Читать книгу Entdeckungsreise in die Südsee und nach Tahiti – 1772-1775 - Georg Forster - Страница 17
Wiedervereinigung mit der „ADVENTURE“
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Am folgenden Morgen früh um fünf Uhr erreichten wir die Mündung des Charlotten-Sunds, und um sieben Uhr sah man es von der Südspitze von Motu-Aro her, wo nach Kapitän Cooks voriger Reisebeschreibung ein Hippah oder festes Dorf liegt, dreimal aufblitzen. Es kam uns gleich so vor, als ob diese Signale wohl von unseren Freunden auf der „ADVENTURE“ kommen könnten. Der Kapitän ließ deshalb etliche Vierpfünder abfeuern, die auch zu unserem Vergnügen beantwortet wurden. Gegen Mittag konnten wir unseren Reisegefährten bereits vor Anker liegen sehen, und kurz darauf kamen uns verschiedene Offiziere mit einem Geschenk von Fischen entgegen, und sie erzählten uns, wie es ihnen seit unserer Trennung ergangen war. Nachmittags wurde es windstill, weshalb wir uns in die Bucht bugsieren lassen mussten und erst gegen 7 Uhr abends vor Anker gelangten.
Mittlerweile kam auch Kapitän Furneaux an Bord, und um seine Freude über unsere Wiedervereinigung zu zeigen, ließ er uns mit dreizehn Kanonenschüssen begrüßen, die unsere Leute mit Freuden erwiderten.
Die „ADVENTURE“ hatte, nachdem sie uns aus dem Gesicht verloren, ihren Lauf nach Norden genommen und ständig Stürme aus Westen gehabt. Am 28. Februar hielt Kapitän Furneaux es für ratsam, bis Van-Diemens-Land, der von Abel Jansen Tasman 1642 entdeckten Südspitze von Neu-Holland, hinaufzugehen. Am 9. März geriet er an die Südwestküste und lief um das Südende der Ostseite des Landes herum, wo er am 11. in einer Bai vor Anker ging, die seinem Schiff zu Ehren Adventure-Bai genannt wurde. Das Schiff lag nur fünf Tage in dieser Bai, und Kapitän Furneaux nahm dort frisches Wasser ein und sammelte auch einige merkwürdige Tiere, worunter eine neue Marderart und ein schöner weißer Habicht waren. Sie sahen keine Bewohner, glaubten aber tief im Lande Rauch wahrgenommen zu haben.
Am 15. abends segelten sie aus der Adventure-Bai wieder ab und steuerten nach Norden längs der Küste hin, die hier sandig und bergig war. Die „ADVENTURE“ brachte auf der Fahrt von Van-Diemens- Land nach Neuseeland wegen des widrigen Windes fünfzehn Tage zu und kam am 7. April im Charlotten-Sund glücklich vor Anker. Sie fanden die auf der südlichen Spitze von Motu-Aro gelegene Hippah oder Festung der Eingeborenen verlassen, und der Astronom schlug dort sein Observatorium auf. Die Eingeborenen, die aus einigen hundert Köpfen bestehen mögen und verschiedene Parteien ausmachen, die untereinander oft Krieg führen, hatten mit ihnen zu handeln angefangen. Auch aus dem Inneren des Landes waren Leute zu ihnen gekommen, und da sie freundlich aufgenommen wurden, hatten sie keine Bedenken, an Bord zu gehen, sondern hatten im Gegenteil bei den Matrosen ganz unbesorgt und mit großem Appetit geschmaust, vornehmlich aber am Schiffszwieback und an der Erbsensuppe großen Geschmack gefunden. Kleidungsstücke, Werkzeug und Waffen, die sie in großer Menge mitbrachten, hatten sie gern und eifrig gegen Nägel, Beile und Zeug eingetauscht.
Wir kamen in Charlotten-Sund an, als die Leute der „ADVENTURE“ schon alle Hoffnung, uns jemals wiederzufinden, aufgegeben und sich bereits darauf eingerichtet hatten, den Winter in diesem Hafen zu verbringen. Kapitän Cook hingegen war keineswegs gewillt, hier so viele Monate untätig liegen zu bleiben. Er wusste, dass auf den Gesellschaftsinseln, die er auf der vorigen Reise besucht hatte, gute Erfrischungen zu haben wären. Er befahl also, beide Schiffe in segelfertigen Zustand zu setzen, und da es dem unsrigen an nichts fehlte, half unsere Mannschaft den Leuten von der „ADVENTURE“, das Werk zu fördern. Wir unsererseits fingen gleich an, das Land zu untersuchen und fanden an Bäumen und Kräutern ungefähr das, was wir in der Dusky-Bai angetroffen hatten, doch gab es hier antiskorbutische Pflanzen, die uns in Dusky-Bai gefehlt hatten. Wir brachten bald einen großen Vorrat von Wilder Sellerie und Löffelkraut zusammen, und beides wurde hernach in einer Suppe von Habermehl oder reichlich in der Erbsensuppe gegeben. Die Leute von der „ADVENTURE“, die bisher nicht gewusst hatten, dass diese Kräuter zu genießen wären, wussten sich diese bald wie wir zunutze zu machen.
Am folgenden Tage gingen wir nach der Hippah, wo der Astronom Baley seine Sternwarte aufgeschlagen hatte. Sie liegt auf einem steilen Felsen und ist nur vermittels eines Fußsteiges zugänglich. Der Gipfel war ehedem mit Palisaden umgeben, die Matrosen hatten sie aber als Brennholz verbraucht. Innerhalb dieser Schutzwehr standen die Wohnungen der Bewohner. Die Leute erzählten uns, dass die Hütten voll von Ungeziefer, besonders von Flöhen, gewesen seien. Zu dem Ungeziefer gehörten auch Ratten, die unsere Leute in so großer Zahl vorfanden, dass sie große Töpfe in den Boden gruben, in welchen die Tiere sich häufig fingen.
Am 23. morgens kamen fünf Indianer in zwei kleinen Kanus zu uns, die die ersten waren, die sich hier sehen ließen. Wir kauften ihnen Fische ab und machten ihnen kleine Geschenke. So wenig sie Bedenken trugen, aufs Schiff zu kommen, ebenso wenige Umstände machten sie, uns in die Kajüte zu folgen. Sie aßen mit von unsren Speisen, im Trinken wollten sie uns aber nicht Gesellschaft leisten, sondern sie tranken nichts als Wasser. Glasflaschen mussten ihnen besonders schätzbar sein, aus Korallen, Bändern, weißem Papier und ähnlichen Kleinigkeiten machten sie sich nichts, aber Nägel, Beile und Eisen waren ihnen sehr genehm. Einige von unseren Leuten hatten sich ihrer Kanus bedient, um an Land zu fahren, allein die Indianer kamen gleich in die Kajüte, um sich beim Kapitän zu beschweren, und da ihnen gleich Gerechtigkeit widerfuhr und die Kanus zurückgegeben wurden, kehrten sie vergnügt ans Land zurück.
Am folgenden Morgen kamen sie schon bei Tagesanbruch wieder zu uns. Sie schienen des Handels wegen gekommen zu sein, wobei wir sie auch nicht stören wollten, sondern mit den beiden Kapitänen nach einem breiten Meeresarm ruderten, der auf der vorigen Reise West-Bai genannt worden war. Unterwegs begegneten wir einem Doppelkanu, das mit dreizehn Mann besetzt zu uns herankam.
Diese Leute schienen sich des Kapitäns Cook zu erinnern, denn sie fragten ihn nach Tupaya, dem Eingeborenen von Tahiti, den er auf seiner vorigen Reise bei sich gehabt hatte. Als sie hörten, dass er tot sei, schienen sie ganz betrübt darüber und sagten einige Worte in klagendem Ton. Wir machten ihnen Zeichen, dass sie an Bord des Schiffes gehen sollten, aber als sie sahen, dass wir nach einer anderen Gegend ruderten, kehrten sie in ihre Bucht zurück. Während unserer Abwesenheit war ein großes Boot mit zwölf Eingeborenen gekommen, die eine Menge Kleidungsstücke, Streitäxte, Keulen, Speere, ja sogar ihre Ruder verhandelt hatten. Das große Boot, das am Morgen ausgefahren war, um Gemüse und Gras zu holen, war bei unserer Rückkehr noch nicht wieder eingetroffen, und da es auch am folgenden Tage ausblieb, wurden wir sehr unruhig. Am 26. nachmittags kam das vermisste Boot endlich wieder, die Leute aber waren von Arbeit und Hunger völlig erschöpft. Der ganze Vorrat, den sie mitgenommen hatten, bestand aus drei Zwiebäcken und einer Flasche Branntwein, und des stürmischen Wetters wegen war auch nicht ein einziger Fisch gefangen worden. Sie hatten Zuflucht in einer Bucht genommen, wo sie in einigen verlassenen Hütten ein Obdach fanden. Ihr ganzer Unterhalt bestand nur aus einigen Muscheln, die hier und da an den Felsen klebten.
Am folgenden Morgen hatten wir verschiedene Kanus um uns her, in denen zusammen etwa dreißig Eingeborene sein mochten. Es befanden sich auch einige Weiber unter ihnen, die sich die Backen mit Rotstein und Öl geschminkt hatten, die Lippen dagegen sahen vom Punktieren oder Tätowieren, welches hierzulande sehr in Mode ist, schwärzlich blau aus. Sie waren von ziemlich heller Farbe, die zwischen oliven- bis mahagonifarbig liegt, dazu hatten sie pechschwarzes Haar, runde Gesichter und dicke, platte Nasen. Auch hatten sie schwarze Augen, lebhaft und nicht ohne Ausdruck.
Unsere Matrosen hatten seit der Abreise vom Kap keinen Umgang mit Frauen gehabt, sie waren also recht eifrig hinter ihnen her, und aus der Art, wie ihre Anträge aufgenommen wurden, sah man wohl, dass es hierzulande mit der Keuschheit nicht so genau genommen wurde und dass die Eroberungen nicht gerade schwer sein mussten. Doch hingen die Gunstbezeigungen dieser Schönen nicht nur von ihrer Neigung ab, sondern die Männer mussten als unumschränkte Herren zuerst darum befragt werden. War deren Einwilligung durch einen großen Nagel, ein Hemd oder dergleichen erkauft, so hatten die Frauen Freiheit und konnten alsdann zusehen, noch ein Geschenk für sich selbst zu erbitten. Ich muss indessen gestehen, dass einige von ihnen sich nicht anders als mit dem äußersten Widerwillen zu dem schändlichen Gewerbe gebrauchen ließen, und die Männer mussten oft ihre ganze Autorität aufbieten, ehe sie zu bewegen waren, sich den Begierden von Kerlen preiszugeben, die ohne Empfindung ihre Tränen sehen und ihr Wehklagen hören konnten. Ob unsere Leute, die zu einem gesitteten Volk gehören wollten und doch so viehisch sein konnten, oder jene Barbaren, die ihre eigenen Weibsleute zu solcher Schande zwangen, den größeren Abscheu verdienten, ist eine Frage, die ich nicht beantworten mag. Da die Neuseeländer fanden, dass sie nicht wohlfeiler und leichter zu eisernen Gerät kommen konnten als vermittels dieses niederträchtigen Gewerbes, so liefen sie bald im ganzen Schiff herum und boten ihre Schwestern und Töchter feil. Den verheirateten Weibern aber verstatten sie nie die Erlaubnis, sich mit unseren Matrosen abzugeben. Da sie sich solchergestalt aus der Enthaltsamkeit unverheirateter Frauen nichts machen, wird man vielleicht denken, dass die Bekanntschaft mit ausschweifenden Europäern die Moral dieses Volkes nicht verschlimmert haben könne, allein wir haben Grund zu vermuten, dass die Neuseeländer zu einem solchen schändlichen Mädchenhandel nur veranlasst worden waren, als durch das Eisengerät neue Bedürfnisse unter ihnen geweckt wurden.
Es ist Unglücks genug, dass alle unsere Entdeckungen so vielen unschuldigen Menschen das Leben gekostet haben. So hart dies für die kleinen, ungesitteten Völkerschaften der Fall sein mag, die von Europäern aufgesucht worden sind, so ist es wahrscheinlich doch nur eine Kleinigkeit im Vergleich mit dem unersetzlichen Schaden, den ihnen diese durch den Umsturz ihrer sittlichen Grundsätze zugefügt haben. Wäre dieses Übel gewissermaßen dadurch wiedergutgemacht, dass man sie wirklich nützliche Dinge gelehrt oder irgendeine unmoralische oder verderbliche Gewohnheit unter ihnen ausgerottet hätte, so könnten wir uns wenigstens mit dem Gedanken trösten, dass sie auf einer Seite wiedergewonnen hätten, was sie auf der anderen verloren haben mochten. So aber fürchte ich, dass unsere Bekanntschaft den Bewohnern der Südsee durchaus nachteilig gewesen ist, und ich bin der Meinung, dass gerade jene Völkerschaften am besten weggekommen sind, die sich immer von uns ferngehalten und unseren Seeleuten nie erlaubt haben, allzu vertraut mit ihnen zu werden. Hätten sie doch in den Mienen und Gesichtszügen der Seeleute den Leichtsinn lesen und sich vor der Liederlichkeit fürchten mögen, die ihnen mit Recht zur Last gelegt wird.
Nachdem sie ein paar Stunden an Bord gewesen waren, fingen die Neuseeländer an zu stehlen und alles auf die Seite zu bringen, was ihnen in die Hände fiel. Man ertappte einige, die gerade eine vierstündige Sanduhr, eine Lampe, etliche Schnupftücher und Messer fortschleppen wollten. Dieses Diebsstreichs wegen ließ sie der Kapitän zum Schiffe hinauswerfen und ihnen andeuten, dass sie nie wieder an Bord kommen sollten. Ihr hitziges Temperament, das keine Kränkung ertragen kann, geriet darüber in Feuer und Flammen, so dass einer sich nicht enthalten konnte, von seinem Kanu aus zu drohen, als wolle er zu Gewalttätigkeiten schreiten. Dazu kam es jedoch nicht, sondern am Abend gingen alle ruhig an Land und richteten dort aus Baumzweigen einige Hütten auf, um die Nacht darunter zu verbringen.
Am folgenden Nachmittag gab der Kapitän einigen Matrosen Erlaubnis, an Land zu gehen, wo sie von den Wilden allerhand Kuriositäten einhandelten und sich zu gleicher Zeit um die Gunst manches Mädchens bewarben, ohne sich an die ekelhafte Unreinlichkeit derselben zu kehren. Sie stanken dermaßen, dass man sie schon von weitem riechen konnte, und saßen so voll Ungeziefer, dass sie es oft von den Kleidern absuchten und zwischen den Zähnen knackten. Es ist erstaunlich, dass es Leute gab, die mit solchen ekelhaften Kreaturen sich abzugeben imstande waren, und dass weder ihr eigenes Gefühl noch die Reinlichkeit, die dem Engländer doch von Jugend auf beigebracht wird, in ihnen Abscheu erregte.
Ehe sie an Bord zurückkamen, hatte eine von diesen Schönen einem Matrosen die Jacke gestohlen und einem jungen Landsmann gegeben. Als der Eigentümer sie ihm wieder abnahm, versetzte dieser ihm ein paar Faustschläge, die der Engländer aber für Spaß aufnahm. Als er nun ins Boot steigen wollte, warf der Wilde mit großen Steinen nach ihm. Nun fing der Matrose Feuer und begann auf gut Englisch, ihn zusammen zu boxen. Im Augenblick hatte der Neuseeländer ein blaues Auge und eine blutige Nase weg und dem Anschein nach genug, denn er gab das Treffen auf und lief davon.
Am 1. Juni kamen verschiedene Kanus mit Wilden zu uns, die wir noch nicht gesehen hatten. Ihre Fahrzeuge waren von verschiedener Größe und drei davon mit Segeln versehen. Das Segel bestand aus einer großen dreieckigen Matte und war an einem Mast und einer Stange befestigt, die unten in einem spitzen Winkel zusammenstießen. Der Boden des Kanus bestand aus einem ausgehöhlten Baumstamm, die Seiten aber aus Brettern oder Planken. Von diesen hatten sie eine auf die andere gesetzt, vermittels kleiner Löcher durch Schnüre von Flachs fest zusammengebunden und hernach die Fugen mit Wolle von Rohrkolben dicht verstopft. Es gab einige Doppelkanus darunter, die mit Querhölzern und Stricken aneinander befestigt waren, die übrigen hatten einen Ausleger, ein schmales Brett, das an Querhölzern befestigt war. Die Kanus waren alt und schienen beinahe ausgedient zu haben, keins war auch so reich mit Schnitzwerk geziert wie jene, die Kapitän Cook auf seiner ersten Reise am nördlichen Ende dieser Insel angetroffen hat, doch waren sie im ganzen ebenso gebaut und hatten ein unförmig geschnitztes Menschengesicht am Vorderteil, hohe Hinterteile und spitze Ruderschaufeln.
Die Neuseeländer brachten uns verschiedene Zierraten zum Verkauf, die meist aus grünem Lapis nephriticus geschnitten waren. Einige waren flach und hatten eine scharfe Schneide als Beil- oder Axtklingen. Andere waren lang und dünn und dienten als Ohrgehänge, wieder andere waren zu kleinen Meißeln mit hölzernen Griffen und auch zu hockenden Figuren geschnitzt, mit großen Augen von Perlmutter, die sowohl Männer als Weiber an einer Halsschnur trugen. Mancher von ihnen trug auch Schnüre mit aufgereihten Menschenzähnen.
Sie hatten eine Menge Hunde in ihren Kanus und schienen viel auf diese Tiere zu halten, denn jeder hatte den seinigen mit einer Schnur mitten um den Leib angebunden. Sie werden mit nichts als Fischen gefüttert und leben in dieser Hinsicht so gut wie ihre Herren, dagegen muss ihr Fleisch diesen hinwieder zur Speise, die Felle müssen aber zu mancherlei Zierrat und zu Kleidungsstücken dienen. Wir kauften ihnen etliche ab, allein die alten Hunde wollten bei uns nicht gedeihen, sie grämten sich und wollten nicht fressen, die jungen hingegen gewöhnten sich bald an unsere Speisen.
Einige Neuseeländer wurden in die Kajüte geführt, wo man ihnen einige Geschenke machte, doch zeigte nicht ein einziger das Staunen, das wir an unseren Freunden in Dusky-Bai wahrgenommen hatten. Von allen unseren Waren tauschten sie am liebsten Hemden und Flaschen ein, letztere wahrscheinlich, weil sie keine Gefäße haben außer Kalebassen, die auf der nördlichen Insel wachsen, aber hier nur im Besitz weniger Leute waren. Da einige dieser Leute guter Laune waren, gaben sie uns auf dem Achterdeck einen Heiva oder Tanz zum Besten. Dazu legten sie ihre zottigen Oberkleider ab und stellten sich in eine Reihe. Dann stimmte einer ein Lied an, streckte dabei die Arme aus und stampfte gewaltig, ja fast wie rasend mit den Füßen dazu. Die anderen machten seine Bewegungen nach und wiederholten die letzten Worte seines Gesanges. Gegen Abend gingen sie alle nach dem oberen Ende des Sundes zurück.
Am folgenden Morgen begleiteten wir die Kapitäne nach der Ost-Bai, wo wir bereits allerlei europäisches Gemüse angepflanzt hatten. Nun wollten wir die Wildnis auch mit Tieren bereichern, die den Eingeborenen und auch künftigen Seefahrern zum Nutzen gereichen könnten. In dieser Absicht hatte Kapitän Furneaux bereits einen Eber und zwei Säue in Freiheit gesetzt, damit sie sich auf dem Lande vermehren sollten. Und auch wir ließen es uns einen Bock und eine Ziege kosten, die jetzt in Ost-Bai an Land gesetzt wurden.
Am 4. Juni ließen wir die St.-Georgs-Flagge, Fahnen und Wimpel wehen, um den Geburtstag Seiner Majestät des Königs mit den zur See gewohnten Feierlichkeiten zu begehen. Die indianische Familie, die ihren Wohnplatz in der Bucht unweit des Schiffes aufgeschlagen hatte, kam heute sehr zeitig an Bord. Als wir uns im Steuerraum zum Frühstück niedergesetzt hatten, meldete ein Offizier dem Kapitän, dass sich ein großes doppeltes und stark bemanntes Kanu nähere. Wir gingen also an Deck und fanden, dass es mit achtundzwanzig Mann besetzt war. Sie ruderten an der „ADVENTURE“ vorüber und auf unser Schiff zu. Die Indianer bei uns an Bord behaupteten, dass die Ankommenden feindliche Absichten gegen uns hätten und wir deshalb auf sie feuern sollten. Towahanga, das Oberhaupt dieser Familie, sprang sogar auf den Gewehrkasten, ergriff einen Prügel und fing an, in einem feierlichen Tone zu ihnen herabzureden, dabei schwenkte er herausfordernd ein großes Beil aus grünem Stein um den Kopf. Mittlerweile kam das Boot heran, und wir baten ihn, es gut sein zu lassen und zu schweigen. Zwei Leute standen aufrecht im Kanu, der eine auf dem Vorderteil, der andere in der Mitte. Ersterer hielt eine Flachspflanze in der Hand, der andere begann mit einer lauten, feierlichen Rede. Nach den Bewegungen, mit denen er seine Rede begleitete, und nach dem Ton schien er wechselweise zu fragen, zu prahlen, zu drohen und uns dann wieder gütlich zuzureden. Sobald er mit seiner Rede fertig war, nötigte ihn der Kapitän, an Bord zu kommen. Anfänglich schien er unschlüssig, doch dann gewann seine natürliche Dreistigkeit die Oberhand, und er kam zum Schiff herauf. Alle seine Leute machten es bald ebenso, und jeder grüßte die bei uns befindliche Familie durch Aneinanderreiben der Nasen, oder, wie unsere Matrosen es ausdrückten, sie naseten sich untereinander. Diese Ehre ließen sie uns nun auch widerfahren, und wir nötigten die beiden Sprecher in die Kajüte. Sie fragten sogleich nach Tupaya, und als man ihnen sagte, dass er nicht mehr am Leben sei, waren sie ganz betrübt darüber. So sehr hatte dieser Mann sich durch seine natürlichen Gaben und seine Leutseligkeit die Liebe und Achtung dieses unwissenden Volkes erworben. Vermutlich würde es ihm auch viel eher als uns gelungen sein, dieser Nation mehr Kultur zu geben, weil er nebst einer gründlichen Kenntnis der Landessprache mehr Analogie mit ihren Begriffen besaß als wir Europäer.
Teiratu und seine Begleiter waren eine größere Art von Leuten, als wir bisher in Neuseeland gesehen hatten. Auch waren Kleidung, Schmuck und Warfen reicher und schienen eine Art des Wohlstandes anzuzeigen, desgleichen wir hierzulande noch nirgends bemerkt hatten. Ihre Mäntel waren mit Hundefell gefüttert, und in der Tat hatte ein solcher Pelz nicht nur ein stattliches Aussehen, sondern er mochte ihnen auch bei dem kalten Wetter gute Dienste leisten. Unter ihren übrigen aus den Fasern des Neuseeländischen Flachses verfertigten Kleidern gab es viele mit bunten, eingewirkten Rändern. Diese Ränder waren rot, schwarz und weiß und nach einem Muster gearbeitet. Die schwarze Farbe ist so echt und dauerhaft, dass sie die Aufmerksamkeit der englischen Manufakturisten verdient, denen bis jetzt noch eine dauerhafte Farbe aus dem Pflanzenreich fehlt. Ihr Mantel besteht aus einem viereckigen Stück Zeug, dessen obere Enden sie auf der Brust zusammenbinden oder mit einer Nadel aus Knochen, Fischbein oder grünem Stein festhalten. Ein Gürtel aus Gras wurde mitten um den Leib gebunden, so dass der Mantel auf den Hüften fest anlag. Obschon sie aber dem Äußern nach den Bewohnern von Charlotten-Sund viel voraus hatten, waren sie ihnen doch an Unreinlichkeit völlig ähnlich, dergestalt, dass das Ungeziefer auf ihren Kleidern haufenweise umherkroch.
Alle Gerätschaften, die sie bei sich hatten, waren ungemein zierlich geschnitzt. Sie verkauften uns ein Beil, dessen Klinge aus dem feinsten grünen Talkstein bestand und einen mit durchbrochener Arbeit überaus künstlich verzierten Stiel hatte. Wir fanden auch einige Musikinstrumente bei ihnen, nämlich eine Trompete oder vielmehr ein hölzernes Rohr, das vier Fuß lang und ziemlich dünn war. Sie bliesen damit nur einen Ton, der wie das raue Blöken eines Tieres klang. Eine andere Trompete war aus einem großen Tritonshorn (Gehäuse der Tritonschnecke) gemacht. Ein schrecklich blökender Ton war alles, was sich herausbringen ließ. Ein drittes Instrument, das unsere Leute eine Flöte nannten, bestand aus einem Rohr, das in der Mitte am weitesten war und hier und an beiden Enden eine Öffnung hatte.
Das Doppelkanu schien noch neu und etwa 50 Fuß lang zu sein. Das vordere Ende und das Hinterteil waren durchbrochen und mit schneckenförmigen Zügen verziert. Ein ungestaltes Ding von Menschenkopf mit ein Paar Augen von Perlmutt und einer lang heraushängenden Zunge machte das äußere Ende des Vorderteils aus. Vermutlich hat die hierzulande übliche Gewohnheit, den Feind durch Ausstrecken der Zunge zu beschimpfen und herauszufordern, zur Abbildung solcher Fratzengesichter geführt.
Sie verweilten nicht lange an Bord. Da es windig wurde, gingen sie wieder in ihre Boote und ruderten nach Motu-Aro hinüber. Gegen Mittag ließ sich auch der Kapitän mit einigen Offizieren nach dieser Insel übersetzen und fand dort sieben Kanus auf den Strand gezogen, in welchen etwa neunzig Insulaner hier angekommen waren. Man sah sie damit beschäftigt, Hütten zu bauen, und sie nahmen unsere Leute mit allen Zeichen der Freundschaft auf. Der Kapitän erwiderte dies durch Austeilung von Geschenken, wie auch von vergoldeten Kupfermedaillen, die zum Andenken an diese Reise geschlagen worden waren.
Der Kapitän und seine Gesellschaft bemerkten, dass Teiratu der Befehlshaber aller dieser Leute sein müsse, denn sie bezeigten ihm viel Ehrfurcht. Kapitän Cook befürchtete, dass die Insulaner unseren auf dieser Insel angelegten Garten finden und aus Unwissenheit verwüsten könnten. Er führte deshalb den Befehlshaber Teiratu dorthin und zeigte ihm die verschiedenen Pflanzen, besonders aber die Kartoffeln. Diese schien der Wilde sehr hoch zu schätzen, und er kannte sie ohne Zweifel schon, weil ein ähnliches Gewächs, nämlich die Virginische Süßkartoffel, in einigen Gegenden der nördlichen Insel angebaut wird. Er versprach dem Kapitän, dass er den Garten nicht vernichten, sondern alles wachsen und sich vermehren lassen wolle, und mit dieser Abrede schieden sie voneinander.
Nachmittags wurde der Wind sehr frisch und hielt die folgenden Tage mit gleicher Heftigkeit an, so dass wir bis zum 7. liegenbleiben mussten. Dann aber hoben wir am Morgen den Anker und segelten nebst der „ADVENTURE“ aus Ship-Cove ab. Unser Aufenthalt in Charlotten-Sund war unseren Leuten so gut bekommen, dass sie jetzt wieder gesund waren wie bei der Abreise von England. In unserem Schiff hatten wir nur einen einzigen Kranken, einen Seesoldaten, der seit der Abreise von England immer schwindsüchtig und wassersüchtig gewesen war.
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