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Ruhetag Trier und Bulgarisches Miss(t)Verhältnis
ОглавлениеEs ist 7:00 Uhr frühen am Morgen.
>> Was habe ich lange geschlafen, ich war aber auch kaputt gestern! Oh je, was ist denn das? Meine rechte Hand ist voller roter Pusteln und es juckt. Ich glaube, ich habe mir die Krätze hier in diesem Loch geholt. Gut das wir heute Samstag haben, da sind ja zumindest die Apotheken auf! <<
Noch diesen Punkt auf meiner Liste zugeführt und gleich als erstes dort hin. Dann statte ich mich mit allen antiseptischen Sicherheitsmaßnahmen aus und jetzt aber zuerst wieder verschwenderisch duschen gehen.
Nachdem ich mein Fahrrad in Augenschein genommen habe, bin ich um acht Uhr in Richtung Stadt unterwegs, um sofort eine Apotheke aufzusuchen. Da diese jedoch so früh noch geschlossen sind, gehe ich erst mal zur Stärkung frühstücken. Der heiße Kaffee ist wieder eine Wohltat, dazu zwei belegte Käsebrötchen und das alles standesgemäß an der frischen Luft. Weil mir meine blühende Hand doch Unbehagen verschafft, geht’s um neun Uhr in die gegenüber befindliche Apotheke. Dort beruhigt mich der Apotheker postwendend, und meine Befürchtung „Krätze“ bekommen zu haben, trifft zum Glück nicht zu.
>> Allen Anschein nach sind das Milben oder Flohbisse, die sie sich eingefangen haben. Sie sollten dringend ihre Bettwäsche abkochen und die Matratze behandeln! <<, meinte der Apotheker.
>>Auch, wenn sie es nicht glauben, aber ich bin hier in Trier nur ein Hotelgast und überlege das Etablissement nach diesem Vorfall zu wechseln. <<, füge ich der Unterhaltung rechtfertigend hinzu.
Der Apotheker gibt mir eine Creme und rät: >>Sollte die Entzündung nach drei Tagen nicht verschwunden sein, suchen sie bitte einen Dermatologen auf! <<
Leider vertreibt die Apotheke keine Powerriegel, die, empfahl der Apotheker, solle ich mir in den einschlägigen Sportartikelgeschäften kaufen. >>Da muss ich ja auf jeden Fall noch hin. <<, entgegne ich dankend.
Um den Beipackzettel genau zu studieren, ordere ich noch einen zweiten Frühstückskaffee.
>>Ich bin aber auch ein Depp! Da habe ich extra einen ultraleichten Seidenschlafsack im Gepäck für die Refugien in Spanien und nutze das Teil in Deutschland nicht? <<
Denn eigentlich war die stinkende Bettwäsche Zeugnis genug, um hier vorsichtig zu sein. Also ab heute nur noch im eigenen Schlafsack und mit dem eigenen Kissen sowieso.
Ich habe dann die namenhaften Kaufhäuser aufgesucht, um das Problem mit der Staunässe zu beseitigen.
Weder eine der anwesenden Substituten von der Unterhosenfachabteilung noch die 2b Unterbevollmächtigte des 2a Stellvertreters bzw. der 1a Assistent wussten, was ich wollte. Alle teilen mir mit, dass es dafür keine Lösung gibt.
Erst in einem Fahrradfachgeschäft bekomme ich die für mich befriedigende Lösung. Die da lautet:
>>In den gepolsterten Fahrradhosen einfach keine Unterhose anziehen! <<, attestiert mir der Verkäufer.
>> Wie bitte, da wird ja alles verunreinigt? <<, gebe ich zu bedenken.
>> Ja und! Ob sie ihre Unterhosen waschen oder die Fahrradhose ist doch Jacke wie Radhose und glauben sie mir, die Radprofis fahren alle ohne Unterwäsche und außerdem sind die Fahrradhosen doch atmungsaktiv! <<, stellte der Verkäufer unbeeindruckt schlussfolgernd fest.
>>Ok, das leuchtet mir ein und diese kostengünstige Variante schont außerdem auch noch meinen Geldbeutel. <<, erwidere ich.
In diesem Fachgeschäft decke ich mich noch mit Kohlehydratriegeln und Kraftgel ein. Ich beschließe aber auf jeden Fall mit meinem Handy im Internet zu recherchieren, um zu checken, ob der freundliche und auf mich sachkundig wirkende Verkäufer Recht hat.
Da ich am nächsten Tag sehr früh aufbrechen wollte, besorge ich mir auch schon Obst und Getränke für meine ersten Stunden auf meinem Weg nach Metz.
Mit den Besorgungen durch, bin ich dann wieder zurück zum „Im Stübchen“. Ich entscheide, das Hotel nicht mehr zu wechseln, weil ich keine Lust auf Mini Konflikte habe und bitte die Pächterin, mir mein Bett neu zu beziehen.
>>Ja, keine Probleme, ische mache fur dich, du wolle heute Abend mitte esse Grillenfleisch, heute sein Barbecue?!<<, stammelte die Gastwirtin.
Den großen Holzkohlegrill hatte ich zuvor schon wahrgenommen und bestelle gleich einen kleinen Einzeltisch für 19:00 Uhr.
Die Gastwirtin geht auch sofort hoch und bezieht das Bett frisch, so hoffe ich).
>> Aber egal ohne Seidenschlafsack steige ich da sowieso nicht mehr rein. <<
In der Zwischenzeit sende ich kurz eine SMS nach Hause und gehe dann hoch, mit kurzem gezieltem Blick auf mein Fahrrad. Ich hole den Schlafsack hervor, kuschle mich ein und schlafe noch einmal für eine Stunde. Es ist 13:00 Uhr und jetzt steht Besichtigung auf meinen Plan, also auf und schnell etwas zu Recht gemacht, um auf Entdeckungstour zu gehen.
Ausgangspunkt ist wieder die Porta Nigra, denn daneben befindet sich auch ein Touristeninformationsbüro. Die Porta Nigra selbst stammt aus einer Zeit, als die Römer öffentliche Gebäude gerne aus großen Quadern errichteten.
>>Die größten Quader wiegen hier sechs Tonnen. <<, gibt die Mitarbeiterin des Touristenbüros bedeutungsvoll an. Von ihr erhalte ich einen kostenlosen Stadtführer und zwei Postkarten. Letztere schicke ich auch direkt an Volker Droste und Gisella vom Stein.
Überall in der Innenstadt sind mir gestern Nachmittag schon die kleinen Elefanten aufgefallen. Individuell gestaltet und versehen mit weltlichen Themen, hatte diese ein Künstler aufgestellt. Wie ich einer Tafel entnehme, ist dies die weltgrößte Open- Air- Kunstausstellung zum Schutz der Asiatischen Elefanten von einem Künstler namens Edith Rollinger- Simon.
Da diese kleinen ca. einen Meter großen Kunstobjekte in Sisyphusarbeit geschaffen wurden, nehme ich mir vor, jeden den ich antreffe, wenn auch leider nur kurz, anzusehen und wenigsten einige davon abzulichten. Ich fand es schon immer eine wunderbare Gabe, wenn Menschen sich mit selbst geschaffener Kunst auszudrücken und darüber mit anderen Menschen kommunizieren. Für mich eine gute Möglichkeit, so auf Missstände hinzuweisen und damit den schwächsten Gliedern der Gesellschaft nicht nur ein Gesicht, sondern auch eine Geschichte zu geben.
Dann geht mir durch den Sinn: >>Gerne würde ich einen dieser Elefanten für unseren Garten erwerben! >> Aber das jetzt zu organisieren? Vielleicht mache ich das später, nehme ich mir vor. Also, wenn ich wieder gesund Zuhause angekommen bin.
Ich lasse Miki und Kirsten einen kurzen Lagebericht per SMS zukommen, hier die Antwort der Beiden darauf:
>>Hallo unser Freuuuuund, das ist schön, dass es dir gefällt. Wir vermissen dich. Pass gut auf dich auf. Micky dein Freuuuuund und Familie. <<
Ich spaziere weiter hoch zum Hauptmarkt und entnehme meinem Stadtführer, dass die historische Marktumbauung mit Häusern der Renaissance, des Barock, des Klassizismus und des Späthistorismus zu zwei Dritteln bewahrt blieben.
Kurz vor dem Hauptmarkt führt rechts die Judengasse in das mittelalterliche Judenviertel. Mit der Vertreibung der Juden im Jahre 1418 aus der Stadt und dem Erz-Stift endete auch die Geschichte des Judenviertels. Heute befinden sich in der Gasse mehrere Gastronomie betriebe. Dieses Judenviertel ist sehr versteckt und für den Touristen, sofern er keinen Stadtführer oder Gide hat, eher schwer zu finden. Wie schön, dass ich genügend Zeit habe, diese Ruhe, die hier drinnen herrscht, richtig zu genießen. Ich nehme mir viel Zeit, um mir die historischen Häuserfassaden ausgiebig anzusehen.
Weiter geht es für mich dann zum Trierer Dom und auf der Hinweistafel steht geschrieben:
>>Der Dom. Mutterkirche des Bistums Trier. Kathedrale des Bischofs von Trier. Der Bischof und die Geistlichen des Domkapitels heißen Sie am Portal der ältesten Bischofkirche Deutschlands herzlich willkommen! <<
Dieses Gotteshaus ist ein einzigartiges Zeugnis abendländischer Geschichte und Kultur. Von der Römerzeit bis heute haben alle bedeutende Jahrhunderte an seiner „Einheit in Vielfalt“ mitgestaltet.
Bei meiner Besichtigung des Doms nehme ich schon am Eingang das angenehme Kühle Klima im Dom war. Jetzt wo es wieder 38 Grad warm ist, bringt mir der Besuch des Doms eine angenehme und willkommene Abkühlung. Die kostbarste Reliquie des Trierer Domes ist der Heilige Rock, die „Tunika Christi“. Die Echtheit kann wohl nicht eindeutig belegt werden, wobei es dem Christen mehr um die Symbolik, als um die garantierte Beurkundung geht. Die Reliquie weist hin auf Jesus Christus selbst. Seine Menschwerdung und die weiteren Ereignisse seines Lebens bis hin zur Kreuzigung und seinem Tod. Der ungeteilte und nahtlose Rock ist auch ein Zeichen der ungeteilten Christenheit und erinnert an die verbindende Kraft Gottes, wie sie im Trierer Pilgergebet zum Ausdruck kommt.
*So nachzulesen auf der Internetseite des Trierer Doms. Hier auch noch der Hinweis für Jakobuspilger*
-Trier ist aber auch Stadt am Weg auf den Pilgerstraßen nach Santiago de Compostela im äußersten Westen Spaniens und nach Rom. Seit dem Jahr 2003 kümmert sich die neu gegründete Sankt Jakobusbruderschaft Trier wieder um diese Pilger.-
>>Das habe ich bemerkt, siehe meine Notunterkunft. <<
Nachdem ich den Dom wieder verlassen habe, gehe ich zur Konstantin Basilika. Leider ist dieses evangelische Gotteshaus wegen einer Trauung geschlossen. Das macht aber überhaupt nichts, denn so kann ich in meinem Tagebuch Notizen aus dem Stadtführer übernehmen. Ich wollte aber unbedingt dort hinein, denn das hatte ich meinem Pfarrer Wolf aus Hilden ja versprochen.
Die sogenannte Basilika, der Thronsaal Kaiser Konstantins, ist der größte Einzelraum, der aus der Antike überlebt hat. Die Römer wollten durch die Architektur Größe und Macht des Kaisers ausdrücken, was ihnen hier besonders eindrucksvoll gelang.
Die riesige Halle ist so groß, dass ein sieben Sekunden-Nachhall auf die große Orgel antwortet. Die Ausmaße der Basilika verblüffen selbst im 21. Jahrhundert noch. Die „Aula Palatina“ ist 27,2 Meter breit, 33 Meter hoch, 67 Meter lang und mit der vorgelagerten Eingangshalle sogar 75 Meter.
Nachdem die Trauung vollzogen war, wurde der Zugang der Basilika wieder geöffnet und ich hole mir sofort meinen mit Datum vom 20.07.2013 versehenen siebten Pilgerstempel ab. Ich merke bei der Pfarrerin noch an, dass ich diesen Stempel grausam finde. Ein einfacher Schriftzug der da lautet:
>>“Konstantin Basilika Evangelische Kirche Zum Erlöser“ <<
>>In Anbetracht der historischen Geschichte dieses Bauwerkes und der einfachen Ausführung des Stempels ist wohl die Krönung Kaiser Konstantin mit einer Papyrus Rolle vollzogen worden. <<, merke ich der Pfarrerin gegenüber an.
>> Auch, wenn ich mich wiederhole, bitte erinnere mich irgendeiner daran, dass ich dieser Kirche einen anständigen Stempel spendiere! <<
Dieses beeindruckende Volumen der Basilika lädt mich zum Verweilen ein. Ich will alle Eindrücke aufsaugen. Die, wie ich finde, sehr hübsche Pfarrerin Kerstin König- Thul, erkundigt sich noch bei mir, zu meinem Vorhaben bis Santiago de Compostela zu radeln und wünscht mir Gottes Segen für meine Reise.
Unmittelbar neben der Konstantin-Basilika, quasi direkt um die Ecke befindet sich das Kurfürstliche Palais und es gilt als einer der schönsten Rokoko-Paläste der Welt.
Durch den Palast Park vorbei an den alten Stadtmauern erreiche ich das Amphitheater. Leider ist mir der Besuch in diesem Theater, bedingt durch eine Veranstaltung eines großen dunklen Brauseerfrischung Getränkeherstellers, zu kostenintensiv, so dass ich darauf verzichte. Ich habe aber auch nicht mehr so viel Lust und Kraft. Denn es sollte ja ein Ruhetag werden, und jetzt bin ich schon fast den ganzen Tag auf den Beinen und erkunde die Stadt Trier. Da es sich aber bis hier hin für mich gelohnt hat, und alles sehr interessant war, beschließe ich, jetzt nicht mehr das Geburtshaus von Karl Marx zu besichtigen, sondern nur noch den Tag in Ruhe ausklingen zu lassen.
Also habe ich erst mal wieder ein schönes Lokal aufgesucht und einen Kaffee Latte auf der schattigen Terrasse am Hauptmarkt zu mir genommen. Während ich die Pause genieße und das leichte Brennen in den Beinen verspüre, stelle ich für mich fest, dass die Römerbauten Triers zu Recht zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen.
Da ja heute noch „Mitte Esse Grille Fleisch“ auf meinem Menü Plan steht, und es fast 18:00 Uhr ist, gehe ich nach der Kaffeepause zurück in mein Schlösschen.
>> Wunderbar, es ist ja schon alles aufgebaut! <<, lobe ich und stelle fest, dass meine Wirtin jetzt sogar eine saubere Schürze über ihren langen grauen Baumwollkittel umgelegt hat.
>>Ich werde sowieso nur durchgegartes Fleisch essen. <<, beschließe ich in Gedanken.
Ich bin dann aufs Zimmer, natürlich nicht ohne, ja RICHTIG, nicht ohne nach meinem Rad zu sehen!? Dann mache ich mich für den Abend frisch und bin dann bewaffnet mit meinem Smartphone und meinem Notizbuch runter. Denn, ich hatte jetzt richtig Hunger!
Die Wirtin teilte mir in der äußersten Ecke des Pavillons einen kleinen Tisch zu und ich bestelle erst mal zwei kleine Bierchen, um meinen Durst zu löschen.
Da es in diesem Häuserdurchgang außer sanierungsbedürftigen Fassaden nichts zu beobachten gibt, aktiviere ich mein Internet, um die Sachen mit den Radprofis zu recherchieren. Und tatsächlich, die ziehen nur die gepolsterten Radfahrhosen auf das nackte Fleisch. Wenn ich das mal vorher gewusst hätte. Aber warum auch, es hat mich ja nie so richtig tangiert. Bei all meinen Tagestrecken war es nie so heiß. Und drei Tage in Folge bin ich noch nie über die 100 Kilometer am Tag gefahren.
>>Aber nicht ärgern Gerd, da hast Du wieder, wenn auch schmerzhaft, etwas dazu gelernt<<, schlussfolgere ich.
Ich öffne mein Notizbuch und halte meine Tageserinnerungen fest. Dabei registriere ich aus den Augenwinkeln, dass sich der Pavillon mehr und mehr füllt. Die entfachte Holzkohle lockt auch schon mit dem unverwechselbaren Geruch - Fleisch trifft Holzkohle und glühende Holzkohle küsst Fleisch!
Bei mir läuft beinahe der Sabber die Mundwinkel herunter. Jetzt aber schnell mein Büro geschlossen. Erst mal einen Salat vorab vom Buffet geholt, die erste Portion Fleisch geordert und den Bestellkupon dafür entgegengenommen. Der Salat schmeckt richtig gut und eine leckere Vinaigrette rundet den Geschmack fruchtig und passend zur Jahreszeit ab.
>>Geht doch<<, denke ich und spüre aufkommende Tiefenentspannung und Zufriedenheit mit mir und der Welt.
Es ist schon richtig voll jetzt. Ich wurde gerade aufgerufen, mir mein Muskelstück abzuholen, da kommt „Sie“ und Sie kommt zielstrebig - von weitem schon lautstark rufend auf mich zu. Das Licht am Ende des Tunnels erlischt.
Ja - es - erlischt - vor- meinen – Augen.
Ich bekomme sofort eine mittelschwere Gänsehautentzündung.
Diese Dame, groß gewachsen, in weißem knielangen Spitzenkleid, mit roten (ich konnte es am Klang hören, wenn der Stahlnagel auf Kopfsteinpflaster trifft) abgelatschten Stöckelschuhen und einem ins Auge stechenden feuerroten Lippenstift. Ihr Alter, um die 60 Jahre mit Rubensfigur. Die fette Speckplauze quillt über ihren grünen mit Pailletten versehenen Hüftgürtel bestimmend hervor und brennt sich in meiner Netzhaut ein. Ihre blonden mit Spliss belasteten dünnen schulterlangen Haare waren zu einem Mittelscheitel gestylt und hängen ohne Spannkraft flach auf ihre halslosen Schultern. Ihre fade und schlecht durchblutete Gesichtshaut mit den dicken Augenrändern und den aufgeblähten Wangen hatten nicht den geringsten Hauch von Glanz.
Da steht sie nun vor mir und stellt fest:
>>Ich gesehen, dass du alleine, kann ich mich setzen, da voll alles ist? << Ich nenne Sie, oder „ES“ einfach mal „Butterle“
>>Was soll ich machen, überleg… überleg? Du kannst das Dickerchen doch nicht stehen lassen, du bist doch immer mehr ein Pilger und bist entspannt, also was soll passieren? <<
>> Ja bitte. <<, antworte ich und hole meinen kleinen Pferdehals vom Grillmeister ab.
Ich packe mir noch eine gute Portion Gemüse dazu, denn heute ist der Tag der Trennkost. Ich schreite mit voll bepacktem Teller zurück zu meinem reservierten kleinen entzückenden Tisch. Denke erwartungsvoll, jetzt werde ich in aller Ruhe mein Essen zu mir nehmen.
>>Ich traue wohl meinen Augen nicht, was geht denn jetzt ab!? <<
>>Das meine Schwiegersohn und mein Tochter! <<, sagt Butterle.
Jetzt ist mein kleiner Tisch voll und mit der Ruhe wird es das dann auch gewesen sein.
Mit einem kurzen unzufriedenen:
>>Tag<<, erwidere ich die Begrüßung und setze mich auf den noch freien Platz.
Der Schwiegersohn, so ein zweimal zwei Meter Kleiderschrank und eine jüngere Frau zieren jetzt die Runde. Der abgebrochene Riese stellt sich und auch die Frau vor. Dann fangen alle durcheinander in ihrer landeseigenen Sprache an zu diskutieren. Ich spüre schon langsam, dass ich Temperatur bekomme und mir wird immer unwohler.
>>Diese Hektik jetzt an meinem Tisch, den habe ich nur für mich bestellt und jetzt das hier. <<
Ich versuche mich auf meine weitere Nahrungsaufnahme zu konzentrieren. Kann aber, aufgrund der hektischen Konversation, keinen klaren Gedanken mehr über den Geschmack und Qualität meines Essens fassen.
>>Am liebsten möchte ich die alle hier fortjagen, aber der große starke Mann blockiert mich. <<
Doch dann passiert etwas was die Erfinderin, des sieben Tagedeodorants, hätte besser bleiben lassen. Holt sich diese Urinsteinlutscherin doch eine Aldi -Zigarette heraus, steckt dieses Kraut an und haucht mir andauernd diesen Qualm immer wieder entgegen.
Ich spüre meinen Puls und ich wusste, dass mein Köpfchen wieder glüht. Mein Sohn Vincent pflegt dann immer anzumerken:
>> Papa du „Knick Licht“ entspanne Dich wieder. <<
Meine Phantasien reichen bis hin zum Äußersten.
>> Eh Alte, ich kotze dir gleich in deinen Hals <<, will es aus mir brüllen.
Aber was soll ich machen? Wenn der Riese ausholt und dich trifft, dann ist deine Pilgerreise hier und heute vorbei.
Da aber diese „preiswerte Bulgarische Hafen Etablissement Dame“ so meine Gedanken bzw. meine Signale überhaupt nicht zur Kenntnis nimmt, auf die ich durch starkes Räuspern und Husten hinweise, platzt mir der Kragen.
Der Pilgerstock im Arsch ersetzt kein Rückgrat und vollkommen egal, was mir da für ein Muskelpaket gegenübersitzt. Da die Sonne jetzt tief steht werfe ich als Zwerg auch einen großen Schatten und jetzt muss es raus: >> Also entweder machen sie die scheiß Zigarette SOFORT aus oder sie verlassen diesen Tisch <<, insistierte ich.
Butterle erlaubt es sich doch, mich erst einmal von oben bis unten zu bemustern und sagt mir dann belanglos ins Gesicht: >>Nix verstehen! <<
Jetzt kann ich nicht mehr innehalten und ich verspüre den Adrenalinschub und ergieße mich in etwas lauten Worten.
>> Was ist denn an Zigarette ausmachen nicht zu verstehen? Ich erlaube, dass Sie sich an meinen Tisch setzten dürfen. Sie erweitern die Runde ohne mich zu fragen. Sie besitzen die Unhöflichkeit sich lautstark in ihrer Muttersprache zu unterhalten, obwohl sie temporär Gast an meinem Tisch sind. Dann stecken sie sich diese Billigkippe in den Hals und verpesten die Luft damit, wodurch ich keinen Bissen mehr runter bekomme, weil sich mir der Hals zuschnürt. Und dann sagen sie allen Ernstes: „NIX VERSTEHEN“<<
Ich habe wohl sehr viel Metall in meiner Stimme gelegt, denn der mit Gästen prallvolle PVC- Saal ist auf einmal still, denn alle haben es mitbekommen und für kurze Zeit kann man die Achselhaare von Butterle wachsen hören.
In der Erwartungshaltung, dass der Riese sich jetzt mir zuwendet und mir den Kopf vom Hals schlägt, verharre ich in der noch erregten Situation. Ich bin physisch wie psychisch auf alles vorbereitet. Ich hatte mir folgende Szenarien akribisch ausgemalt. Wenn Goliath den kleinen Tisch umwirft und ausholt, um mich in den Erdboden zu stampfen, sofort ausweichen. Der darf mich nicht zu packen bekommen, denn dann ist es äußerst schlecht um mich bestellt. Ausweichen und dann fliehen ist eine gute Alternative für den Ernstfall, um einer bevorstehenden Pulverisierung zu entkommen.
Und dann, der Riese steht seelenruhig auf, und entgegen meiner Befürchtung, dass mein Leben nichts Gutes mehr für mich zu bieten hat, entschuldigte er sich mit tiefer Stimme für das Verhalten seiner Schwiegermutter bei mir und diktierte die beiden Damen vom Tisch.
Ich nehme erst mal einen Schluck und merke wie sich mein Herz- und Pulsschlag langsam normalisiert, bin mir aber in keinster Weise einer Schuld bewusst, denn ich bin im Recht.
Das Trio packt seine Habseligleiten zusammen und trottet ab. Die zugezogene Schlinge um meinen Hals löst sich und ich bekomme wieder Luft. Ich bemerke noch, dass der Fleischberg sein rechtes Bein nachzieht.
>> Da lag ich also mit der Option „Weglaufen“ gar nicht so verkehrt. <<
Also, wenn Blicke töten könnten. Einige Plätze weiter ein Migration-Rauchertisch. Dort rücken Sie zusammen und ich fühle mich noch den Stichen dieser Augen ausgesetzt, stehe aber jetzt über den Dingen und verspeise nach diesem kleinen Intermezzo mein fast kaltes Fleisch.
Ein junges Pärchen, welches sich in Unwissenheit darüber was vor wenigen Minuten vorgefallen war, zu mir an den Tisch setzten will, wird von mir höflich aber bestimmend abgewiesen.
Ich zücke noch schnell mein Tagebuch hervor und muss dieses Ereignis noch in Stichpunkten für die Nachwelt festhalten. Dabei komme ich zu folgendem Ergebnis:
>>Jeder blamiert sich so gut er kann. <<
Das war alles in allem heute ein sehr stimmungsreicher Tag. Ich beschließe zu zahlen, denn die Blicke sind nach wie vor kontaminiert und nichts spricht gegen einen Verdauungsspaziergang, bevor der Alkoholkonsum die Zunge meiner Kontrahentin doch noch löst.
Nach einer Stunde habe ich für heute genug. Bewege mich also auf mein Zimmer. Dort packe ich alle meine Sachen schon grob zusammen, schlüpfe in meinen Seidenschlafsack und schlafe nach einer kurzen Weile ein.
Fahrzeit am 20.07.2013: 00:00 h
Höchstgeschwindigkeit: 00:00 km/ h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 00:00 km/h
Tageskilometer: 00,00 km
Gesamtkilometer: 359,91 km (immer noch)