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7. Übung

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Wir wählen einen einfachen, uns geläufigen Gegenstand (Knopf, Nadel, Löffel, Bleistift, Ring oder Ähnliches), schauen ihn, wenn nötig, sorgfältig an, dann legen wir ihn weg oder schließen die Augen und versuchen uns den Gegenstand vorzustellen, wie eine Erinnerung. Das wird uns umso besser gelingen, je mehr wir das Bild «kommen lassen», wie wir es beim Erinnern tun. Als ob wir innerlich fragten: Wie sieht der Gegenstand aus? Erst lassen wir das Bild kurz auftauchen; beim zweiten oder dritten Mal versuchen wir es zu halten. Wir basteln oder arbeiten ja nicht am Bild des vergangenen Nachmittags, wenn wir es in Erinnerung «rufen». Wir begleiten das Bild des Gegenstandes mit Gedanken, beschreiben seine Gestalt, seine Eigenschaften, die Stofflichkeit und so weiter; dann versuchen wir, ihn uns in Funktion vorzustellen (den Löffel löffelnd) und zuletzt, wenn die vorangehenden «Stufen» – sie gehen kontinuierlich ineinander über – gut, ohne Ablenkungen ausgeübt werden, versuchen wir, uns auf die Idee des Gegenstandes, auf das, was der Erfinder vor seinem inneren Auge hat, zu konzentrieren: auf die Funktion, noch ohne den materialisierten Gegenstand.7 Die Dauer dieser Übung sollte, wenn die anfänglichen Schwierigkeiten überwunden sind, etwa drei bis fünf Minuten sein.

Folgende Erfahrungen können, auch allein mit dem Vorstellungsbild, gemacht werden. Die erste Erfahrung ist, dass es nicht ausreicht, das Bild einmal erscheinen zu lassen, wenn wir es länger halten wollen, denn es verschwindet leicht sofort und andere assoziierte Inhalte nehmen das Bewusstsein in Anspruch. Wenn wir das Bild halten wollen, muss es ständig produziert werden, das heißt, es muss durch einen Aufmerksamkeitsstrom andauernd «genährt» werden. Das «Kommen-Lassen» bedeutet in diesem Fall ein andauerndes Entstehen-Lassen durch einen sanften, leichten, spielenden, nicht krampfhaften oder kämpfenden, «hart wollenden» Aufmerksamkeitsstrom. Dieser fließt in das Bild hinein, das dadurch entsteht und bleibt. Zunächst begnügen wir uns mit dem Bild, das wir einige Minuten lang zu halten imstande sind. Wir schauen nach jeder Übung auf deren Ablauf zurück.

Es kann uns dabei auffallen, dass im Bewusstsein nur das Bild erscheint – von Ablenkungen abgesehen –, nicht aber der Aufmerksamkeitsstrom.

Besprechung der 7. Übung

Wir können den Vorgang des Konzentrierens auf ein Vorstellungsbild schematisch darstellen:


Wir lenken die Aufmerksamkeit durchaus bewusst auf das Bild, die Bewegung aber, das Strömen in das Bild hinein bleibt außerhalb der Erfahrung: Wir erleben nicht, wie das Bild zustande kommt, nur die Schwierigkeit, es zu halten.

Wächst jedoch die Intensität des Aufmerksamkeitsstromes, so beginnen Veränderungen sowohl am Bild als auch im Tun, im Hervorbringen und Halten des Bildes. Das Bild wird lebendiger, kraftvoller, das Tun wird mehr und mehr als wirklich gefühlt, man hat den Eindruck, etwas zu tun – am Anfang des Übens tritt das nicht auf.

Wenn wir diese Veränderungen im Üben festigen können, das heißt wenn sie regelmäßig bei jeder Übung bemerkbar sind, dann können wir einen weiteren Schritt tun. Wir schauen den Gegenstand nochmals an, diesmal mit einem globalen Blick, so wie wir ein menschliches Antlitz anschauen, ohne auf Einzelheiten (Form der Nase, des Kinnes usw.) einzugehen: Meistens können wir ja nicht über die einzelnen Züge Rechenschaft geben. Das hindert uns nicht, das Gesicht wiederzuerkennen, es uns auch vorstellen zu können, weil wir eben einen globalen, mehr fühlenden Eindruck von ihm haben. Wir schauen den Gegenstand mit einem solchen Blick an. Das führt meistens zu einem noch lebendigeren Bild, und wir können merken, dass die Aufmerksamkeitsbewegung eine leise Gefühlsfarbe bekommt.

Der sanfte Wille

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