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Chamäleon

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Keiner riecht nach Bleiben auf dieser Welt. Du bist wie ich – Gefangener und Sklave unserer biologischen Natur, der Zeit und den kleinsten Teilchen. Ach, wären doch nur meine Gedanken still, sie sind an manchen Tagen mein Unglück. Gedanken. Wie Verdurstende in der Wüste nach Wasser, so hecheln wir alle nach Bestätigung. Keiner von uns hat je gelernt ein Selbst zu sein, das sich ohne die Gunst seines Publikums empfindet. Applaussucht. Aber was heißt schon Ich oder Selbst. Ich ist immer die Spiegelung in anderen, so wie sich der andere immer in mir spiegelt! Nur im Spiegel des anderen kannst du sein Selbst entdecken! Freiheit gibt es nicht, jeder von uns ist Bestandteil eines eng vernetzten sozialen Gewebes. Wir sind Brüder und Schwestern jedes Ameisenstaats. Sie melken Läuse. Wir unsere Kühe und trinken die Milch aus unseren Zeitgeistwolken. Von uns selbst ist überhaupt nichts. Ich selbst bin schon nicht von mir! Wer also bin ich? Aus was bestehe ich? Kaum in die Welt geworfen stürzt sich eine Masse an Informationen auf mein Gehirn. Diese fremde Vielheit macht uns zu dem, an dem wir unser Leben lang leiden. Deshalb dehnt sich der Kosmos immer weiter aus und trotzdem finden wir hier auf Erden immer schwerer einen Parkplatz. Und deshalb haben die Kraken ein Hauptherz und einige Nebenherzen! Ich bin unglücklich, sagte sie mir in der Klinik, ich fühle mich total wertlos und allein und von allen verlassen. Schau mich an! Schau mich genau an! Ich bin genauso geworden, wie das, was um mich herum passiert. Seit meinem ersten Atemzug verhalte ich mich genauso, wie der Markt um mich herum, depressiv, psychisch schwer angeschlagen, euphorisch, ohne Mitte. Ich renne wie ein Schaf allem hinterher, was der Zeitgeist so ausbrütet. Ich habe keine Meinung, es sei denn, im Fernsehen wird sie mir entgegen geschrien. Meinen hysterischen Angstkörper kann ich nicht mehr beruhigen. Ständig will ich ficken, um diese Anspannungen loszuwerden. Schlaflosigkeit, Valium, Therapeuten ohne Ende, die mit dem Fernrohr tief ins Innere schauen und dabei erkennen, dass jeder von uns aus unzähligen Zufalls-Krümeln zusammengesetzt ist. Ich schaue weiter, ob etwas Wesentliches zu entdecken ist. Ich bilde Rücklagen, eine nach der anderen, schließe Versicherungen ab ohne Ende. Versicherungen, die keinen inneren Frieden bringen. Der ständige Gedanke an die Zukunft macht meine Gegenwart zunichte. Eigentlich wollte ich Friseurin werden, um zu verstehen, was sich in den Köpfen der anderen Leute abspielt. Dabei hat sich mein Selbst aufgelöst in den anderen und ich atme nur noch die Luft, die andere vorher ausgeatmet haben. Wir alle werden von den Menschen bewohnt, die uns gemacht haben. Dieser ständige Nachrichtenverkehr im Gehirn. Ich schaue, ob weiter Wesentliches zu entdecken ist, außer den Menschen, die ständig immer nur um sich selbst kreisen. Ich lausche schnell meinem Atem, Joga, Meditation. Ich atme nur noch die Luft, die ich vorher abgekocht habe. Selbst wenn ich alleine bin und nach meinem Selbst lausche, es überprüfe, ob es wirklich das Meine ist, werde ich weiterhin von den Menschen bewohnt, die mich gemacht haben. Was also sieht das Chamäleon,wenn es dem anderen Chamäleon in die Augen schaut?


Der charmante Nihilist

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