Читать книгу Geboren im Jahr 1933 - Georg M Peters - Страница 8
Meine Einstellung zum Führerregime
ОглавлениеMeine Kinder heute stellen wenig Fragen nach den Ereignissen jener Zeit. Ich vermute, das liegt an der Art wie sie darüber unterrichtet werden. Sie denken vermutlich, wenn ich über diese Zeit redete, müsste ich über schreckliches Leid, über Tote und Sterbende reden, darüber, wie wir die Juden aus der Stadt getrieben hätten – und über die Verbrechen, die ich selbst begangen habe. Ich will das hier tun und über meine Verbrechen berichten. Ich gestehe, dass es mir als Zehnjährigem an jedem globalen Weitblick und an Solidaritätsbewusstsein mit den unterdrückten Völkern gemangelt hat. Auch an jeder Kritik und jedem Widerstandswillen gegen das diktatorische Regime, unter dem ich aufwuchs.
Mein Widerstand beschränkte sich darauf, dass ich es nach Möglichkeit vermied, zum Dienst im Jungvolk zu gehen. Dieser Dienst begann damit, dass die Mutter mit mir zu einem Ausstattungsgeschäft in der Holstenstraße ging. Vier Eisenstufen ging es hoch zu dem kleinen Laden. Dort wurde für mich ein Braunhemd, ein Halstuch mit Lederknoten und ein Koppel mit Koppelschloss gekauft. Aber leider keine Cordhose, denn die wollte meine Mutter selbst nähen. Und der Koppel, den meine Mutter aussuchte, bestand nicht aus Leder, sondern aus einem brüchigen Kunststoff. Die fehlende Cordhose und der Ersatz durch eine selbstgenähte Hose aus dickem schwarzem Stoff hat mir beim Dienst stets ein Minderwertigkeitsgefühl eingeflößt. 1943, noch vor dem beschriebenen Luftangriff, musste ich an einer Versammlung unter Leitung des Hauptjungzugführers teilnehmen. Dreißig Jungen hörten eine Stunde lang seinen Ausführungen zu und versuchten, Fragen zu beantworten. Ich musste die Frage nach dem Geburtsdatum des Führers beantworten, was ich auch konnte. Schließlich hielt ich viel von unserem Führer. Ich war kein Verehrer von ihm, und ich dachte auch nicht viel über ihn nach. Aber dass er der größte aller Staatslenker war, das war ja unzweifelhaft. Dieses Wissen gehörte zu den selbstverständlichen Randbedingungen meines Daseins. Schließlich hatten wir ja auch die beste Wehrmacht, die beste Luftwaffe und die beste Kriegsmarine, vor allem die besten U-Boote der Welt. Aber dennoch war diese Jungvolk-Versammlung ein abschreckendes Beispiel für mich. Auch im Anbetracht aller Zusammenkünfte mit Gleichaltrigen später in der Schule oder in Jugendherbergen war diese Jungvolkversammlung bei weitem die langweiligste. Nach der Ausbombung habe ich mich stets erfolgreich um einen weiteren Dienst im Jungvolk herum gedrückt.
Ein Problem, das mich wirklich beschäftigte, war die Funktion des Viertaktmotors. Mein Großvater, der zur See gefahren war und eine Zeit lang die Fachhochschule in Wilhelmshaven besucht hatte, schenkte mir einen Taschenkalender. Darin war die Funktionsweise des Viertaktmotors an Hand von Schaubildern erklärt, und ich hatte das Prinzip begriffen. Das habe ich als einen großen Erfolg erlebt. Von meinem Großvater - es war, wie gesagt, der Großvater mütterlicherseits, die Großeltern väterlicherseits waren schon gestorben – hatte ich auch ein großformatiges Buch mit Darstellungen von Maschinenteilen bekommen. Nun wollte ich so, wie ich das Viertaktprinzip begriffen hatte, auch das Prinzip des Vergasers an Hand eines Schaubildes verstehen. Das ist mir nicht gelungen.