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EIN GRÜABIGER MENSCH
ОглавлениеIm Wirtshaus saß ein wohlbeleibter, gemütlich aussehender Herr. Bereits mehrmals hatte er versucht, die Kellnerin auf sich aufmerksam zu machen. Schließlich hatte er Erfolg und sie kam an seinen Tisch.
„Was darf’s denn sein, der Herr?“, fragte sie kühl und geschäftsmäßig.
„A Maß!“, bestellte der Dicke und fügte hinzu: „Und sauba eingschenkt, bittschön!“
Als das Bier kam, hielt er die Kellnerin zurück und sagte, da er mit geübtem Blick festgestellt hatte, dass der Krug nur zu drei Vierteln voll war, mit hochrotem Kopf: „Sie, Fräulein, dös kann i aber net vertragen. I will a ganze Maß, wann i schon oane zahl.“
„Tut mir Leid!“, war die schnippische Antwort. „Das ist nicht meine Schuld, sondern betrifft den Schankkellner. Geben Sie mir den Krug, dann lass‘ ich was draufschenken.“
„Wos?“, entrüstete sich der Dicke. „Draufschenken? Dös war net ohne, dass er mir die paar Tropfen auch noch verpanscht! Richtig einschenken soll er und wann er dös net ko, dann soll er a Schuaster werden.“
Da brachte die Kellnerin eine neue Maß, doch die war noch miserabler eingeschenkt als die erste. Nun äußerte der Gast die Vermutung, dass der Schankkellner das wohl mit Fleiß gemacht habe.
„Jetzt hab i gar nur die Hälfte!“, schimpfte er. „Gleich bringas mia a frische Maß, i will doch seng, ob der koa ganze Maß in den Kruag neibringt, und die da bleibt inzwischen bei mia.“
Wirklich brachte die Kellnerin eine neue Maß und diese war nun endlich richtig eingeschenkt. „So!“, sagte der Dicke befriedigt. „Die erste tragst jetzt wieder zruck, Madel, vielleicht wird’s mehr, wenn er’s a bissl stehen lasst.“
Da war es mit der Geduld der Kellnerin vorbei.
„Was erlauben Sie sich, mein Herr?“, fragte sie verärgert. „Ich bin doch nicht für Sie allein da! Wir haben auch noch andere Gäste.“
Sie wollte davoneilen, doch da hielt sie der gemütlich aussehende Dicke erneut zurück. Jetzt legte er erst richtig los.
„Für gewöhnlich bin i a grüabiga Mensch, aber dös hier schlagt dem Fass den Boden aus! So eine lächerliche Wirtschaft gehört polizeilich geschlossen!“, brüllte er.
Nun versuchte der Schankkellner den Gast zu beschwichtigen, doch auch er hatte keinen Erfolg. Schließich mischte sich ein am Nebentisch sitzender Gast in die Auseinandersetzung ein.
„Machen Sie doch nicht so viel Lärm um nichts!“, meinte er etwas hochtrabend. „Das Bier schäumt und wenn Sie es stehenlassen, wird der Schaum Bier. Man kann nicht einschenken wie aus einem Essigfass.“
„Sie, Herr Nachbar!“, sagte der Dicke darauf. „Wenn Sie moanan, der Schaum sei Bier, dann bstelln’s eana doch Seifenwasser, dös schäumt aa.“
Richtig erregt war er jetzt, mit seiner Ruhe war es vorbei.
„Mia war’s gnua, wenn mia oana vom Bier was sagen möcht! Sie ham noch net so vui gseng, wia i scho trunken hab! Glaam Sie ebba, dass i eanane Fensterglasl dazu brauch, um a richtige Maß z’kriang?“
„Ach was!“, winkte der andere Gast nun ärgerlich ab. „Sie sind ja gemein! Mit Ihnen rede ich gar nicht mehr weiter.“
Dazu kam es auch gar nicht, denn schneller als man es ihm zugetraut hätte, hatte der Dicke bei dem Wort ‚gemein‘ den Krug ergriffen und ihn über den Kopf seines Gegenübers geleert.
Nun entstand eine kleine Balgerei, ein paar weitere Bierchen gingen spazieren und dann machte der Dicke mit dem Schankkellner unversehens die Türe auf. Als endlich der Wirt erschien, verkannte er die Lage und verpasste dem Herrn mit dem Zwicker eine Ohrfeige, weil er dachte, dass dies der Stänkerer gewesen sei, der alle rebellisch gemacht hatte.
Inzwischen war der Dicke draußen, nur den obersten Hemdknopf hatte er eingebüßt.
„Na ja“, murmelte er, „bei so ana Arbeit, da geht’s eben nicht ganz glatt ab.“
Dann machte er sich recht zufrieden auf den Weg nach Hause.
Für ihn war die Welt wieder in Ordnung.