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DER SPINNERTE BRUNNEN IM LEHEL
ОглавлениеIn einer kleinen Kneipe im Lehel fand ein großer Ball statt und da waren die jungen Leute des Viertels einmal ganz unter sich, wie sie meinten. Stolz schwenkten sie ihre Mädchen durch den Saal und fühlten sich so recht als feine Herrschaften. Einer von ihnen entdeckte plötzlich drei junge Männer, die man noch nie zuvor hier gesehen hatte Sie besaßen offenbar sogar die Frechheit, mitzutanzen. Das durften sich die Leheler nicht bieten lassen.
Also pflanzte sich einer von ihnen vor den Fremden auf und verlangte, dass sie den Saal unverzüglich verlassen sollten, wenn sie Ärger vermeiden wollten. Da die Drei die gutgemeinte Aufforderung ignorierten, verlor der Bursche die Geduld.
„Aus ist’s!“, schrie er wütend. „Ab sofort wird nicht mehr getanzt, sonst weht hier ein anderer Wind! Habt ihr mich verstanden?“
Sie hatten ihn bestimmt nicht verstanden, denn sie taten noch immer nichts dergleichen, im Gegenteil – sie lachten ihn ganz ungeniert aus. Und einer sagte keck: „Du bist wohl auch einer von denen, die aus dem spinnerten Brunnen getrunken haben?“
Das hätte er besser nicht sagen sollen, denn alle Welt weiß, dass die Leheler auf solche Worte ausgesprochen sauer reagieren. Der Bursche hatte plötzlich einen Krug zwischen den Fingern und schlug damit wild um sich.
Was es mit dieser Anspielung auf sich hatte, erzählte der junge Mann dann schließlich vor Gericht genauer. Im Lehel soll es demnach einmal einen Brunnen gegeben haben, der nur Wasser gab, wenn er Lust dazu hatte und für gewöhnlich war das nicht der Fall. Vor allem dann nicht, wenn man das Wasser dringend gebraucht hätte. Darum hat man diesen Brunnen nur noch den ‚Spinnerten Brunnen‘ genannt. Später aber, wenn man nicht gerade sagen wollte, der und der aus dem Lehel sei nicht ganz richtig im Kopf, drückte man sich spöttisch so aus: ‚Du hast wohl vom Spinnerten Brunnen getrunken, was?‘ Und das war eine schwere Ehrenbeleidigung.
Denn wie kam man dazu, die Leheler derart zu verunglimpfen? Schließlich hatten dort schon viele honorige und noble Herrschaften gewohnt: Beamte, Landtagskandiaten und sogar bekannte Redner sollen darunter gewesen sein...