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Die Sache mit der Demokratie
ОглавлениеDie demokratischen Systeme der westlichen Gesellschaften verlieren zunehmend an Funktionstüchtigkeit. Gegenüber totalitären Systemen waren Demokratien schon immer weniger effizient, dafür aber ein mehr oder weniger guter Schutz gegen politischen Machtmissbrauch. Inzwischen geht es vermehrt um ökonomischen Missbrauch an Umwelt, Mensch und Mitteln. Hier ist ein Versagen aller politischen Systeme zu beobachten. Die sogenannten "wirtschaftlichen Notwendigkeiten“ lassen eine "realpolitische“ Wirklichkeit entstehen, welche zunehmend die Qualitäten unserer Zukunft nachhaltig ruiniert.
Wer kennt nicht die Argumentationsschlange von - drohender Stellenabbau – Steuerausfälle – steigende Unterstützungsleistungen – reduzierter Konsum – etc. Regierungen buhlen mit speziellen Standortkonditionen um Unternehmen. Atomenergie wurde mit Subventionen betrieben und wird auch mit Subventionen verschwinden, man könnte endlos viele Beispiele aufführen. Die Lobbyisten für Wirtschaftsinteressen haben einen ungleich intensiveren Zugang zu Politikern als Kompetenzen aus Wissenschaft und Forschung. Dazu kommt, dass Wissenschaft und Forschung unter dem Druck stehen sich zunehmend selbst zu finanzieren. Ein gefährliches Spiel, denn damit büssen sie automatisch ihre Unabhängigkeit ein. Somit werden wir zunehmend von wirtschaftlichen Interessen regiert, die sich für eine ethische und humane Förderung der Gesellschaft nicht interessiert. Dies geschieht nur vordergründig in der Bewerbung ihrer Produkte oder durch Stiftungen für gemeinnützige Zwecke. Aber ein Engagement für eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung ist, wie sich die Situation derzeit darstellt, aus ökonomischer Sicht absurd.
Zudem fliessen zu viele Gelder aus der Wirtschaft in die demokratischen Systeme, sodass eine Befreiung aus eigener Kraft nicht vorstellbar ist. Hier müsste schon ein Druck von aussen entstehen. Dieser Druck würde nach demokratischem Ideal vom Souverän kommen. Aber so, wie die demokratischen Systeme eingerichtet sind, funktioniert das auch nicht. Selbst in direkten Demokratien wird es zunehmend schwieriger den "ökonomischen Zwängen" entgegenzutreten.
Dazu kommt, dass die zu treffenden Entscheidungen komplexeres Wissen erfordern. Dafür müssten die abstimmenden Bürger umfassend informiert und entsprechend gebildet sein. Die Informationskultur ist bei den Politikern schwach ausgeprägt. Das Gerangel in Hierarchien und Zuständigkeiten, Selbstdarstellung und Wahlkampf lassen offensichtlich zu wenig Zeit um sich dem Souverän verständlich zu machen.
Die gewählten Volksvertreter bemühen sich zwar volksnah aufzutreten, haben sich aber de facto vom Befinden der Bürger abgekoppelt. Stattdessen wurden sie zu Demoskopie-Opportunisten. Dass dies nicht unbemerkt bleibt zeigt die zunehmende Resignation im politischen Engagement der Bürger (sinkende Wahlbeteiligung, Zuwendung zum Populismus, etc.). Bekommt eine demokratiefeindliche Bewegung plötzlichen Zulauf herrscht bei den etablierten Politikern hilflose Empörung.
Hilflosigkeit ist derzeit das gravierendste Signal. Da Politiker aber durch demonstriertes Kompetenzgehabe die Zuversicht der Bevölkerung stabil zu halten versuchen, kommt es immer häufiger zu Peinlichkeiten. Politiker, die sich in wenigen Tagen fundamental selbst widersprechen werden inzwischen protestlos hingenommen.
Das westliche Wirtschaftssystem ist auf seinem Weg alles und jedes zu kommerzialisieren offensichtlich durch nichts aufzuhalten. Damit auch nicht der Raubbau an allen Ressourcen. Die demokratischen Systeme sind bereits ein inhärenter Teil dieses Spiels. Ein Spiel, das leider in einem wachsenden anarchischen Raum stattfindet.
Was ist zu tun?
Von allen Staatsformen haben die europäischen Demokratien den ausgeprägtesten Friedenswillen. Zudem hat der Schutz der erreichten inneren Liberalität einen hohen Stellenwert. Das darf auf keinen Fall aufgegeben werden. So stellt sich die Frage, wie wir unsere Demokratien vor weiteren Verfall schützen können um diese Qualitäten zu bewahren und zu fördern.
Zum Schluss möchte ich auf das in meinen Augen Wesentlichste kommen. All die aufbegehrenden Menschen weltweit, sehnen sich nach persönlicher Entfaltung und Würde, nach einer Zukunft mit gedeihlichen Perspektiven für ihre Nachkommen. Für diese Ziele gehen sie auf die Strasse und riskieren sogar ihr Leben. Aber wenn die Bevölkerung bereits auf der Strasse ist, kommen politische Kursänderungen zu spät. Das Beispiel Syrien zeigt die politische Realität: der hochgeputschte Hafiz al-Assad, Vater des jetzigen Machthabers Baschar al-Assad, schlug gnadenlos eine Revolte gegen sein Regime nieder (das Massaker von Hama). Dieser Eingriff war so gewaltig, dass seine Gegner (die Moslem Brüder) Syrien verliessen. Sein Sohn versuchte einen moderateren Weg. Er versprach wiederholt Reformen, die er nie an die Hand nahm. So belogen, formierte sich zunehmend der Widerstand, bis der Bürgerkrieg das Land verwüstete. Heute spielt es kaum eine Rolle ob das Assad-Regime gestürzt wird oder nicht. Die aktiven Milizen werden auf unabsehbare Zeit um die Macht rivalisieren, so wie es in Libyen und vielen anderen Staaten der Fall ist. Ob Syrien seine Staatsgrenzen behalten wird und in welche Regierungsform es eines Tages münden wird ist völlig offen. Sicher ist, es dauert etliche Generationen bis wieder so etwas wie Normalität entstehen kann.
Amtierende Machthaber haben zur Zeit viele solcher Eskalationen vor Augen. Aber auch hier: was ist zu tun?
Von oben aufgesetzte Systeme wie der gescheiterte Versuch dem Irak eine Demokratie zu verordnen zeugen von der ethnisch-kulturellen Naivität amerikanischer Aussenpolitik. In ethnisch komplexen Staaten kann nur ein Gleichgewicht suchender Prozess von unten erfolgreich sein. Auch solche Prozesse können aus dem Ruder laufen. Aber ganz zu Beginn, wenn die Menschen anfangen zu protestieren, wollen sie keine Gewalt gegen andere. Diese Dynamik entsteht erst mit der Zeit (ausser die bereits bestehende Gewaltbereitschaft von infiltrierenden Chaoten in unseren Städten). Also geht es darum, wie der noch gewaltfreie Unmut in Veränderungsenergie umgewandelt werden kann.
Genau das sind die Ziele, die das im Buch beschriebene Demokratie-Konzept erreichen soll:
1 Den bestehenden Demokratiesystemen eine neue Wahrhaftigkeit verleihen
2 Eine friedliche und nachhaltige Ressourcenbewirtschaftung etablieren
3 Den Respekt zwischen den Geschlechtern fördern
4 Das Wohlstandsgefälle vermindern
5 Die Inhumanität bestehender Machtsysteme auflösen
Ich danke Ihnen für Ihr Interesse an meinem Konzept und wünsche Ihnen einen spannenden Aufenthalt in diesem Buch.
Georges Hentschel