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5. Kapitel
ОглавлениеDie Nachrichten, die Gerd Thun über Kai Kruse erfuhr, waren nicht eben förderlich. Zwar erinnerte man sich, dass einmal ein sehr guter Karosserieklempner irgendwann in den sechziger Jahren in der Firma Kruse gearbeitet hatte, er war aber nach einiger Zeit wieder aus der Firma ausgetreten, um Usedom zu verlassen. Eine Verbindung zu diesem Mann gab es schon lange nicht mehr.
Dennoch gab es einen Lichtblick. Kai Kruse bot ihm an, den mit ihm befreundeten Kriminalhauptkommissar Larsson aus Heringsdorf zu fragen, ob er Thun einen Rat geben könne.
Dieses Angebot hatte Thun angenommen.
*
Sie trafen sich am Freitag, im Café Knatter in Ückeritz. Larsson hat es so eingerichtet, dass der Treffpunkt auf seinem Heimweg lag. Gerd Thun wiederum war sehr froh darüber, dass Larsson dem Treffen zugestimmt hatte. Zu dieser Jahreszeit war allerdings reichlich Betrieb.
Gerd Thun sah Larsson an einem Vierertisch sitzen. Zwei der Plätze waren besetzt. Er steuerte auf ihn zu.
»Herr Larsson?«
Larsson hatte einen Augenblick den Zugang zum Außenbereich aus den Augen gelassen und über das Achterwasser geschaut. Immer wieder war er beeindruckt, wie sich das Licht über dem Wasser veränderte. Im Augenblick standen einige Kumulus-Wölkchen über dem Wasser, was darauf hindeutete, dass der Wind wohl zunehmen würde. Das aber wäre für die Leute, die gerade bei dem Besitzer des Cafés Knatter Unterricht im Surfen nahmen, vielleicht eine Brise zu viel.
Larsson war aufgestanden und gab Thun die Hand. Weil er wusste, wie er aussah, wenn er gerade in Gedanken versunken war, machte er schnell ein freundliches Gesicht. »Herr Thun? Herr Kruse hat mir von Ihren Problemen erzählt.« Er deutete auf den leeren Stuhl, und Thun setzte sich.
»Es sind in der Tat Probleme. Und ich werde sie allein nicht lösen können.«
Larsson beobachtete aufmerksam seine Umgebung. Doch alle schienen so in ihre Gespräche vertieft, dass sie nicht auf die beiden Männer achteten. Auch das ältere Ehepaar, das an ihrem Tisch saß, hatte mit sich zu tun.
»Was ist der Hinderungsgrund, dass Sie mich sprechen wollen?«
»Der Mann, der das Mädchen als Vater aufgezogen hat, hasst mich«, sagte Larsson.
»Das ist, nach allem, was ich gehört habe, eine menschliche Regung.«
»Ich hoffte, dass angesichts des Todes ihres Kindes die Eltern milde gestimmt sind und eine Versöhnung möglich wäre. Aber ich habe mich wohl getäuscht.«
»Es wäre besser, Sie fänden jemanden, der die Makowskis kennt«, sagte Larsson.
»Das ist die Krux. Ich kenne keinen. Die Familie hat, so viel ist mir noch in Erinnerung, noch während der Schwangerschaft Rosa Makowskis Usedom verlassen und ist ganz in den Norden von Rügen gezogen.«
Sie schwiegen eine Weile, ihr Blick ging hinaus auf das Wasser. Am Rande des Steges versuchte wieder einer der Neulinge, auf ein Surfbrett zu kommen, ohne herunterzufallen. Und tatsächlich schien es zu gelingen. In Ückeritz, direkt vor dem Café Knatter unmittelbar am Achterwasser, ist ein riesiges Stehrevier. Bei Windrichtung von Nordwest über Süd bis Südost ist alles gut. Wenn jemand aufs Wasser geht, dann dort. Außerdem kann man nach dem Kiten, sofern man noch dazu imstande ist, gleich eine heiße Schokolade trinken.
»Wäre es hier auf der Insel, wäre es für mich eine Kleinigkeit, dort einmal vorstellig zu werden. Aber so?«, sagte Larsson.
»Vielleicht würden Sie einen Ausflug mit Ihrer Familie nach Rügen machen und bei den Makowskis, sozusagen als Bekannter von mir, ein Sondierungsgespräch führen.«
»Wie stellen Sie sich das vor? Soll ich dort klingeln und sagen: Mein Name ist Larsson, ich komme im Auftrag von Herrn Thun? So einfach ist es nicht.«
»Was die Kosten betrifft, wäre das kein Problem. Die übernehme ich selbstverständlich.«
Larsson sah Thun belustigt an. »Ich hoffe nicht, dass das ein Bestechungsversuch war. Sie würden mich damit in Teufels Küche bringen. Und das käme für mich überhaupt nicht infrage. Wenn ich es überhaupt machen sollte, dann aus Freundschaft zu Kai Kruse.«
Die Serviererin kam.
»Darf ich Ihnen etwas bringen?«
Larsson schüttelte den Kopf.
Thun bestellte einen Kaffee und ein Stück gedeckte Apfeltorte mit Sahne.
»Sie wissen, wo die Familie wohnt?«, fragte Larsson.
»In Lohme-Hagen. Stubbenkammerstraße. In der Nummer 33 ist die Hotelpension Nordfeuer. Dort ist man sehr gut untergebracht.«
»Das wissen Sie so genau?«
»Ich hatte mich dort mal eingemietet, um das Haus zu beobachten. Ich dachte, es fände sich eine Möglichkeit, Kontakt aufzunehmen. Doch das hat sich nicht so ergeben.«
»Beobachten?« Larsson lächelte.
»Das Haus liegt schräg gegenüber vom Nordfeuer. Daneben ist ein Kasten aus der DDR-Zeit, den man mit Platten erstellt hatte. In den Siebzigerjahren war das sicher eine gute Sache. Zentralheizung war zu dieser Zeit ja die Ausnahme. In Wirklichkeit aber ist es ein hässliches Stück Beton, das man direkt zwischen einem Neubau und einem Haus, das aus den Anfängen der DDR-Zeit herrührt, einfach hingestellt hat. Und das ohne genügend Abstand.«
Thun nahm eine kleine Kamera aus der Tasche und rief einige Fotos ab, die er auf seiner Fahrt nach Rügen gemacht hatte. »Schauen Sie. Ganz rechts in dem gelben Haus wohnen die Makowskis jetzt.«
Larsson prägte sich die Bilder ein.
Die Serviererin kam mit dem Kaffee und dem Kuchen.
»Sie können mir die Rechnung machen«, sagte Larsson.
»Zusammen?«
»Nein.«
»Ich hätte das doch gern übernommen«, sagte Thun. »Schließlich opfern Sie ja ihre Zeit für mich.«
»Ich mache manchmal hier Halt, um ein wenig Abstand zu gewinnen«, sagte Larsson. »Es ist also gar kein Problem.«
»Kai sagte, Sie würden erstklassig kochen.«
»Er war mal bei mir, nachdem ich ein Auto für meine Frau von ihm übernommen hatte. Ich war gerade dabei, einen großen Zander zuzubereiten. Es war mir ein Vergnügen, ihn zum Essen zu bitten.«
»Zander … Ja, er berichtete davon. Er hat das Essen über die Maße gelobt.«
Larsson dachte an Kai Kruse. Wenn er diesem Thun davon erzählt hatte, dann wohl mit dem Hintergrund, dieses Lob als kleine Bestechung zu benutzen.
»Da verwenden Sie ja zur Zubereitung diverse Kräuter.«
»Das Übliche.«
»Ich weiß eine Stelle, wo Sie die ganze Bandbreite der Gewürze nicht nur beziehen, sondern auch in einer Führung im Wald kennenlernen können. Das geht dann allerdings über das Übliche hinaus. Würde Sie das interessieren?«
»Sie lassen wohl nichts aus.«
Die Serviererin kam an den Tisch. Sie schaute Larsson an, und als er nickte, gab sie ihm die Rechnung. Larsson zahlte.
»Kräuterverbena in Prätenow, unweit des Wiesentgeheges. Ich würde Sie gern bei Ina Schirmer einführen.«
»Lassen Sie sich den Kuchen schmecken«, sagte Larsson. Er stand auf.
»Werden Sie es machen? Werden Sie für mich nach Lohme fahren?«
»Ich werde zumindest darüber nachdenken. In der nächsten Woche sage ich Ihnen Bescheid.«
Sie gaben sich die Hand, lächelten sich noch einmal zu. Dann ging Larsson langsam zuerst zum Steg, um nochmals die schönen Bilder des Tages in sich aufzunehmen.
*
Als Lasse nach Hause kam, machte er Monika den Vorschlag, zusammen mit ihm am Wochenende nach Rügen zu fahren. Erstaunlicherweise war sie ohne große Widerstände dazu zu bewegen.
Er zog sich in sein Arbeitszimmer zurück und telefonierte fast eine halbe Stunde mit Manuel Makowski, dann mit der Hotelpension Nordfeuer. Er hatte in beiden Fällen Erfolg.