Читать книгу Gott belohnt, Gott straft - Gerd Althoff - Страница 9
3.Leitfragen der Untersuchung 3.1Zur benutzten Quellenbasis
ОглавлениеDie bisher angestellten Überlegungen haben Auswirkungen auf die Auswahl der in den Untersuchungen vorrangig benutzten Quellen. Antwort auf die Leitfragen dieser Studie gibt in erster Linie die zeitgenössische Historiographie, wie schon thematisiert, weil sie in konkreten Kontexten die Wirkungen beschreibt, die die Vorstellung vom Eingreifen transzendenter Mächte in das weltliche Geschehen angeblich ausübte. Der Zusatz ›angeblich‹ ist hier von besonderer Bedeutung, weil die Berufung auf ein Eingreifen Gottes oder des Teufels in die Welt im Verdacht steht, als wirksames Argument in verschiedener Weise benutzt worden zu sein: einmal als religiöses Argument, um Menschen auf dem rechten Weg zu halten und von Sünden abzuschrecken; zum anderen aber als politisches Argument, um Positionen der gegnerischen Partei zu schwächen und die der eigenen zu stärken. Nicht in jedem Einzelfall ist jedoch klar zu erkennen, welche dieser Kategorien vorliegt.
Man kann das religiöse Argument als Teil pastoraler Bemühungen um das Seelenheil der Gläubigen verstehen, die sich an den heiligen Texten des Christentums orientierten, hier vor allem am Alten Testament, in dem vom Eingreifen Gottes in die Welt in vielfältiger Weise die Rede ist. Durch diese Texte war genügend gerechtfertigt, dass die Gläubigen an diesen Tatbestand erinnert und auf seine Relevanz für ihr Leben hingewiesen wurden. Auch jedem geistlich ausgebildeten Historiographen lag diese Anwendung sicher nahe, sodass ihre Verwendung in der Historiographie nicht überraschen kann.
Wird das Argument vom Eingreifen Gottes jedoch als ein politisches benutzt, stellt sich die Problematik anders dar: Die große Gefahr einer Instrumentalisierung besteht darin, dass angesichts einer Polarisierung in Parteien, in Freunde und Feinde, Anhänger und Gegner die Deutungen entscheidend durch die Zugehörigkeit zu einer Partei beeinflusst werden. Es ist kein Geheimnis, dass oftmals den Gegnern und Feinden von den Historiographen der anderen Seite die »Rache Gottes« oder das »Gericht Gottes« angedroht oder bescheinigt wurde. In welchem Ausmaß aber die Parteizugehörigkeit diese Wertungen beeinflusst oder gar bestimmt hat, ist bisher nicht gefragt worden.
Deshalb scheint es, neben Gründen der Operationalisierbarkeit des unternommenen Versuchs, gerechtfertigt, sich auf die Historiographie als Quellenbasis der Untersuchung zu stützen und Hagiographie oder auch Urkunden nicht systematisch einzubeziehen. Denn nur die Historiographie bietet die Einbettung einschlägiger Nachrichten vom Eingreifen transzendenter Mächte in die Welt in einem Kontext, dessen Interpretation eine Differenzierung von religiösen und politischen Wertungen erlaubt.
Eine Quellengattung, in der der Glaube an das Eingreifen himmlischer Mächte in das irdische Geschehen gleichfalls häufig fassbar wird, sind allerdings die Urkunden, insbesondere die der Herrscher. Sie sprechen etwa in den Arengen formelhaft, aber sehr konkret über Hilfen vom Himmel und betonen dabei häufiger, dass man diese Hilfe auf dem Wege des Gabentausches (do ut des) zu erlangen versuchte. Es genügt, sich die moderne Sammlung des Materials in Arengenverzeichnissen der Königs- und Kaiserurkunden vor Augen zu führen. Sie bietet eine willkommene Fundgrube, die den Niederschlag der Vorstellungswelt von Gottes Gnade, Schutz und Hilfe verdeutlicht, die man sich durch ein demütig-frommes Leben wie durch materielle Leistungen verdienen könne.50 Es ist charakteristisch, dass im Register des Arengenverzeichnisses bei vielen einschlägigen Begriffen lediglich der Hinweis »oft« auftaucht, weil eine Dokumentation aller Belegstellen den Umfang des Registers gesprengt hätte.
Exemplarisch sei nur auf Lemmata wie dominus und deus mit Adjektiven wie auxiliante, adiuvante, favente, largiente, protegente, retribuente51 verwiesen, die auf Gottes Eingreifen in unterschiedlicher Form hinweisen. Ebenso einschlägig sind die Lemmata remuneratio und retributio mit Adjektiven wie aeterna, digna, futura, merita, perpetua, sempiterna,52 mit denen das Feld der Belohnungen erschlossen werden kann, die man sich von Gott erhoffte. Alle Termini lassen deutlich erkennen, dass das Eingreifen Gottes in die Welt als Thema in den Herrscherurkunden des frühen und hohen Mittelalters wirklich allgegenwärtig ist. Urkunden sind in dieser Arbeit jedoch nicht systematisch herangezogen worden, weil es in den Arengen, aber auch in den Narrationen zumeist bei allgemeinen Hinweisen auf einschlägige Tätigkeiten Gottes in der Welt bleibt, für die man entweder danken oder die man durch Leistungen verdienen will. Über die Erwähnung dieser frommen Absichten gehen die Hinweise aber selten hinaus, was unsere Kenntnisse nicht in gleicher Weise bereichert wie die substanzielleren Ausführungen in der Historiographie.