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Jetzt geht’s Los

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Alles verstaut und abreisebereit. 1

5:00 Uhr früh morgens. Wie immer brauche ich keinen Wecker, natürlich habe ich schlecht und zu wenig geschlafen, aber das Reisefieber bringt meinen Puls schon in den Aktivmodus und bald geht es ja los.

Es ist ein wunderbarer Sommertag und es soll die ganze Woche trocken und sonnig mit um die 25°C werden. Also ideales Radfahrwetter. Zuerst mal einen guten Kaffee gemacht und schön auf unserer Terrasse gesetzt und diesen „Hallo – Wach“ sehr genießen. Hoffentlich, so schießt es mir durch den Kopf, bekomme ich unterwegs von meiner Nikotinersatzdroge mindestens die gleiche Qualität! Wie schön es hier doch ist! Unser pflegeleicht angelegter Garten ist im satten Grün des Sommers getaucht. Mittlerweile sind die Tulpen und der Ginster, sowie der Flieder verblüht. Rechts von der Terrasse haben wir vor 3 Jahren eine schnell wachsende Leylandii – Zypresse angelegt. Links grenzt alter Baumbestand die Blumenbeete ein. Vor Kopf steht ein Gartenhaus, welches verschwenderisch schön mit weißen blühenden Kletterrosen protzt. In der Mitte steht ein ca. 5 Meter hoher Süßkirschbaum mit bemerkenswert vielen Kirchen dieses Jahr. Dieser große Kirchbaum spendet in den heißen Sommertagen genügend Schatten, sodass wir auf der Terrasse sitzend ein herrliches Mikroklima verspüren. Diverse Singvögel begrüßen mich mit ihrem wunderbaren Gezwitscher. Alles ist gut!

Vor einigen Monaten ließ ich unserem Pfarrer, Herr Wolf, eine E-Mail mit dem Inhalt zukommen, dass ich den Jakobsweg von unserer Gemeinde Hilden bis nach Santiago de Compostela fahren möchte und erbat von ihm meinen ersten Reisestempel in meinem Pilgerausweis. Pfarrer Wolf stimmte sofort zu und nachdem er von meinem Vorhaben ausführlich erfahren hatte, bot er mir an, den Reisesegen zu erteilen. Scherzhaft fragte er noch, ob ein Platz frei wäre? Aber ich sagte, er könne unmöglich von seinen Lämmern so lange entfernt bleiben. Da ich sehr früh loswollte, denn von Hilden bis Koblenz sind es fast 160 Kilometer, räumte er mir ein, dass ich den genauen Zeitpunkt bestimmen dürfte.

Ich hielt 9:00 Uhr für eine gute Zeit. Zum einen, um mein Tagesziel zu erreichen und zum anderen hatte ich noch an einige Freunden eine E-Mail geschrieben, dass es am 17.07.2013 früh morgens von der Friedenskirche losginge.

Da es eine denkbar arbeitnehmerfeindliche Uhrzeit war, kamen natürlich auch nur sehr wenige.

>>Ich danke hier schon mal meinen Freund „Miki“ mit seiner Frau Kirsten, „Mumsi“ und dessen Bruder Tobias, dass ihr es einrichten konntet! <<

Hier mein Schreiben per E-Mail an einige Freunde.

Hallo zusammen,

Juhuuuuu Freuuuuuu..........

Nächste Woche geht es los.

Am Mittwoch den 17.07. bekomme ich noch um 9:00 Uhr vor der Friedenskirche im Hildener Norden von Pfarrer Y. Wolf den Pilgersegen. Drückt mir die Daumen, dass ich auf meiner Tour von Hilden bis Santiago de Compostela durchhalte und keine physischen Belange mein Vorhaben stoppen! Da es jetzt um die 3000 km Radtour sind, wurde die örtliche Presse (Wochenpost) aufmerksam und wird ein Bild von der Abfahrt machen sowie wöchentlich einmal berichten.

Ich danke hier schon mal den Unterstützern für diverse Hilfsmittel wie: Schuhe, Radhosen, Sonnenschutz, Vaseline, Kopfbedeckung, etc. etc.! Danke auch für den Zuspruch vieler Interessierter und für die vielen und anregenden Unterhaltungen bzgl. meiner Pilgertour1

Gruß Gerd

Hier die Antwortschreiben:

-Björn Beck -

Wir wünschen Dir auch viel Kraft und Ausdauer für die Pilgerreise.

-Steffi und Jochen Schmack-

Hallo Gerd,

wir wünschen dir eine gute Reise, viel Durchhaltevermögen und vor allem unvergessliche segensreiche Erfahrungen. Toll, dass du das machst.

Liebe Grüße

Jochen und Steffi Schmack

Gesendet: Freitag, 12. Juli 2013 um 05:44 Uhr

-Rene Simon- (Hammer Dein Einfallsreichtum)

Moin Gerd,

falls wir uns nicht mehr sehen, wünsche ich Dir alles Gute. Lass es ruhig angehen…;-) Über einen (täglichen?) Zwischenbericht würden wir uns sicherlich sehr freuen! Ich hoffe, Du kommst gut durch…;) … und komm uns heil zurück…;-)

Mit freundlichen Grüßen René Siemon

-Conny Loose-

Lieber Gerd,

Auch von uns alles, alles Liebe, eine gute Fahrt und ganz großen Respekt! Komm heil wieder nach Hause :-)

LG Conny, Steve & Katharina

-Fam. Barbara Klasen-

Hallo Gerd,

ich drücke auch die Daumen und wünsche Dir gutes Gelingen.

Gruß Babsi

-Gerda Hans Suchy-

Hallo Gerd wir wünschen dir viel Glück bei deiner Tour.

Möge dein Popo durchhalten. Lg. Gerda und Hans

-Birgitt und Rick Ammerling-

Lieber Gerd,

wir wünschen Dir eine schöne und interessante Tour und vor allem VIEL SITZFLEISCH!!!! Wir sind gespannt auf Deine Erzählungen und Fotos!

LG Birgitt & Rick

-Gerold Lange-

Also das klingt ja toll! Auch von dem Rest der Familie und mir noch mal gutes Gelingen und komme gesund wieder, weil anders wäre nämlich schlecht!!! Wir wünschen Dir viele schöne Eindrücke und gute Erfahrungen!

Liebe Grüße

Gero und der Rest

-Thomas Loibl-

Geht die Tour auch mit dem Motorrad :-)

Alles Gute und Hut ab!

Lieben Gruß Thomas

-Fridolin von der Mücke-

Hallo Herr Lange,

leider sehen wir uns vor Ihrem Kurztrip ja nicht mehr zum WLAN Kaffee.

Ihnen auf dem Trip alles Gute und immer einen Tropfen Öl auf der Kette.

Wir sehen uns dann im September - vor meinem TRIP...

Alles Gute.

Fridolin von der Mücke

-Willi Eich-

liebe Grit und lieber Gerd,

vielen Dank für euren Geburtstagsgruß. Habe mich sehr darüber gefreut, dass ihr an meinen Geburtstag gedacht habt.

Liebe Grüße Willi

P.S.: Gerd, ich wünsche dir, dass du dein gestecktes Ziel, (Jakobsweg in Spanien), gesund und erfolgreich absolvierst.

Werde mir die Wochenpost Hilden organisieren. Viel Glück und Ausdauer, bis bald.

-Birgit Bozen-

Hallo Gerd,

wir wünschen dir Durchhaltevermögen, Gesundheit und Gottes Segen auf deiner Pilgertour. Da hast du dir ja

was vorgenommen. Hoffe, dass das Wetter mitspielt und es nicht zu heiß wird. Melde mich nach dem Urlaub.

Bis dahin alles Gute Birgit und Anhang

-Daniel Clasen-

Mensch Gerd geht bald los.

Hatte eigentlich vor am Mittwoch ein kurzes Stück dich zu begleiten, habe aber einen Termin,

so dass ich dir auf diesem Wege eine schöne, erfolgreiche und unfallfreie Fahrt wünschen möchte.

Lieben Gruß auch im Namen von Susanne, Hanna und Julian

Daniel

-Dennis Suchy-

Hallo Gerd, Jetzt bin ich etwas spät dran mit Antworten und vielleicht bist du auch schon wieder zu Hause, da du ja schnell wie der Sausewind bist. ;-) Hoffe es klappt alles und das du bei deinem Abenteuer Spaß hast. Mit einem Pedalec würde ich auch mit(fahren). ;-)Bis die Tage…Liebe Grüße Dennis Suchy

Die Anteilnahme ist echt überwältigend, gut, dass es solch geile Freunde gibt. Mein Dank gilt natürlich auch den vielen Menschen, die mich angerufen haben oder Ihre Glückwünsche persönlich überbrachten.

Meine Lieblingstochter Viviane, sportliche Figur knappe 50 Kg Kampfgewicht, 160 cm groß, hat sich schon vor Monaten angemeldet und angekündigt, dass Sie mich bis Koblenz radelnd begleiten wolle.

>>Nur zu<<, sagte ich, aber in Gedanken habe ich mich schon schnell erwischt >>Verdammt, ich wollte doch keinen ausgeworfenen Anker hinter mir her schleifen<<.


Mir schoss sofort folgende Erinnerung ins Kleinhirn. Einige Zeit verbrachte Vivi mit mir, um Sport zu treiben. Wir sind mehrere Male nach Essen gefahren und umrundeten den Baldeneysee mit Inlinern. Dies bereitete uns sehr viel Spaß. Vivi war und ist immer noch um Längen besser als ihr alter Vater. Einmal ist die Kleine dann mit mir Rad gefahren. Mittlerweile war ich auch schon im Bergischen Land sehr viel unterwegs gewesen und kannte so einige Touren, die so gut 70 – 100 Kilometer betrugen.

Da ich die Route Solingen - Haan- Gruiten - Mettmann - Wülfrath - Wuppertal - Solingen wählte, die so rund 75 km mit einigen Bergen oder wie ich heute sagen würde mit einigen Hügelchen aufwartete, teilte mir Vivi vor einer Spitzkehre (Es ging einen Hügel hoch) unmissverständlich folgendes mit:

>> „PAPA ICH SPÜHRE MEINE BEINE NICHT MEHR.“<< Über diesen Spruch lachen wir heute noch.


Nachdem über einige Wochen die Sache immer wieder mal thematisiert wurde, einigten wir uns darauf, dass Vivi nur bis nach Köln mitkommen würde.

>>Puh… noch mal gut gegangen. <<

Nicht dass ich die Kleine nicht gerne hätte oder ungern mit ihr zusammen wäre, aber die Tatsache, dass ich jeden Tag Strecke machen wollte und Vivi in letzter Zeit wenig oder besser gar kein Fahrrad gefahren war, verhieß nichts Gutes für mein gesetztes Tagesziel. Nichtsdestotrotz, eine sehr liebe Geste, die ich von Herzen und gerne angenommen habe. Aber nur bis Köln war mir lieber. Da Vivi`s Fahrrad noch vom Umzug - Hamburg nach Hilden - bei uns stand, und es nicht gerade in einem fahrbaren Zustand war, erledigte ich dies auch noch kurz.

Vivi kommt wie verabredet um 7:30 Uhr mit Brötchen und wir starten den Tag mit einem letzten gemeinsamen Frühstück im kleinen Kreis unserer Familie. Da sich ja die örtliche Presse für 9:00 Uhr an der Kirche angemeldet hatte, ist es ab 8:00 Uhr vorbei mit meiner inneren Ruhe.

>>Hatte ich auch wirklich nichts vergessen und sind alle Leute instruiert? <<

Eigentlich war der Trip perfekt und straff organisiert, denn ich habe ja auch lange auf die Abreise hingearbeitet. Alles, was um halb neun nicht dabei ist, wird später gekauft oder besorgt. Also entspann dich Gerd! Nur noch zwei Flaschen Wasser in den vorgesehenen Trinkflaschenhalter und den Tacho mit allen wichtigen Eckdaten auf null gestellt. Die kombinierte Puls-Uhr und den Brustgurt angelegt, denn ab heute werden auch die verbrannten Kalorien festgehalten. Mal sehen, was du am ersten Tag so vom überflüssigen Hüftgold verlierst.

Es ist 8:45 Uhr. Wir, also meine Frau Grit, Vincent, Vivien und meine Wenigkeit machen uns auf den Weg zur Friedenskirche, die in 3 Minuten zu Fuß zu erreichen ist. Wir sind gerade aus der Tür heraus, da klingelt schon mein Handy.

Der –Mumsi – in seiner sehr eigenen durchdringenden aber herzlichen Art,

>>Wo bleibt ihr denn, es ist schon viertel vor neun und alle sind da? <<

Da ich gleich um die Ecke biegen würde und sowieso alle sehen würde, sagte ich zu ihm:

>> Bleib ruhig, es ist alles abgesagt worden, ich fahre doch nicht, habe keine Lust mehr! <<

Als ich dann um die Ecke biege, grinst Mumsi zufrieden. Mein Freund Mumsi, der singulär maskulin inkarnierte Heinz Erhardt, immer sehr hilfsbereit, äußerst zuverlässig und manchmal trägt er sein Gehirn auf der Zunge und ist zuweilen penetrant aber in sich ruhend.

Da Mumsi am 18.07.2013 eine Abspeckkur antreten würde, drückte ich ihm dafür schon vor meiner Abreise die Daumen und zollte ihm meinen Respekt, dass er den Hebel im Kopf nun umgelegt hatte. Ich erinnere mich noch an Folgendes:


Wir karrten meine letzte Ladeneinrichtung von Osterhauderfehn in Ostfriesland nach Hilden. Was hatten wir alles an einem Tag geschafft, geschleppt und geschwitzt. Alles für die Kinder. Ist ein gutes Argument, wenn es darum geht, Dinge zu erwerben, die auch einen gemeinnützigen Zweck erfüllen könnten. Da wird der Verkaufspreis gerne mal nach unten oder oben korrigiert. So geschehen in Osterhauderfehn. In einem großen Lebensmittelgeschäft war im Eingangsbereich eine Bäckerei als Untermieter. Eine Spiegelwand diente dem Ladeninhaber als Paketdienst - Annahmelager. Weil ich aber eine Bäcker - Ladeneinrichtung für 230,- € über das Internet erworben hatte, gehörte diese Spiegelwand dazu. Für diese vier Elemente jedes 2,50 x 1,20 Meter hatte ich überhaupt keine Verwendung und mir graulte es schon vor dem Abbau. Der Inhaber hatte schon beim Mumsi durchklingen lassen, dass er für den Preis auch alles gekauft hätte. Da er immer schon ganz nervös um mich herumspazierte, sagte mir meine innere Stimme, der will doch etwas.

>>Wenn Sie die alten Spiegel nicht brauchen, was möchten Sie denn dafür haben? Aber ich zahle auf keinen Fall den Preis, den sie für alles gezahlt haben<<

Aha, da tut sich doch was!

>> Also wissen Sie, das ist doch für ein Schülerkaffee und eigentlich alles für die Kinder, die brauchen doch jeden Cent. Also für 180,- € lass ich die Teile hier<<. Er gab mir 150,- €

Er hatte somit ein gutes Gefühl etwas zum Gemeinwohl beigetragen zu haben und ich war heilfroh, dass ich den „Mist“ nicht mitnehmen musste.


Ich nehme freudig zur Kenntnis, dass noch drei meiner Freunde am Start sind. Wir begrüßen uns herzlich und ich nehme auch den Fotografen von der Hildener Wochenpost wahr. Herr Kämmerer, der Chefredakteur, hatte mich am Telefon zu meinem Vorhaben schon zwei Wochen vorher interviewt und wir sind so verblieben, dass ich ihm wöchentlich ein paar Fotos und Tour Berichte zukommen lasse. Wie ich später zu berichten habe, war dieses einige Mal leichter gesagt als getan. Ich habe da so einige Stunden mit verbracht und wunderte mich, dass bei einem Aufwand von 20 Stunden nur so verschwindend wenig berichtet wurde.

Pfarrer Wolf nimmt uns in Empfang und wir gehen in die Kirche. Nachdem wir noch einigen Leuten ein kurzes Statement geben, geht es zügig zum Altar. Also den Wortlaut des Reisesegens kann ich beim besten Willen nicht mehr wiedergeben. Ich erinnere mich aber noch sehr genau, dass Herr Pfarrer Wolf für mich eine Kerze entzündete und diese Kerze sollte nun jede Woche zur Sonntagsmesse für mich leuchten. Wenn ich wiederkäme, so möchte ich bitte am darauffolgenden Sonntag zur Messe kommen, dann würde die Kerze entfernt werden. Ich habe mir das fest vorgenommen, denn ich war echt gerührt.

Es ist ca. 9:15 Uhr und vor der Friedenskirche muss ich für den Fotografen posieren. Einige Male an ihm vorbeifahren, damit er mich richtig trifft.

>>Aufregend, ich bin der Protagonist und voll wichtig. < <

Ich fühle mich zeitversetzt und an meine frühere Mikro Boxerkarriere beim Boxring Hilden erinnert. Wenn die Tagespresse uns ablichtete und wir uns später in der selbigen wiederfanden. Es ist sehr schön, dass sich Menschen für einen interessieren. Immer dienstags sollte dann ein Artikel in der Wochenpost erscheinen. Ich fand es bewegend, dass es dem Chefredakteur so viel wert war, dass ich in der Ausgabe vom 23.07.2013 auf der Titelseite erschien.

Folgende Überschrift trägt die Story:

Gerd Lange ist >>dann mal weg<< Hildener begibt sich per Fahrrad auf den Jakobsweg

Hilden (ak). sagt der Hildener. »Im vergangenen Jahr habe ich am Nordkap viele Menschen auf dem Fahrrad gesehen. Das hat mich zu dieser Herausforderung inspiriert. «Normalerweise betreibt Gerd Lange einen Kiosk in seiner Heimatstadt. Der wird während seines Ausflugs geschlossen bleiben. »Das ist schon ein Luxus, den sich nicht jeder leisten kann«, ist sich der unternehmungslustige bewusst. »Ich will meinem Körper zurückgeben, was er mir gegeben hat – durch eine Fastentour«, sagt Gerd Lange. Zehn Jahre lang musste er sich darauf vorbereiten, denn sein Vorhaben ist äußerst ehrgeizig: Mit dem Fahrrad will der 53-Jährige von Hilden aus auf dem berühmten Jakobsweg bis nach Santiago de Compostela gelangen. Am vergangenen Mittwoch fiel der Startschuss an der Friedenskirche – standesgemäß mit dem Segen des PfarrersYorck-Peter Wolf. Etwa 3.000 Kilometer ist die Route lang. Sechs Wochen Fahrzeit hat er dafür eingeplant. Ein Buch wie von Hape Kerkeling soll am Ende zwar nicht dabei herauskommen. Mit der WOCHENPOST aber hat er vereinbart, regelmäßig per moderne Kommunikationsmittel einige Eindrücke von seiner Pilgertour zu übermitteln. Wir sind gespannt auf seine Berichte. Ihm geht es weniger um religiöse Beweggründe. »Vielmehr möchte ich meine Grenzen kennen lernen«

Es ist fast 10:00 Uhr. Jetzt wird sich noch herzlich von Ehefrau Grit und Sohn Vincent, sowie dem kleinen Kreis der genannten Anwesenden verabschiedet. Jetzt, wo die Kür absolviert wurde, erfolgt die Pflicht.

>> Auf geht’s Vivi<<.

Kirsten ruft mir noch einige Male nach,

>>Gerd, du musst Dich unbedingt umdrehen<<, was ich natürlich sehr gerne machte.

Denn ich will ja auf jeden Fall wiederkommen. Eigentlich habe ich noch eine „Ich-könnte-ja-Option“ mit Miki und Kirsten vereinbart. Sollte ich zeitig am Ziel sein, so nähme ich eventuell einen Flug zu Ihnen nach Ibiza, um noch ein paar Tage auszuspannen. Mal schauen.

Den Weg nach Köln findet mein Fahrrad fast alleine, denn diese Tour sind wir schon, gefühlte 1000-Mal gefahren.

Knapp einen Kilometer von der Friedenskirche entfernt gelangen wir in den Hildener Stadtwald. Von hier aus geht es kurz vor dem Waldbad über die Elberfelderstraße. An der Waldkaserne und am Licht- Luft und Sonnenbad vorbei, überqueren wir die Walderstraße und fahren weiter in Richtung Engelsberger Hof. Vorbei an Pferdehöfen, Gärtnereien und der Wichermühle in Langenfeld. Jedes Mal, wenn ich an der Wichermühle vorbeifahre, fällt mir ein Gelage ein. Die Mühle war in den 1986 achtziger Jahren berühmt berüchtigt für seinen Beerenwein. Was haben wir uns hier einmal abgeschossen. Nichts ist drinnen geblieben, >> Nee, Nee das schöne Geld<<, alles im Wald gelassen.

In Langenfeld, am Segelflugplatz führt ein kleiner Weg weiter durch den Wald, grob entlang an der A 3, die für die nächsten Kilometer als Orientierung dient. Wir verlassen den Wald und fahren neben der Schnellstraße und der dahinterliegenden A3 Richtung Opladen.

Hier in Opladen gibt es ein formidables Restaurant, das „Stippenhüschen“. Der Inhaber Achim kredenzt einen geilen „Pferdehals“, genannt auch:

>>Rinderfilet Master Exquisit<<.

Wenn man möchte und genügend Kleingeld hat, auch in der XXXL- Ausführung mit mindestens 400 Gramm. Dann dazu gedünstete sekundäre Pflanzenstoffe der Saison. Was für ein Trennkostgedicht und -gericht. Wir haben hier schon einige Nächte mit unserem Tupperclub verbracht! Aber auch der Würger hat hier zugeschlagen, von dieser Aktion werde ich noch zu berichten haben.

Aber keine Zeit jetzt, ich muss Strecke machen. Ich will, wie gesagt, noch heute in Koblenz ankommen. Hier hinter Opladen führt der weitere Verlauf hinter einem bekannten Schnellrestaurant, rechts vorbei wieder in ein Waldstück und nach kurzer Wegstrecke erreichen wir Leverkusen. Der Rhein, der bis nach Koblenz mein Wegweiser sein wird, zeigt sich jetzt schon hin und wieder mal.

Nicht unbemerkt nehme ich zur Kenntnis, dass es Vivi kaum noch auf dem Sattel hält.

>>So ein Sattel kann schon drücken<<, merke ich an.

>> Never<<, antwortet Vivi auf meinen Vorschlag, dass ich noch gepolsterte Radhosen habe, die ich ihr vor der Abreise auch schon wärmstens aufdrängen wollte. Aber bis Köln sind es ja nur noch knapp 20 Kilometer.

In Leverkusen gibt es seit einigen Jahren nach der Landesgartenschau einen wunderbaren Park, den Neuland Park. Hier legen wir Rast ein, um zu verschnaufen. Wir halten vor einem exotischen chinesischen Drachenpavillon und schwelgen in Erinnerung an unsere früheren Urlaubsreisen nach Thailand. Das Wasserfest „Songkran“, das wir einmal in Pattaya erlebt haben.

Hierzu sei zum besseren Verständnis folgendes angemerkt: Songkran ist das traditionelle Neujahrsfest nach dem thailändischen Mondkalender. Das Wort „Songkran“ stammt aus dem Sanskrit und bezeichnet den Übergang der Sonne von einem Tierkreiszeichen zum nächsten. Die Hände der Mönche und auch älterer Menschen werden mit Wasser benetzt. Es gibt aber auch die Hart Core Variante und hier fühlten wir uns angesprochen.


Ich kaufte Vivi auf dieser Reise eine übergroße Wasserpistole oder besser gesagt einen mobilen Mini- Wasserwerfer und sie hatte einen riesigen Spaß damit, die Passanten aus unserem fahrenden Wrangler Jeep mit einem gezielten Schuss zu treffen.

Die Menschen beschmieren sich zu „Songkran“ mit in Wasser aufgelöster Kreide oder bewerfen sich mit Eimern, die voll sind mit einem Wasser- Kreidegemisch. Nachdem dann das Wasser verdunstet ist, sieht man aus wie ein Zombie oder man denkt, man sei in Amerika auf einer Halloween Party.

>> Was hattest du einen Mords Spaß<<

Mir war auf einmal sehr komisch, als ich in einer „Rechtskurve“ (Man achte auf die Details), in Thailand herrscht Linksverkehr und in dem Jeep, den ich eigens für unseren Urlaub zwei Wochen gemietet habe, plötzlich der Beifahrersitz leer war.

>> Vivi …um Himmel Willen, wo bist du!?<<, rief und dachte ich.

Die ganze Beifahrervermissten- Aktion dauerte keine 20 Sekunden. Aber mir kam es wie eine kleine Ewigkeit vor.

Ich stellte mir schon die Horrorszene vor:

> >Sirenen der Rettungsfahrzeuge und Not- Ambulanz. Der Hubschrauber findet keinen Landeplatz, da die Straßen voll sind mit Songkranverrückten. Sanitäter rufen nach Blutspender „A Rhesus negativ“. Ich komme nach Kambodscha zu den roten Khmer ins Gefängnis. Muss in den Tagebau und in der sengenden Hitze nach Rubinen zu suchen. <<

Aber, keine Schreie, keine quietschenden Reifen und auch keine rotierenden Geräusche von Hubschraubern, denn eine mir vertraute kindliche Stimme rief:

>> Hier, hier, hier! <<

Ihr kleines braungebranntes Gesicht sah mich leicht erschrocken an und ihre von der Sonne ausgeblichenen blonden Haare wehten leicht im Wind, wobei blonde Strähnen ihr Grinsen bedeckten. Dann rief sie:

>>Hier bin ich Papa, es ist nichts passiert, bitte lass uns weitermachen, es ist sooooo lustig! <<

Im Fahrzeug waren zwar Sicherheitsgurte, diese hatten wir in unserem fahrenden Panzer leider nicht angelegt, denn was sollte schon passieren in der Stadt. Und Türen, na ja Fehlanzeige? Der kleine Kacker war einfach der Fliehkraft ausgesetzt und hielt sich nicht fest, da sie ja in erster Linie damit beschäftigt war, Menschen mit dem Inhalt ihres Mini-Wasserwerfers zu überraschen.

Meine Aufsichtspflicht und das Bewusstsein waren bis zu diesem Tag noch nicht ausgereift genug, um das Risiko zu umreißen.

Gott sei Dank, bog ich nicht schnell ab! Passiert ist außer kleineren Schürfwunden nichts. Seit diesem Erlebnis wird immer der Sicherheitsgurt angelegt.


Nach dieser Rast geht es dann weiter über die Leverkusener Rheinbrücke. Flussaufwärts werde ich auf dieser Seite bis nach Koblenz bleiben können. Wir fahren noch einige Kilometer und ich bemerke, wie es immer stiller hinter mir wird.

Vivien hält es kaum noch im Sattel, sie steht nur noch in den Pedalen.

>>Papa, wie weit ist es noch? <<

>>Bis zum Kölner Dom sind es noch circa 10 Kilometer Vivi...gleich sind wir da, halte durch! <<, spreche ich.

Bis auf die „Ford Werke“ in Köln können wir schön am Rhein entlangfahren und nach weiteren fünf Kilometern erreichen wir die Rheinuferstraße, die direkt bis zum Kölner Dom führt.

Trotz massiver Kampfansage zwischen Sattel und Vivi`s Hintern, beißt sich die Kleine durch und so erreichen wir den Kölner Hauptbahnhof.

Zwangsweise befördern wir unsere Räder in schiebender Weise durch die Menschenmassen des Bahnhofes, bis wir den Haupteingang passieren und vor uns der Kölner Dom im vollen Glanz eines wirklich wunderbaren Sommertags erscheint. Da Vivien den „Ich fahre auf keinen Fall mehr Rad“ Blick aufgelegt hat, benutzen wir den durch Zufall gefundenen Fahrstuhl, um damit auf die Domplattform zu gelangen. Und so bleibt uns noch einige hundert Meter Schieben erspart.

Da ich mich schon fernmündlich für den Eintrag des Pilgerstempels angemeldet hatte, weiß ich, wo ich mir diesen abholen kann. Vivien nutzt die Gelegenheit, um ihren Nikotinhaushalt wieder aufzufrischen und schmeißt sich ein paar Glimmstängel rein. Auf dem Weg zum Glockenmeister erinnere ich mich noch an „Hoppi“ einen früheren Stammtischler. Ein 1,90 Meter großer, dunkler Typ und Brillenträger, sehr sympathischer Mensch oder jetzt auch Geistlicher. Zuerst hatte er Lehramt studiert und dann zur Theologie übergewechselt. Jetzt residiert er als Domvikar im Kölner Dom.

>>Wenn der Mal sein Auto abstößt, werde ich es kaufen und sollte er Papst werden, so ist die Karre ein Vermögen wert. <<

Spaß beiseite. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, dass der Domvikar Tobias Hopmann, genannt „Hoppi“ mir noch in diesem Jahr im Oktober begegnen wird und zwar anlässlich der Taufe von Tom Simon. Nach der Taufe gibt es noch eine Miniführung durch den Hochaltar- Bereich und wir dürfen untern den „Dreikönigenschrein“ schreiten. Der Kölner Dom ist das meist besuchte Bauwerk Deutschlands so berichtet „Hoppi“.

Nachdem ich meinen ersten großen Stempel, denn den habe ich mir auch nach gefahrenen 35 km verdient, im Pilgerausweiß erhalte, gehe ich zurück zur Tochter und präsentiere ihr stolz diesen Stempel.

>> So, wo gehen wir denn Frühstücken? <<, frage ich.

>> Also von mir aus müssen wir nichts mehr suchen und wenn Du möchtest, kannst Du gerne weiter Richtung Koblenz fahren Papa! <<

Gesagt und getan, ich hatte auch das Gefühl, jetzt mal endlich Gas geben zu wollen. Wir verabschieden uns herzlich voneinander, drücken uns kräftig und versprechen, dank moderner Kommunikationsmittel im ständigen Kontakt zu bleiben. Dass meine geliebte Tochter, sich nahe dem Kölner Hauptbahnhof befindend, mit dem Fahrrad wieder nach Hause fährt, bedarf keiner weiteren Ausführungen.

Es ist, wie bei diesem schönen Tag anzunehmen, auch richtig brutal voll und ich muss mein Rad teilweise noch bis zum Rhein schieben. Nach dem Passieren des Schokoladenmuseums lichtet sich das Menschenaufkommen und ein Fahren im aeroben Zustand wird möglich.

Gleich hinter Köln der erste Wegweiser.

>> Wie geil ist das denn, Hammer, ein blauer Aufkleber mit gelber Pilgermuschel auf einem Straßenschild! <<, merke ich lautstark an. Es war ja keiner da den ich störte, aber selbst wenn, egal! Ich bin also auf dem richtigen Weg.

>>Was für ein schönes Gefühl, jetzt bin ich ein Peregrino! <<, dachte ich mir.

Den Rhein bei diesem Kaiserwetter entlang zu fahren oder wie ich jetzt empfinde, zu gleiten, ist ein sehr schönes Gefühl. Der ständige Wechsel von Schatten in der jetzt fast prallen Sonne ist sehr schön. Zwischendurch immer das Trinkwasser nachgefüllt, denn jetzt wird der Wasserbedarf mit den steigenden Temperaturen doch deutlich höher.

Die Erfahrung, nicht genug Trinkwasser zu haben, habe ich einige Wochen später gemacht. Ich bin kollabiert:

>>Quatsch kollabiert, – verreckt wäre ich bald<<, weil ich die Hälfte meiner 40 Grad warmen Wasserplörre einer erschöpften Frau gab, die wie ich meinte, der „Camino Natural“ ist der einzig wahre Pilgerweg. Aber auch dazu später mehr.

Mittlerweile steht der Lorentz hoch am Himmel und es ist fast 32 Grad. Vater Rhein reflektiert die Sonne und es glitzert und funkelt wie Diamanten „River VSS“, wenn tausende kleine Miniaturwellen die Strömung brechen.

Ich erreiche entlang des sehr gut ausgebauten Radwegs Rodenkirchen. Hier auf dem Campingplatz direkt am Rhein war ich vor vielen Monden mit meiner „entschleunigten“ Jugendgruppe angekommen. Wo mir viele Väter folgende Weisheit einredeten:

>>Daran werden sich die Kinder ein Leben lang erinnern! <<.

Das höre ich immer noch wie heute. Aber mal ehrlich, der einzige der sich angenehm erinnert, bin einzig und alleine nur ich.


Wie tapfer mein Sohn Vincent mit seinem Rad, welches gerade mal drei Gängen hatte und die er auffällig ökonomisch einsetzte, doch gewesen ist. Hat der Junge mit fünf Jahren hier schon an einem Tag fast 45 km abgestrampelt. Eine riesige Leistung, finde ich heute. Okay, wir habe viele Pausen eingelegt, aber ohne sich zu beschweren, zu meckern oder der gleichen hatte er mitgemacht. Wie ich es heute einschätze, muss er Spaß gehabt haben, sonst hätte er eine solche Leistung nicht abrufen können.

Wenn ich daran denke, dass ein super gestresster Freizeitradler den Kleinen kurz vor „Rodenkirchen“ zu Fall brachte und trotz Kontakt weiterfuhr! Da er keinerlei Anstalten machte anzuhalten und sich nicht einmal dem Befinden meines Sohnes erkundigte, erinnere ich mich genau an meine Worte, die sehr lautstark gewesen sein müssen, denn er stoppte sofort:

>> Wenn du Geisteskranker nicht sofort zurückkommst, dann hohle ich dich und dann Gnade dir Gott!!<<

Ich hatte seinerzeit einen voll beladenen Fahrradanhänger und hätte es mit diesem Gespann auf keinen Fall geschafft, einen gut trainierten, Mitte 50- jährigen einzuholen. Aber die Macht des sehr lauten Wortes ließen eine sofortige Reaktion folgen.

Vincent hatte eine leicht blutende Schürfwunde am Knie und weinte mittlerweile bitterlich. Ich musste meinen stark angestiegenen Puls unbedingt wieder runterfahren, damit ich den Jungen wieder beruhigen konnte. Es fiel mir schwer, da ich mich noch im Wortschwall mit dem vermeintlichen Herrn, der jetzt auch am Tatort angekommen war, befand. Dieser entschuldigte sich dann mit sehr gut formulierten Sätzen und ich hatte das Gefühl, dass er das ehrlich gemeint hat, denn ich wurde ruhiger. Meine innere Stimme sagte mir, der meint was er sagt. Wir verzichteten auf den Austausch der Adressen und ich verabschiedete ihn, wenn auch sehr reserviert.


Von Rodenkirchen geht es weiter entlang des Rheins vorbei an Godorf, Wesseling bis nach Bonn. Hinter dem alten Kanzleramt schaue ich mir dann eine Parkbank, die etwas abgelegen vom Radfahrweg steht aus, um hier eine Pause einzulegen. Die Bank fußt schön im Kernschatten einer alten Kastanie und nachdem ich meine Vitamine zu mir genommen habe, lege ich ein schönes Nickerchen ein.

>> Ach was geht es mir gut! <<, spreche ich zu mir.

Nach einer guten Stunde geht es aber schon wieder weiter. Ich will es bis zum Abend bis hinter Koblenz schaffen, denn dort hatte ich mir ein Zimmer in einer Pension reserviert.

Vorbei an Königswinter, welches sich auf der anderen Rheinseite mit den Ausläufern des Siebengebirges befindet. Es ist jetzt schon sehr heiß und ich habe abermals Wasser nachgekauft. Mir läuft der Schweiß den Rücken runter und habe Sorge, dass ich mir schon am ersten Tag einen „Wolf fahre“. Also alles schön mit Spezialcreme vorbehandeln. Meine Unterhose, die ich unter meiner Radlerhose trage, ist klatschnass und scheuert.

Ich erreiche Remagen. In dem alten Brückenbauwerk befindet sich ein Museum, welches die Bedeutung der Brücke von Remagen im 2. Weltkrieg wiedergibt.

>>Was ist das heiß! >>, rede ich mit mir.

Ich fahre jetzt schon einige Stunden in der prallen Sonne und Wasser deckt zwar meinen Mineralbedarf aber die warme Plörre erfrischt nicht wirklich bei der Hitze.

Mein Versuch in einem Gotteshaus einen Pilgerstempel zu bekommen, läuft „gen Null“. Alles ist zur Mittagszeit geschlossen.

>> Hoffentlich bekomme ich in meinen Pilgerausweiß genug Stempel von Deutschland! <<, schießt es mir durch den Kopf.

Jedes Mal vom geplanten Radweg Kirchen anzufahren, um festzustellen, dass diese geschlossen sind, nervte etwas. Dies verschlingt meine Zeit, denn ich hatte eine Pension gebucht. Gegen 16:00 Uhr erreiche ich “ Bad Breisig“ und sehe auch hier auf der anderen Rheinseite „Bad Hönningen“.


Hier hatten wir einst unsere erste Kegeltour. Es müsste 1997 gewesen sein und wir nennen uns: „Up se Kumme“. Zu der Zeit waren wir noch eine große starke Truppe. Geboren auf Mallorca. Aus der Laune heraus haben wir bei einer spontanen Tour festgestellt, dass alle gut zusammenpassen und daraus mehr wachsen kann. Mittlerweile sind die meisten Gründungsmitglieder nicht mehr am Start. Und der Club gönnt sich eine einjährige Pause. Auszeit, um vielleicht wieder zusammenzukommen. Aber mit dem Ausscheiden vom Hoti Hübner, der die Truppe zusammengehalten hatte, glaube ich nicht mehr daran.


Zwischen Brohl und Andernach komme ich an einem rustikalen Amerikanischen Restaurant vorbei. Die Spezialität des Hauses sind „Bohnen“. Hier gibt es eine Menge an Bohnengerichten. Serviert wird in einer rustikalen Stahlpfanne und dies für schmales Geld. Ich habe auch mächtig Hunger und „Duscht“. Also entschließe ich mich nach kurzem Studium der Speisekarte, hier einzukehren.

>> Eine Gerstenkornkaltschale bitte, aber eiskalt, wenn möglich! <<

>> Wie bitte? <<, so der Kellner.

>> Ein großes kaltes Pils, bitte! <<

Ich war von dem Fahren so aufgeheizt, dass der erste Schluck, so glaube ich, nicht zum Magen gelangt, da er schon auf der Zunge verdampft. Ich muss einiges an Geduld aufbringen und noch ein paar cl müssen meinen Gaumen passieren, um eine Abkühlung der inneren Organe zu erwirken.

Aber das tut sehr gut und ich bin wieder tiefenentspannt und leicht beschwipst.

>>Wie war das doch gleich mit meinem Vorhaben „Kein Alkohol“, hat doch lange angehalten!?<<, stelle ich selbstredend fest.

Die anschließend heiße Bohnenpfanne ist wunderbar und ich bedauere, davon nicht mehr essen zu können. Dieses rustikale Essen wird leider in meiner Erinnerung als ein einmaliges Gaumenerlebnis hängen bleiben müssen.

Da mein Wasservorrat fast zu Ende geht, viel zu warm und somit ungenießbar ist, erwerbe ich an der angrenzenden Tankstelle neues Wasser und für den Weg zwei kleine, kalte Döschen Funghi.

>>Mann kann ja nicht wissen, wie heiß es noch wird? <<

Ich muss jetzt aber noch mal „daran ziehen“, denn es sind noch ein paar Kilometer bis Koblenz und in Lahnstein wartet mein Nachtlager.

Hinter dem Atommeiler von Mülheim- Kärlich in Sankt Sebastian kehre ich noch in einer am Rhein gelegenen Gaststätte ein. Ich muss unbedingt wieder die inneren Kernorgane runter kühlen.

Ich fahre weiter. Es ist jetzt schon weit nach 20:00 Uhr und da passiert das, womit ich überhaupt nicht gerechnet habe.

>> So ein Pech. Ein Platten und wo, ausgerechnet vorne und dann noch genau mittig und das jetzt …noch! <<

Ok, erst mal ruhig bleiben, es ist ja nicht wirklich etwas passiert. Ich halte an einer Parkbank, hole mir eine Dose Bier hervor, öffne diese und lehne mich entspannt zurück. Der Rhein hier vor den Toren von Koblenz hat immer noch nicht seinen Glanz und sein wirres Glitzern in der tief stehenden Sonne verloren.

Da ich befürchte, meine Unterkunft nicht mehr rechtzeitig zu erreichen, „exe“ ich den Inhalt der Dose und fange an mich zu produzieren.

Da der Plattfuß zum Glück in der Mitte der Lauffläche des Vorderreifens ist, geht die Reparatur, dank der Schnellspanner an Rad und Bremsen, sehr zügig. Genug Schläuche habe ich ja. Den Flicken nur für den „Super- GAU“. Das Abtasten der Mantelinnenseite muss dann ohne Handschuhe, allein der Haptik wegen, erfolgen. Die schmutzigen Hände bekomme ich, dank meiner lieben Grit, mit Seifenstrips, welche sie mir für die Tour besorgte und etwas Trinkwasser wieder sauber. Ich bin gerade dabei den Reifen mit meiner Teleskop Miniluftpumpe, die seitlich am Trinkwasserbehälter befestigt ist, wieder aufzupumpen, als mich ein älterer Herr, ich schätze so 70 plus, schlank, ca. 80 kg schwer, fragt:

>>Jung, Weiß du eigentlich, wann es linksrheinisch oder rechtsrheinisch heißt? <<

>>Wie bitte? <<, überlege ich … aber nur eine Mikro Sekunde …und antworte:

>>Nein, keine Ahnung<<, und pumpe weiter.

Diese Minipumpe benötigt, gefühlte 1000 Hübe, um 3,0 bar an Druck auf die Reifen zu bekommen, aber mir ist ja gerade sowieso kalt.

>>Verdammt! <<, denke ich, bald ist es dunkel und ich habe noch gut 16 km vor mir.

>>So, dann pass mal auf, das ist so, also ……………<<und er fängt an zu berichten.

Ich lege mein Vorderrad beiseite und als ob ich es geahnt hätte, wird dies eine sehr einseitige Unterhaltung. Ich öffne meine letzte Dose Bier und lehne mich auf meiner Parkbank zurück. Flüchten kann ich nicht, denn ich befinde mich ja noch im „Reparaturmodus“.

>> Die Strömungsrichtung, merke dir immer die Strömungsrichtung, Junge. <<, so der Herr.

Will ich das eigentlich alles und unbedingt heute noch wissen?

>>Ja Gerd, du musst! <<, denke ich.

>>Bitte können sie das genauer erklären, es ist spät und ich bin schon sehr lange auf den Beinen oder besser gesagt auf den Reifen unterwegs und es dürstet mich nach Wissen? <<

>> Wenn sich eine Stadt in Stromrichtung auf der rechten Seite befindet, so bezeichnet man das als rechtsrheinisch. Wenn du also bald in Koblenz ankommst und Koblenz befindet sich hier auf dieser Seite, dann reparierst du dein Fahrrad gerade auf welcher Seite? <<

Schnell noch ein Schluck und, >>komm überlege und konzentriere dich von Latten, sonst wird das hier eine lange Erklärbär-Nummer. <<

>>Linksrheinisch! <<,

schoss es von meinem Gehirn ins Sprachzentrum und dabei denke ich noch:

>>Warum muss ich so viel wissen, von dem ich nichts wissen muss? <<

>>Jawohl! <<

>>Da bin ich ja heute nicht umsonst aufgestanden! <<, merke ich an und pumpe dann weiter.

Wir tauschen uns noch etwas aus, ich baue dabei mein Vorderrad wieder ein, verstaue meine Sachen wieder und setze nach der Verabschiedung meine Pilgerreise fort.

Wenig Später denke ich noch über unser Gespräch nach. Ich weiß jetzt, dass „Linksrheinisch“ die Bezeichnung dafür ist, dass ein Ort auf der linken Seite der Stromrichtung des Rheins ist. Also Hilden, wenn auch etwas weiter weg vom Rhein, befindet sich rechtsrheinisch, genau wie Düsseldorf und Leverkusen.

Dann habe ich in Leverkusen die Rheinbrücke überquert und befinde mich seitdem auf der linken Seite. Also auf der „Schäl Sick“, der falschen Seite.

>> Prima Gerd! <<, lobe ich mich.

>> Und wie verhält sich das mit Köln? Der Rhein fließt einmal durch ganz Köln und zwar von Süden nach Norden und soweit ich mich erinnern kann, wird Köln immer, obwohl der Rhein mitten durchfließt, als linksrheinisch bezeichnet. <<

Wie ich später recherchiere, hängt das wie folgt zusammen.

Im Cologneweb dem Kölner Stadtarchiv steht beschrieben, dass die „Ubier“ begonnen hatten, die Stadt am Rhein zu gründen. Sie suchten ein hochwasserfreies Plateau, das sich gut verteidigen ließ und einen durch eine Rheininsel gut geschützten Hafen. Im weiteren Geschichtsverlauf formte der Rhein eine natürliche Grenze zwischen den Germanen, rechtsrheinisch und den römischen Kolonien linksrheinisch. So bildete sich dann das bis heute linksrheinische Köln, mit den wichtigsten touristischen Attraktionen. Große Einkaufsstraßen, den großen Ausfallstraßen und den inneren und äußeren Ringen: Innere Kanalstrasse- Äußere Kanalstrasse- Militärring.

Also Hilden und Düsseldorf gehörten demzufolge zu den wilden Germanen.

>> Jetzt verstehe ich so einiges. <<

Nach einer guten Stunde erreiche ich erschöpft und hungrig das linksrheinische Koblenz.

>> Lahnstein werde ich wohl von meinem Vormerkbuch streichen müssen. <<

Und ich wollte mir so gerne die Lahntalklinik ansehen, weil mir 1999 dort meine Berufsunfähigkeit von einem Arzt attestiert wurde.

Ich telefoniere kurz, storniere mein Zimmer und suche den Campingplatz am „Deutschen Eck“ auf, wo ich vor Jahren noch mit meiner entschleunigten Jugendgruppe angekommen bin.

>> Guten Tag, ich war schon mal hier, hätten Sie noch für eine Nacht einen Quadratmeter Platz für mich und meine Ein-Raum- Kammer? <<,

frage ich den „gut gepolsterten“ Platzwart.

>> Na klar für Stammkunden und in der Größenordnung immer. Notfalls gebe ich dir einen Bierdeckel, dann kannst du dein Zelt darauf aufbauen! <<

>>Hier bin ich richtig, es wird in meiner Sprache geschwatzt! <<, stelle ich fest.

Da es jetzt fast schon 21:30 Uhr ist, rät mir der Platzmeister, dass ich mir schnell noch einen Platz suchen und mich beeilen soll, weil das Restaurant auf dem Platz um 22:00 Uhr schließen würde.

>>Dann hau rein, den Weg brauche ich dir ja nicht zeigen und bezahlen kannst du irgendwann morgen. <<, blinzelt er mir zu. >>Mach ich. <<

Der Platz ist, wie zu dieser Jahreszeit zu erwarten, sehr gut gefüllt. Aber mit meinem kleinen Zelt finde ich relativ schnell einen, wenn auch nicht so ebenen Platz. Da ich vorher das Zelt probemäßig im Garten auf- und abgebaut hatte, um es mit drei Dosen zu imprägnieren, wird es eine schnelle Aufbauaktion. Dann schnell geduscht und anschließend zur Nahrungsaufnahme ins Restaurant geeilt. Es ist aber schon nach 22:00 Uhr und nur mit viel bitten bekomme ich noch einen Snack und ein Bierchen. Zwischendurch natürlich, wie heute auch auf der Fahrt, noch mit meiner Lieben Frau telefoniert.

Es ist ein schöner lauer Sommerabend, ich gehe zufrieden mit mir und meinem fast erreichten Tagesziel zurück zum Zelt. Dort angekommen widme ich mich noch einen kurzen Augenblick dem beleuchteten Denkmal vom Kaiser Wilhelm, „Am Deutschen Eck“. Ich bin viel zu müde, um mein Tagebuch für heute zu bedienen und nehme mir vor, das Morgen zu erledigen. Mein zweites Bein ist noch nicht ganz im Zelt und da schlafe ich schon.

Fahrzeit am 17.07.2013: 11,50 h

Gesamtfahrzeit: 8,55 h

Höchstgeschwindigkeit: 28,35 km / h

Durchschnittsgeschwindigkeit: 17,14 km/h

Tageskilometer: 146,60 km

Gesamtkilometer: 146,60 km

Radpilgern Extrem

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