLUTION“ so nahe war, dass sich beide Schiffe anrufen konnten, kehrten sie in ihrem Boot nach ihren feuchten Betten und baufälligen Kajüten zurück, die ihnen nun noch einmal soviel wert waren wie zuvor.

Da wir nun gegen Süden hin lauter feste, große Eisfelder vor uns fanden, konnten wir auf diesem Striche nicht weiter vordringen, und nachdem wir mehrmals vergeblich versucht hatten, uns einen Weg durch das dichte Eis zu bahnen, änderten wir unseren Lauf und steuerten längs demselben, oft durch große Strecken gebrochenen Eises hindurch, das die Nordfahrer Packeis nennen, gegen Osten. Hagel- und Schneeschauer verdunkelten ständig die Luft und ließen uns den belebenden Anblick der Sonne immer nur auf kurze Zeit genießen.

Obgleich wir der großen Eisfelder wegen unseren Lauf nach Osten hatten richten müssen, verloren wir unseren Auftrag, den kalten Erdzirkel zu untersuchen, dennoch nie aus den Augen und steuerten deshalb, sobald die See offener wurde, gleich wieder nach Süden. Wegen des geringen Windes bei Anbruch des nächsten Tages nutzten wir die Gelegenheit, ein Boot auszusetzen, um in unseren Untersuchungen über die Strömung und Wärme der See fortzufahren. Wir versäumten auch nicht, die Sturmvögel, die uns umschwärmten, näher zu untersuchen, zu beschreiben und zu zeichnen, welches heute umso besser geschehen konnte, weil wir mehrere schossen, die in einer Art Neugier über dem Boot schwebten.

Am folgenden Morgen führte uns ein frischer Wind an verschiedenen Eisfeldern vorüber, und außer den Vögeln ließen sich auch einige Walfische sehen. Wir Passagiere feierten den heutigen ersten Christtag in Gesellschaft unserer Seeoffiziere dem Herkommen nach recht vergnügt, und die Matrosen ließen sich durch die gefährliche Nähe der Eisberge nicht im geringsten abhalten, diesen Festtag mit Lärmen und Trinken zu verbringen, wozu sie ihn besonders bestimmt zu haben scheinen.

Am folgenden Morgen segelten wir durch viel Packeis, wovon einiges ganz schmutzig und tauend aussah. Die untergehende Sonne verschaffte uns abends einen herrlichen Anblick, denn sie färbte die Spitzen einer im Westen liegenden Eisinsel mit funkelndem Golde und teilte der ganzen Masse einen blendenden Purpurglanz mit. Eine völlige Windstille, die am 27. folgte, gestattete uns, in einem Boot auf die Jagd zu gehen. Obgleich sie uns mit den Pinguinen nicht sonderlich glücken wollte, belustigten sie uns doch wenigstens durch die Geschwindigkeit ihrer Bewegungen. Sie tauchten, blieben eine ganze Weile unter Wasser, tauchten auf und von neuem wieder unter und schossen zuletzt in gerader Linie fort, so dass sie mit einem Mal außer Schussweite waren. Endlich kamen wir doch einem nahe genug, aber obschon wir ihn mehr als zehnmal mit Hagel trafen, mussten wir ihn doch mit einer Kugel totschießen. Es zeigte sich, dass das Schrot an den harten Federn abgeprallt war, denn dies Tier hat ein sehr dickes Gefieder aus langen, schmalen Federn, die schuppenartig dicht übereinanderliegen und den Pinguin gegen Kälte und Nässe schützen. Auch die Sturmvögel haben gleich den Pinguinen ein sehr dichtes und dickes Gefieder. Aus jeder Wurzel wachsen statt einer Feder ihrer zwei, nämlich eine gewöhnliche Feder und eine Daune oder Flaumfeder, davon eine in der anderen liegt und solchergestalt eine warme Decke bildet. Wir haben sie zwischen Neuseeland und Amerika über siebenhundert Seemeilen vom Lande entfernt angetroffen, eine Weite, die sie unmöglich hätten erreichen können, wenn ihnen nicht eine besondere Stärke der Muskeln und die Länge ihrer Flügel dazu behilflich gewesen wären.

Sobald wir sie anschossen, spien sie eine Menge schleimigen Fraß aus, der dem Anschein nach erst frisch verdaut war und den die übrigen gleichwohl mit einer Gier verschlangen, die langes Fasten und großen Hunger anzudeuten schien. Es muss daher wohl allerlei Blubber-Arten (Mollusken) in diesem Eismeer geben, die bei schönem Wetter heraufkommen und dem gefräßigen Vogel zum Futter dienen. Es war uns angenehm, Gegenstände zu finden, die zu solchen kleinen Betrachtungen Anlass gaben. Bei der Einförmigkeit, in welcher wir Stunden, Tage und Monate in diesem öden Teil der Welt zubringen mussten, dienten sie uns wenigstens dann und wann zu einer kleinen Abwechslung. Fast immer in dicke Nebel gehüllt, bei Regen, Hagel und Schnee, mitten im Sommer eine bis zum Gefrierpunkt kalte Luft, rund um uns her unzählbare Eisinseln, an denen zu scheitern wir stets Gefahr liefen, unsere tägliche Kost nichts als Eingesalzenes, wodurch unser ganzes Blut in Unordnung geriet – dies zusammengenommen waren Unannehmlichkeiten, die uns allen den sehnlichsten Wunsch abnötigten, dass wir endlich in eine mildere Himmelsgegend kommen möchten. Zum Glück waren unsere Matrosen noch immer guten Mutes und von Skorbut frei. Dies hatten sie ohne Zweifel den prophylaktischen Mitteln, vornehmlich der eingekochten Fleischbrühe und dem Sauerkraut zu danken, wovon jeder seine gemessene Portion bekam. Nur zwei bis drei von unseren Leuten, die eine ungesunde Anlage hatten, konnten dem Skorbut nicht entgehen, insbesondere wurde ein Zimmermann, namens Georg Jackson, schon am zehnten Tage unserer Reise davon befallen. Das Zahnfleisch ging bei ihm in Fäulnis über, und die Zähne saßen so locker, dass sie seitwärts lagen. Man machte mit einer Marmelade von Rüben und Karotten einen Versuch bei ihm, allein sie half zu weiter nichts, als dass sie den Leib offen hielt. Unser Wundarzt Patton machte darauf eine Kur mit der Malzinfusion, und diese brachte den Kranken nach wenigen Wochen wieder zurecht. Seine Zähne wurden wieder fest, und er bekam gleichsam ganz neues Zahnfleisch. Da aber seine kränkliche Anlage blieb, musste er mit dem Gebrauch der Bierwürze fortfahren.

Das neue Jahr (1773) fing mit Schnee und kalten Stürmen an, die uns bis zu dem Meridian zurücktrieben, unter dem das von Kapitän Bouvet angeblich entdeckte Kap Circoncision liegen sollte. Da sich hier abermals Seehunde und Pinguine zeigten, fassten einige von uns neue Hoffnung, hier Land zu erblicken. Nachdem wir aber eine gute Strecke gesegelt waren, fanden sie sich in ihren Erwartungen schmerzlich betrogen. Da der Wind sich nach Nordwest umsetzte, richteten wir unseren Lauf wieder nach Osten und kamen von neuem an die Stelle, wo wir am 31. Dezember viel Eis gefunden hatten, es war aber jetzt weggetrieben.

Am 9. des Morgens war eine große Eisscholle mit Bruchstücken ringsum zu sehen, und da wir gelindes Wetter hatten, wurde beigelegt und ein Boot ausgesetzt, um von dem losen Eis soviel wie möglich aufzufischen. Die Eisschollen wurden auf das Hinterdeck geworfen, in Stücke geschlagen und in Fässer gepackt. Dann ließen wir etwas davon in Kesseln schmelzen und das übrige Eis ganz warm übergießen. Auf diese Weise bekamen wir heute einen für dreißig Tage ausreichenden Vorrat an frischem Wasser. Zwei Tage später hatten wir wieder Gelegenheit, uns mit frischem Wasser zu versehen, und das Schiffsvolk tat die saure Arbeit mit frohem Mut, ob ihnen gleich die Hände wund dabei wurden.

Wir erblickten einige große Walfische, die dem Augenmaß nach sechzig Fuß lang sein mochten. Am 17. vormittags passierten wir den antarktischen Zirkel und traten nun in die eigentliche südliche Hemisphäre ein, die bis dahin noch allen Seefahrern verschlossen geblieben war. Um fünf Uhr nachmittags sahen wir mehr als dreißig große Eisinseln vor uns und am Horizont einen starken weißen Schein in der Luft, der noch mehr Eis prophezeite. Kurz nachher passierten wir viel kleines Brucheis, das sich so sehr anhäufte, dass die wellenförmige Bewegung des Meeres dadurch gehindert wurde und die See nun ganz eben zu sein schien, obschon der Wind noch ebenso frisch blies wie vorhin. Über dieses Brucheis hinaus erstreckte sich ein unabsehbares Feld von festem Eis. Da es deshalb unmöglich war, auf diesem Kurs weiter zu segeln, ließ Kapitän Cook jetzt, da wir 67 Grad 15 Minuten südlicher Breite erreicht hatten, beide Schiffe wenden und gegen Nordost zu Nord steuern. Auf dieser ganzen südlichen Fahrt hatten wir bisher nirgends Land, aber allerorten Walfische und Sturmvögel angetroffen.

Am 31. abends passierten wir eine große Eisinsel, die in dem Augenblick, als wir an ihr vorbeikamen, mit einem schrecklichen Krach in Stücke zerfiel. Am folgenden Tage trieb ein großer Haufen Seegras am Schiff vorüber, und nachmittags rief Kapitän Furneaux von der „ADVENTURE“ herüber, er sei an einem großen Haufen Seegras vorbeigekommen und habe eine Menge Taucher gesehen, die denen im englischen Meer ähnlich seien. In der Ungewissheit, ob dieser Anzeichen wegen Land in der Nähe sein könnte, legten wir die Nacht über bei und segelten erst bei Anbruch des Tages weiter. Mittags befanden wir uns auf 38 Grad 36 Minuten südlicher Breite. Da dies ungefähr die Polhöhe ist, auf der die französischen Entdeckungen liegen sollen, richteten wir am Nachmittag unseren Lauf gegen Südsüdwest, bekamen aber am folgenden Tage so heftigen Wind, dass wir die Bramsegel einnehmen mussten. Da nun nirgends Land zu finden war, gaben wir alle ferneren Nachforschungen auf und gingen von neuem auf Südostkurs. Obgleich wir nun das Land nicht fanden, so haben wir dennoch der Geographie einen Dienst erwiesen, indem daraus unleugbar erhellt, dass die französische Entdeckung nichts weiter als eine kleine Insel, keineswegs aber das nördliche Ende eines großen, festen Landes ist.

Am 8. bekamen wir des Morgens einen außerordentlich dicken Nebel, in welchem wir unsere Begleiterin, die „ADVENTURE“, aus dem Gesicht verloren. Dieses Vorfalls wegen ließ unser Kapitän am heutigen und auch an den folgenden Tagen erst alle halben Stunden und hernach alle Stunden eine Kanone abfeuern, allein es erfolgte keine Antwort, und auch die Leuchtfeuer, die wir in beiden Nächten unterhielten, halfen zu nichts. Da nun alle Versuche, unsere Begleiterin wiederzufinden, umsonst waren, sahen wir uns am 10. in die traurigen Notwendigkeit versetzt, nach Süden allein fortzufahren und uns in die Gefahren dieses kalten Himmelstriches von neuem, aber ohne die Hoffnung zu wagen, von unseren Gefährten Rettung und Hilfe zu erlangen, falls unser Schiff verloren gehen sollte.

Am 17. nahmen wir ungefähr unter dem 58. Breitengrad viele Eisschollen ein und füllten unsere Fässer. In der Nacht hatten wir ein schönes Phänomen bemerkt, das sich auch in den folgenden Nächten zeigte. Es bestand aus langen Säulen weißen Lichtes, die sich am östlichen Horizont fast bis zum Zenit erhoben und über den ganzen südlichen Himmel ausbreiteten. Zuweilen waren sie am oberen Ende seitlich gebogen und dem Nordlicht unseres Weltteils ähnlich, aber doch darin verschieden, dass sie nur eine weißliche Farbe hatten, unsere Nordlichter dagegen verschiedene, besonders die Feuer- und Purpurfarbe anzunehmen pflegen. Der Himmel war meist klar, wenn dies Phänomen sich zeigte, und die Luft so scharf und kalt, dass das Thermometer meist auf dem Gefrierpunkt stand.

Als wir am 24. ungefähr auf dem 62. Grad südlicher Breite waren und abermals auf ein festes Eisfeld trafen, beschloss der Kapitän endlich, für diesmal nicht weiter nach Süden zu gehen. Wir waren nun auch lange genug ohne Erfrischung auf See gewesen, das Wetter wurde täglich rauer und ließ uns schon im Voraus empfinden, wie schrecklich der Winter sein müsse. Auch wurden die Nächte bereits länger und unsere Schifffahrt dadurch immer gefährlicher. Es währte indessen noch bis zum 17. des folgenden Monats, ehe wir wirklich von diesen kalten Gegenden Abschied nahmen. Wir hatten viel Ostwind, der Nebel und Regen brachte und uns in Gefahr setzte, an den hohen Eisinseln zu scheitern. Unter anderen kamen wir an einer vorbei, die von außerordentlicher Größe war und in der Mitte ein grottenähnliches Loch hatte, das dergestalt durch und durch ging, dass man das Tageslicht an der anderen Seite sehen konnte.

Unserer guten Vorbeugungsmittel ungeachtet zeigten sich bei einigen unserer Leute starke Symptome von Skorbut. Es wurde ihnen also frische Bierwürze verordnet, wodurch sie ganz oder wenigstens zum Teil geheilt wurden. Das raue Klima wurde auch den Schafen sehr nachteilig, sie wurden krätzig, fielen auf Haut und Knochen zusammen und wollten fast nicht mehr fressen. Unsere Ziegen und Schweine warfen zwar, aber die Jungen kamen entweder tot zur Welt oder gingen bald vor Kälte ein. Kurz, es wurde Zeit, die höheren Breiten zu verlassen und nach einem Hafen zu eilen, wo wir unsere Leute erfrischen und die wenigen Schafe retten konnten.

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Entdeckungsreise in die Südsee und nach Tahiti – 1772-1775

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