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2.Zur Bedeutung dieser Vorstellungen in der christlichen Mission des frühen Mittelalters

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Die christliche Religion brachte bekanntlich neben vielem anderen den Gedanken der Mission in die antike Welt der zahllosen Götter und ihrer häufig lediglich lokalen Verehrung. Ihr Selbstverständnis und ihr Weltbild wurden stark durch das Missions- oder Bekehrungsgebot geprägt, mit dem Christus die Apostel ausgestattet hatte.41 Um zum Glauben an den einen wahren Gott zu bekehren, versuchte man im Zuge der Mission, die Nichtgläubigen in vielfacher Weise davon zu überzeugen, dass der neue Gott der Stärkere sei.42 Dies ließ sich aber am besten dadurch beweisen, dass er sich auf Erden gegenüber anderen Göttern in sichtbarer Weise als der Stärkere erwies, weil er sich in konkreten Situationen durchzusetzen verstand. Hiervon hatte sich, wenn man der Überlieferung traut, bereits Kaiser Konstantin überzeugen lassen und knapp zwei Jahrhunderte später der Merowingerkönig Chlodwig, die beide im Zeichen Christi Schlachten gewannen, nachdem Kleriker ihnen nahegelegt hatten, die Schlacht unter dem Zeichen und Schutz Christi zu führen. Ihr Beispiel blieb im kollektiven Gedächtnis des westlichen Christentums lebendig und wurde durch zahlreiche gleich gelagerte Beispiele ergänzt.

Damit knüpften christliche Vorstellungen direkt an die heidnischen der Antike an, deren Götter bereits aktiv in die Kämpfe der Menschen eingegriffen und ihren Schützlingen zum Sieg verholfen haben sollen.43 Konstantin und Chlodwig hatten sich ja gleichfalls in bedrängter Lage unter dem Zeichen Christi zum Kampf gestellt und daraufhin durch die Hilfe Christi gesiegt, wie ihnen versprochen worden war. Auf ähnlichem Wege entstanden auch andere heroische Geschichten von Taten Gottes und seiner Missionare und Märtyrer, die bewiesen, dass die Christianisierung ihren Siegeszug dem wundersamen Eingreifen Gottes und der Heiligen verdankte.44 Es ist daher geboten, schon in der Einleitung darauf zu insistieren, dass die Vorstellungen vom Eingreifen Gottes in die Welt bereits die Strategien der christlichen Mission nachhaltig bestimmten und offensichtlich zum Erfolg führten. Dies sei schon hier ausführlicher thematisiert.

Zahlreiche Nachrichten belegen, wie umsichtig Missionare ihre ›Tatmission‹ genannten Aktivitäten dadurch vorbereiteten, dass sie mithilfe zeitgenössischer ›Diplomatie‹ belastbare Beziehungen zu den Führungsschichten der zu christianisierenden Stämme aufbauten, ehe sie das Wagnis eingingen, die überlegene Stärke des Christengottes mit Übergriffen auf heilige Stätten der Heiden zu ›beweisen‹. Die Erfahrung, dass deren Götter auf solche Provokationen nicht energisch bzw. gar nicht reagierten, wurde auf die überlegene Stärke des Christengottes zurückgeführt.45 Am Beispiel der zweiten Missionsreise des Hamburger Erzbischofs Anskar nach Schweden sei die Dichte und Kohärenz diesbezüglicher Nachrichten in seiner Vita kurz vorgestellt, weil deren Darstellung als exemplarisch gelten kann. Die Basis für seine Missionsaktivitäten verschaffte sich Anskar nach seiner Ernennung zunächst dadurch, dass er sich das Vertrauen des dänischen Alleinkönigs Horich des Älteren erwarb. Vor der Mission stand also die Anbahnung der politischen Freundschaft mit den Führungspersonen der Länder, die Ziel der Mission waren:

Er ließ es sich angelegen sein, Horich häufig aufzusuchen und sich durch Geschenke und alle möglichen Gefälligkeiten zu verpflichten, um mit seiner Erlaubnis das Amt der Verkündigung in seinem Reiche ausüben zu können. Mehrfach wurde er auch als Gesandter des [fränkischen] Königs zu ihm geschickt, und er hat sich um Friedensbündnisse und andere für das Reich vorteilhafte Fragen die redlichste Mühe gegeben. So lernte König Horich die rechtliche Zuverlässigkeit und Anständigkeit des heiligen Mannes schätzen; er zeigte sich ihm sehr gewogen, ließ sich von ihm gerne beraten und betrachtete ihn in allen Dingen als Vertrauten; selbst an geheimen Besprechungen mit seinen Ratgebern über Angelegenheiten seines Reiches durfte er teilnehmen […] Im Besitz solcher Vertrauensstellung konnte Ansgar Horich nun auch zusetzen, er möge Christ werden.46

Das blieb nicht ohne Wirkung und Horich gab die Erlaubnis, in Schleswig eine Kirche zu bauen und dort einen Priester ständig zu etablieren. Dessen Missionsarbeit zeitigte bald Erfolge, was in Anskar den Plan reifen ließ, die Missionsbemühungen auch nach Schweden auszudehnen, womit er bei einer ersten Reise gescheitert war. Wieder suchte er Rückhalt bei einem fränkischen Herrscher, Ludwig dem Deutschen, der ihm einen Legationsauftrag und eine Botschaft an den Schwedenkönig mitgab, vor allem aber hatte er mittels einer Vision einen himmlischen Auftrag erhalten, der ihn als Gottes Erwählten auszeichnete: »Von einer früheren Vision erfüllt, war er auch hier wieder von seinem himmlischen Auftrag überzeugt.«47 Es war ihm nämlich sein ehemaliger Abt Adalhard von Corbie erschienen und hatte ihm den göttlichen Auftrag mitgeteilt: »Und jetzt sagt dir der Herr, der dich vom Mutterleibe zu seinem Knecht gebildet: Ich habe dich zum Licht der Heiden gemacht; du sollst ihnen Heil bringen bis ans Ende der Erde. Könige werden sehen und Fürsten aufstehen und den Herrn, deinen Gott, den Heiligen Israels, anbeten, denn er wird dich herrlich machen.«

Die zitierte Geschichte zeigt in besonderer Eindringlichkeit die Doppelstrategie, die den christlichen Missionsaktivitäten zugrunde lag: Sie nutzten sowohl die Unterstützung weltlicher Machthaber und ihres Einflusses auf die Heiden als auch die Betonung eines göttlichen Auftrages, der durch verstorbene frühere Bezugspersonen oder andere himmlische Wesen in persönlichen Ansprachen vermittelt worden war.48

Als Anskar jedoch mit aller diplomatischen Unterstützung des fränkischen wie des dänischen Königs ins schwedische Birka gereist und auf den schwedischen König gestoßen war, zeigten sich die im Heidentum verharrenden Führungsschichten gut vorbereitet – vom Teufel informiert, wie Rimbert anmerkt.49 Einer ihrer Protagonisten gab sogar an, er habe an einer Versammlung ihrer Götter teilgenommen, die sich wegen der Ankunft Anskars sehr indigniert gezeigt und die Schweden vor jedem Kontakt mit den Neuankömmlingen gewarnt hätten. Als Kompromiss boten die Götter aber an, den früheren König Erik neu in ihren Götterkreis aufzunehmen, falls sie selbst den Schweden nicht mehr genügten. Alte Freunde rieten Anskar daraufhin, da er auch dieses Mal nichts würde ausrichten können, er solle dem König alles Wertvolle aus seinem Besitz geben und so wenigstens sein Leben retten. Anskar entschied sich jedoch anders und wollte ein Martyrium in Kauf nehmen.

Schließlich aber folgte er dem Rat eines Ungenannten und lud den König zu Mahl und Geschenken (convivium et dona). Hierbei zeigte sich, dass der König selbst seinem Vorhaben durchaus wohlwollend gegenüberstand, sich jedoch nicht über die Verfahren der Thingversammlung hinwegsetzen konnte, die eine Befragung der Götter durch das Los vorsahen. Dieses Los fiel zwar zugunsten der Christen aus, was Anskar schon zuvor bei seiner Eucharistiefeier von einer göttlichen Stimme mitgeteilt worden war, es erzeugte jedoch Streit. Erst als ein alter Mann beim Thing befürwortete, sich die Gnade des neuen Gottes zu sichern, und hierfür Zustimmung fand, waren die Voraussetzungen für eine gefahrlose Missionsarbeit geschaffen, die noch durch eine zweite regionale Versammlung bestätigt wurden.

Charakteristisch ist an dieser detaillierten Erzählung die Vermischung ganz unterschiedlicher Argumentationen, die wir häufiger beobachten können: Neben der sehr genauen Beschreibung der Wege politischer Kontaktaufnahme, politischer Beeinflussung durch Freundschaften, Geschenke und Gelage, aber auch politischer Verfahren der Willensbildung und der Partizipation des Volkes, hören wir von intensiven Kontakten mit transzendenten Mächten, die gleichfalls und wirkungsvoll Einfluss auf das Geschehen nahmen – und zwar sowohl in konstruktiver wie in destruktiver Weise. Die scheinbar ganz pragmatischen Hinweise auf die politischen Gewohnheiten und die detailfreudigen Berichte über Eingriffe himmlischer Kräfte in das Geschehen stehen dabei gleichberechtigt nebeneinander. In den Strategien des Missionars Anskar zeigt sich also besonders deutlich die enge Verzahnung politischer und religiöser Vorstellungen und Aktivitäten, die für die Vorstellungswelt vom Eingreifen Gottes charakteristisch zu sein scheint. Wir werden jedenfalls darauf zu achten haben, wie viel Einfluss politische Bindungen und Interessen auf diese Vorstellungswelt hatten und wie sie die Wahrnehmungen formten.

Gott belohnt, Gott straft

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