Читать книгу Der sanfte Wille - Georg Kühlewind - Страница 5
Erster Auftakt
ОглавлениеWir leben in einer Welt der Bedeutungen, während wir doch überzeugt sind, in einer Welt der Dinge zu leben. Aber jedes Ding hat Bedeutung – man sage mir ein Ding, das ohne Bedeutung wäre. Sobald wir es nennen können, ist es schon nicht mehr ohne Bedeutung. Zunächst erfassen wir die Bedeutung durch das Denken, wir versuchen es. Auch schaffen wir manchmal neue Bedeutungen.
Wir wissen aber nicht, wie wir denken.
Nur das schon Gedachte wird uns bewusst.
Für das Kleinkind, für archaische Menschen, für einzelne engelartige Menschen,2 wie den heiligen Thomas von Aquin, besteht die Wirklichkeit aus und in den Bedeutungen. Diese gehen in der menschlichen und nach der Tradition in der göttlichen Praxis den einzelnen Dingen voraus: Erst ist die Idee des Dinges da, dann das Ding, erst die Bedeutung, dann das Zeichen. Das gilt auch für die Gedanken, sofern sie im Zeichen erscheinen.
Die Bedeutungen sind stofflos. Die Zeichen bestehen aus konfigurierter Stofflichkeit, wie Luftwellen, Tinte, körperliche Gebärden. Daher geht Verstehen auch stofflos vor sich, stofflose Bedeutung kann nicht durch stoffliche Vorgänge «verstanden» werden. Auch der Verstehende in uns ist stofflos.
Stoffliche Zeichen werden zu stofflosen Bedeutungen gelesen. Denken, Gedanken, Denkender sind unstofflich.
Das erste Ziel wäre, das Denken zu erfahren. Denn das denkende Wesen selbst, durch das die Bedeutungen geschaffen, verstanden werden, bleibt zunächst verborgen.
Es ist an der Zeit, das Licht, das alles sichtbar macht, das Bedeutungslicht, das Licht des Wortes in Erfahrung zu bringen.