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4. Kapitel

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Bei der Heimfahrt von Anklam auf die Insel fiel es Thun wie Schuppen von den Augen. Suzanne hatte bei einem Gespräch kurz eine junge Frau erwähnt, die mit Remy Günner vor ihrer gemeinsamen Zeit zusammen gewesen war. Sie sei jünger gewesen als sie, und voller Tattoos und Piercings. Irgendetwas hatte Suzanne noch gesagt, dass sie wohl der Grund für Günner gewesen sei, sie zu suchen. Thun fragte sich, warum er sich nicht daran erinnert hatte.

Instinktiv hatte er Lillians Nummer gewählt. Er hatte Glück, dass sie das Gespräch annahm. Eigentlich vermied sie es, mit ihm zu reden. Doch diesmal war das Glück auf seiner Seite. Er fragte sie, wann die Beerdigung ihrer Mutter sei, und bat sie, bei ihren Großeltern nachzufragen, ob er an der Zeremonie teilnehmen dürfe. Lillian antwortete, dass das wohl sofort sei, wenn der Staatsanwalt die Leiche zur Beerdigung freigeben würde, und dass sie in der Familie bereits beschlossen hatten, ihn, den leiblichen Vater, nicht daran teilhaben zu lassen. Sie hatte aber durchblicken lassen, dass Suzanne auf eine Seebestattung bestanden habe. Thun vermutete, dass Lillian sich vor dem Ende einer gerichtlichen Verarbeitung des Todes ihrer Mutter ganz bestimmt nicht mehr bei ihm melden würde, und ob es jeweils wieder dazu kommen würde, empfand er als sehr fraglich.

In Usedom-Stadt bog er ab und fuhr über Stolpe nach Prätenow zurück. Das Erste, was er machte, als er aus dem Auto stieg, war, nach den Pferden zu schauen. Die Mutterstute graste friedlich auf der Weide dicht hinter dem Haus. Nur wenige Meter entfernt von ihr war das Fohlen. Und etwas weiter ab stand der Wallach. Er musste etwas gehört haben und nahm in Richtung Thun Witterung auf. Offensichtlich hatte die Mutterstute ihn nicht in ihrer Nähe geduldet. Aber das würde sich sicher in den nächsten Tagen geben. Als der Wallach sich überzeugt hatte, dass keine Gefahr im Anzug war, senkte er den Kopf und fraß weiter.

Und wieder fiel Thun die Frage der Kommissarin ein, ob seine Tochter einmal ihre Vorgängerin bei Günner erwähnt hatte. So sehr er sich mühte, in diesem Zusammenhang hatte sie tatsächlich wenig gesagt. Nur dass ihr diese Frau auf einem Bild bekannt vorgekommen war. Doch das müsse schon lange vor der Zeit ihrer Bekanntschaft mit Günner gewesen sein. Wenn das stimmte, so fragte er sich, wo das hätte sein können. Suzanne war in Lohme-Hagen auf Rügen aufgewachsen. Vielleicht müsste man dort ansetzen. Doch dann verdrängte er diesen Gedanken durch die Frage, wo man Suzanne beerdigen würde, wenn sie von der Staatsanwaltschaft zur Beerdigung freigegeben wäre. Ich bin es ihr schuldig, dachte er, an ihrer Beerdigung teilzunehmen. Aber gleichzeitig fragte er sich, ob das die Eltern, die sie aufgezogen hatten, gestatten würden. Das müsste er unter allen Umständen versuchen herauszufinden.

Wer kannte die Eltern, fragte er sich. Sie waren in Trassenheide ansässig gewesen. Ausgerechnet im Norden der Insel kannte Gerd Thun niemanden, der ihm hätte Auskunft geben können. Doch dann erinnerte er sich, dass Manuel Makowski irgendwann einmal bei Auto-Kruse in Ahlbeck gearbeitet hatte. Er würde den derzeitigen Chef, Kai Kruse, fragen müssen, was sie zu der Zeit vor der Wende an Fahrzeugen angeboten haben. Aber er müsste dabei weit zurückgehen, und es war fraglich, ob es da noch eine Erinnerung an Makowski geben würde.

Am besten wäre es, wenn er seinen Mercedes zur Durchsicht anmelden würde. In diesem Fall pflegte er immer mit Kai Kruse ein paar Worte zu wechseln. Er könnte ihn fragen, ob er möglicherweise noch Kontakt zu Makowski hätte. Darüber hinaus, ob er eine Idee hätte, wie man ihn fragen könne, wann die Beerdigung seiner Tochter stattfände, und ob er bereit wäre, Thun daran teilnehmen zu lassen.

Er machte sich von dem Blick auf die Pferde los und betrat das Haus. Die Reinigungskraft war da gewesen, hatte auch die Geschirrspülmaschine ausgeräumt. Alles sah tipptopp sauber aus. Seit einiger Zeit wohnte Thun allein. Aber er pflegte immer darauf hinzuweisen, dass er zwar allein wohne, aber nie allein lebe. Er nahm sich eine Flasche Jever aus dem Kühlschrank, öffnete sie, nahm ein Glas aus dem Schrank und goss es ein. Genüsslich ließ er das Bier seine Kehle herunterfließen. Dabei beschloss er, sofort telefonisch im Autohaus vorstellig zu werden. Er wählte die Nummer des Autohauses. Eine Frauenstimme meldete sich, und er vereinbarte einen Termin für eine Durchsicht seines Wagens.

»Ich würde gern mit dem Chef sprechen«, sagte er, als er seinen Termin abgesprochen hatte.

»Augenblick bitte, ich frage nach, ob er am Platz ist.«

Es klickte in der Leitung. Kurze Zeit meldete sich die Frau wieder. »Ich verbinde. Ihnen einen guten Tag.«

Wieder knackte es in der Leitung.

»Kai Kruse, guten Morgen, Herr Thun. Wie kann ich Ihnen helfen?«

»Ich komme in einer sehr privaten Angelegenheit. Interessiere mich für die Zeit um 1980. Was hat die Firma Kruse da verkauft oder repariert?«

»1980 … Also, wir haben in den Achtzigern Wolga und Moskwitsch repariert«, sagte Kai Kruse.

»Können Sie mir sagen, wie lange es die Firma überhaupt gibt? Ich war damals eine Zeit lang weg von der Insel, sodass ich den Überblick über einige Leute verloren habe, die ich kenne.«

»Mein Vater hat 1962 begonnen. Damals wurde vom F6 über Wartburg, Moskwitsch und Wolga alles repariert, was auf der Insel fuhr. Es war eine wilde Zeit. Da gibt es ganz sicher viel zu berichten. Gern bringe ich Sie und meinen Vater in dieser Angelegenheit mal zusammen. Wenn Sie Ihr Fahrzeug morgen zur Durchsicht bringen, können Sie gern zu mir kommen, ich werde versuchen, zu sehen, ob es da etwas Interessantes für Sie zu berichten gibt.«

Thun bedankte sich und legte nachdenklich den Hörer auf die Gabel.

Insel der Vergänglichkeit

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