Читать книгу Radpilgern Extrem - Gerd Lange - Страница 9

Wildes Camping

Оглавление

Es ist 6:50h, ich bin wach und denke:

>>Was habe ich gut geschlafen und so lang! <<

Mein kleines Zelt gleicht einer Tropfsteinhöhle. Ich glaube, die 3 Dosen Imprägnier Spray waren 2 zu viel. Wenn ich hier noch drei Wochen drin übernachte, dann wachsen Stalaktite von der Zeltdecke. Ich gehe erst mal duschen, um richtig wach zu werden. Was ein wenig nervig ist, dass ich immer die wichtigsten Utensilien, also die Geldbörse und das Handy mitnehmen muss. Diese Dinge kann ich leider nicht alleine zurücklassen. Daran werde ich mich erst gewöhnen müssen und das gelang zwangsläufig dann ja auch.

Leider sind noch alle Sachen, wie ich nach dem Duschen feststelle, nass. Das Zelt von innen sowieso, aber auch die ganze Kleidung, die ich mit unter die Dusche genommen hatte, um sie direkt mit zu waschen. Ich hatte ein schönes Stillleben auf meinem Rad am Abend geschaffen. Was ich in der Dunkelheit nicht sehen konnte, stellt sich ungewollt von mir als schön drapiert heraus.

Bevor es gleich wieder losgeht, erst einmal Tagebuch schreiben.

Gestern ganze 146,6 km gefahren und dabei 8393 Kalorien verbrannt und um die 8 Liter Flüssigkeit zu mir genommen. Ich möchte spätestens um 8:30 Uhr wieder losfahren und als erstes Mal mindestens zwei Kaffee zu mir nehmen.

Ich packe also notgedrungen das nasse Zelt in meine wasserdichte Motorradpackrolle, denn bis das Zelt trocken sein wird, ist es Mittag. Das nasse Handtuch und meine ebenfalls noch nassen Klamotten zurre ich unter meine Spanngummis fest und werde sie während der Weiterfahrt trocknen lassen. Am Anfang ist das Verstauen meiner Utensilien noch nicht optimiert. Daran muss ich arbeiten, denn da muss unbedingt System rein. Ich habe ja noch gut vier Wochen Zeit, das zu bewerkstelligen. Ich schaffe es tatsächlich und bin um 8:30 Uhr wieder auf dem Sattel. Leider ist der nette „Campingplatz Mensch“ noch nicht da. Er kommt laut Öffnungszeitenaushang heute erst um 10:00 Uhr, was mir definitiv zu spät ist.

>> Ich werde dann später von Zuhause die Bankdaten erfragen und den Betrag überweisen. <<, spreche ich zu mir. >> Bitte erinnere mich daran Liebes Tagebuch! <<

In unmittelbarer Nähe des Campingplatzes gibt es einen Discounter. Erst mal rein und meine Tagesration an Obst gekauft und frisches Trinkwasser dazu. Angrenzend an diesen Laden befindet sich ein Bäcker. Hier gönne ich mir zwei belegte Brötchen und, was ganz wichtig ist, den ersten guten Kaffee. Auch wenn die Atmosphäre des Sitzplatzes nicht die ist, die ich mir gewünscht habe. Ich sitze nämlich fast mitten auf dem Kundenparkplatz vom Discounter. Aber dieser Maschinenkaffee weckt meine Lebensgeister und ich bin jetzt wieder fit. Dann ein weiterer Kaffee und jetzt bin ich bereit für die Weiterfahrt. Ich befinde mich auch direkt auf der richtigen Seite, denn von hier aus geht es dann der Mosel entlang Richtung Trier.


Noch einige Blicke der Koblenzer Skyline zugewandt und kurz denke ich an die Skyline von New York. Dort war ich mit Grit und Vincent in diesem Jahr in den Osterferien. Ich erinnere mich an Brooklyn, denn von dort aus hatten wir eine hervorragende Aussicht auf New York. Der neue Freedom Tower dominiert in seiner imposanten Größe und ragt, fast fertig gestellt, über alle Gebäude. Weil es in aller Munde ist, denke ich noch an die Lichtverschmutzung auf dem “Time Square“.


>>Was für ein Quantensprung. <<

Auch wenn hier fundamentale Widersprüche in der Baukunst, der Bauphysik und den geographischen Gegebenheiten den Unterschied zwischen New York und Koblenz machen, aber für mich ist die Diskretion der hiesigen Gebäude das Non plus Ultra.

Mein kurzes Fazit: „ICH LIEBE DEUTSCHELAND!“

>> Tschüss Vater Rhein und guten Tag Mosel! <<

Von jetzt an geht es die Moselweinstraße entlang. Es wird laut Wettervorhersage wieder ein sehr schöner Sommertag werden. Sofort fällt mir Folgendes auf:

>>Was ist das denn hier für ein drastischer Farbunterschied im Wasser? <<

Das Bundesamt für Gewässerkunde schreibt dazu:

„Oftmals sind deutliche Unterschiede in der Färbung des Wassers sichtbar, besonders bei sich ändernden Wasserständen in den beiden Flüssen. Grund für die unterschiedliche Farbe sind die wechselnden Schwebstoffanteile. Die beiden Gütemessstationen der Bundesanstalt für Gewässerkunde an Rhein und Mosel liegen jeweils ca. zwei Kilometer flussaufwärts vom Deutschen Eck entfernt. An den Stationen wird neben anderen Daten die Trübung als Indikator für den Schwebstoffgehalt gemessen.“

Wenn mir dieser Umstand nicht aufgefallen wäre, hätte ich hierzu keinen Satz geschrieben. Nur da, wo Rhein und Mosel zusammentreffen fällt das besonders auf.

>> Ok, das ist nun auch geklärt. <<

Ich hätte mir gerne in Koblenz einen Stempel für mein Pilgerbuch geholt, da aber die Pfarrämter so früh nicht auf sind, beschließe ich, nur noch die Kirchen und Pfarrämter anzufahren, die direkt auf dem Weg liegen.

In „Güls“ noch einen Kaffee und dann weiter nach „Winningen“.

Auch hier leichte Erinnerungen an Winningen und dem kurz dahinterliegenden Kobern Gondorf.


In beiden Dörfern verbrachte ich mit meinem damaligen Skat-Club ein Wochenende. Das war auch eine schöne Zeit, denn aus Nachbarn wurden Freunde.

Wie war das denn noch? Bei einem Grillabend der Hausgemeinschaft wurden wir als Neuankömmlinge dazu einbestellt. Das ist die richtige Formulierung, denn der Herbert Wöhrmann hatte eine einfache aber bestimmende Art einen davon zu überzeugen, dass man sich nicht auszugrenzen hat.

>> Das ist hier eine super Hausgemeinschaft und wir sollen uns bloß nicht einbilden NICHT dazu zugehören! <<, so der Seebär.

Die Grillorgien fanden vorzugsweise immer bei den „Wöhrmanns“ statt. Sie hatten die Erdgeschoßwohnung und eine Terrasse die 35 Quadratmeter groß war.

Während der sehr netten feuchtfröhlichen Abende wurde das Thema Bootsurlaub angesprochen. Herbert, Heinz und Jochen schwärmten von ihren Touren durch die Niederlande. Leider ist der Skipper abgesprungen und seitdem haben sie keinen neuen Kapitän gefunden.

>> Doch habt Ihr, denn ich habe den nötigen Schein, um Boote zu chartern! <<, machte ich klar.

Da ich jahrelang ein eigenes Bötchen hatte, habe ich eigens, um auf dem Rhein fahren zu können, bei der Sportbootschule Hötzer in Leverkusen-Hitdorf mit meinem Bruder Issak den Binnenschein gemacht. Schön, dass ich diesen Binnenschein mal wieder einsetzten kann.

>> Das wäre wunderbar, wenn wir wieder auf Bootstour gehen würden. >>, so Herbert.

Herbert war schon über 60 Jahre und mit seinem Vollbart und seinen 195 cm und ca. 120 Kg ein echter Seebär, der es liebte, auf Bootsreisen zu gehen.

Da die Frauen Rita, also die Mutter einer meiner besten Freunde „Miki“, Marianne, Tina und meine Frau einen Kartenclub gründeten, waren die Damen bestens versorgt und wir hatten grünes Licht, um Lustiges zu planen.

Übrigens, über Rita habe ich „Miki“ kennen gelernt und bin wenig später dem Tupperclub beigetreten. Miki der 140 Kg Diätkoch, bei dem Diät und Koch wie FC Bayern und Campino (der Frontmann der Toten Hosen) disharmonieren.

Oder wenn Barac Obama behauptet, „Wenn ich was von Frau Merkel wissen möchte, dann rufe ich Sie einfach an!“.

Diese Tupperclub Interessengemeinschaft hat bis heute bestand. Hier werde ich später noch einige Anekdötchen, wie „Schwulio auf Ibiza“ oder „Die müssen ihre Bananen selbst schälen“, zu berichten haben.

Unsere Bootstouren führten immerzu nach Holland auf dem „Princes Margret Kanal“. Wir waren ausschließlich in der Friesischen Provinz unterwegs in Sneek dem Sneeker Meer in Leeuwarden. Die ausgebauten Schifffahrtsstraßen waren eine wirkliche Augenweide. Nicht nur landschaftlich, denn die Wasserwege führen auch durch dicht besiedelte Wohngebiete und erlauben dem gemeinen Bootsreisenden Einblicke sogar bis auf dem Tellerrand. Eigentlich bin ich der Typ, der so etwas intensiv aufnehmen möchte, aber dazu gab es nüchtern zu selten die Möglichkeit.

Was mir zu diesem Zeitpunkt vollkommen fremd war, war dieser extreme Alkoholkonsum. Wenn ich daran denke, was hier an „Alk“ angekarrt wurde. 20 Kisten Bier,10 Flaschen Schnaps wie Hörner Whisky, Ouzu, Linie usw. und das für fünf Leute und vier Tage. Der reinste Wahnsinn! Was auch nicht fehlen durfte war, Maloxan, denn der Magen muss ja immer beruhigt werden. Mir waren diese Alkoholexzesse absolut fremd. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch einen Handwerksbetrieb mit 15 Mitarbeitern und Alkohol und von Latten passten genau so wenig wie Putin und die Krim zusammen. Damit der „Alkpegel“ immer oben gehalten wurde, dienten topographische Bauwerke zu Aussprüchen wie:

>> Jetzt einen Brückenschnaps! <<

Als die Brücken ausblieben.

>> Jetzt erst mal einen Schleusenschnaps! <<

Als die Schleusen ausblieben.

>> Jetzt erst mal einen Gebäudeschnaps! <<

Einer unserer Alkoholexzesse endete wie folgt:

Zum Übernachten suchten wir ein schönes Plätzchen. Ich hatte das Boot, welches 10 Meter lang war und immerhin 10 Tonnen wog, sicher im Princes Margret Kanal an einer vorgelagerten Insel angelegt und instruierte meine Crew, das Boot zu befestigen. Da hier kein Bootsanleger war, erforderte dies ein wenig Improvisation und Feingefühl des Kapitäns. Diese meine vollgesoffene Crew lachte sich weg und Herbert und Jochen taumelten von Bord. Ich konnte das Schiff, dank günstiger Winde und Bugstrahl sanft an der Uferböschung halten. Beide Vollgesofskies fixierten das Boot an Bäumen, die genau an Steuerbord standen, doch noch erstaunlich gut. Genau wo unser Landgang war, mussten wir immer einen großen Schritt machen, sonst wären wir in einem 30 x 30 cm großem Morast Loch mit einem Bein versunken. Das Boot wollte ich aber nicht mehr versetzten und so ist jeder von uns einmal oder viermal mit einem Bein darin versunken.

Der Versuch auf dem Gasgrill unsere übergroßen Steaks so zuzubereiten, dass daraus essbare Nahrung wird, scheiterte zum einen am Material und zum anderen am alkoholisierten Zustand der Akteure. Irgendwann wurden zwei Dosen Ravioli geöffnet, um den Hunger zu stillen.

Wie wir das immer heil überstanden hatten? Ich muss hier anmerken, dass es zu diesem Zeitpunkt noch keine Alkoholkontrollen von der Niederländischen Schifffahrtspolizei gab.

An eine weitere Erfahrung wurde ich auch herangeführt. Es war der 21. Mai 1997 der FC Schalke (oder wie mein Sohn sagt: Papa „Schalke“ sagt man nicht) holt den UEFA Cup. Das Boot war angelegt, der Hafenmeister hat uns mit Strom und Wasser versorgt und wir feierten weiter. Heinz hatte im Coffee Shop noch etwas zu Rauchen geholt und so wurde ich auch ans Kiffen herangeführt. Allerdings mit einem für mich einschneidenden Schlüsselerlebnis.

Wir den ganzen Tag Alkohol vernichtet hatten und ich nicht mehr Herr meiner „Schwachsinne“ war, denn der Alkohol und das Gras hatten eine sehr wechselhafte Wirkung auf meinen Organismus genommen. Vom Landgang hatte ich mich wegen Unzurechnungsfähigkeit vom I. Offizier abgemeldet. Ich war wirklich fertig, meine Crew, angefeuert von Heinz dem Oberkiffer, hatte ihren Spaß daran unter starken >>Hihi hihi Hahaha << das Boot mittels Muskelkraft in heftigem Seegang zu versetzten. Ich wurde erstmals seekrank und fütterte die Fische. Das war es dann auch mit diesem Zeug für alle Tage gewesen.

Bei diesen Touren wurde unter anderem Skat gespielt und weil die Chemie stimmte, entstand ein Skatclub und einmal im Jahr unternahmen wir eine Reise oder charterten ein Boot.

Vor seinem unerwarteten Ableben, ist der Herbert noch ein letztes Mal mit mir auf Boots Tour auf der Mecklenburger Seenplatte gefahren.

Schade, leider gibt es auch diese Interessengemeinschaft nicht mehr! Aber es war eine schöne Zeit mit Jürgen, Jochen, Heinz und Herbert.

Mit einem der Herren gab es aber leider auch, eine für mich unangenehme Lebenserfahrung. Seitdem handele ich wie folgt: Sollte mich jemals in meinem Leben wieder ein Freund um einen Geldbetrag jenseits der vierstelligen Summe anpumpen, so stelle ich mir zuerst die Frage:

>>Kann oder will ich auf diesen Menschen verzichten?! <<

Wenn er mir wichtig ist, dann borge ich ihm entweder kein Geld oder, vorausgesetzt ich habe genug, schenke es ihm. Soviel dazu.


Jetzt fahre ich mit dem Rad unter der Moseltalbrücke her, die ich schon so oft mit dem Auto auf der A 61 befahren habe. Wenn sich der Fokus beim Überqueren voll und ganz dem Moseltal widmet, lassen meine Augen jetzt gerade nicht ab, dieses gewaltige Brückenbauwerk von unten zu bewundern.

Diese Brücke verbindet mit ihren 935 Metern den Hunsrück mit der Eifel. Die Höhe über dem Grund beträgt 136 Meter und im Falle eines Krieges, besitzt diese Brücke im Inneren des Stahlbaus eine Vorrichtung, die mit Sprengstoff gefüllt werden kann, um sie ggf. zu zerstören.

Weiter geht es der Mosel entlang vorbei am Alkener Burgberg und an Löf. Leider bleibt auch hier der Versuch vergeblich, einen Stempel für meinen Pilgerausweis zu bekommen. Es ist schon wieder sehr warm und zwischendurch versorge ich mich immer wieder mit Trinkwasser und Essen.

Entlang der Mosel zu fahren, ist sehr angenehm. Immer schön am Wasser entlang auf einer fast geraden Strecke ohne viel Steigung. An diese Radstrecken werde ich mich noch zurücksehnen. Diese unglaubliche Schönheit der Weinberge und überall lockt der Wein. Die vielen Burgen, die Weingüter und die schmucken Fachwerkhäuser.

>> Nee wat iss dat schön! <<

Dann im „Kreis –Karden“, nach unendlichen Weiten und immerwährenden Suchens, steht Sie vor mir. Leicht verdeckt von den Häusern, die die ersten Reihen der Mosel- Promenade säumen. Auf der dem Moselfluss zugewandten Seite stehend, die zwei wuchtigen Chortürme entgehen meiner Aufmerksamkeit nicht

Auf dem Begrüßungsschild vor dem Pfarrbüro der eindeutige Hinweis: „Jakobspilger willkommen“. Das Pfarrbüro ist in einem Seiteneingang der Kirche, in der es erst einmal eine Etage tiefer in den Keller geht. Und das Büro ist, wie ich mit Freude feststelle, geöffnet und sogar besetzt.

>>Wie angenehm kühl es hier ist<<, merke ich gegenüber der Leiterin des Pfarrbüros an.

>> Bekomme ich hier meinen 4.Stempel in mein Pilgerbuch? <<, frage ich weiter.

>>Selbstverständlich! <<, so die nette Frau.

Wir plaudern ein wenig über meine Abfahrt und die weitere Reise. Sie wünscht mir alles Gute und dass ich mein Vorhaben gesund zu Ende bringe möge!

>> Und nicht vergessen, noch einmal in die Kirche einkehren, und dort noch etwas verweilen! <<, ermutigt mich die Frau. Diesen Rat befolge ich.

Ich betrete durch ein sehr großes altes Holzportal die Kirche und merke auch hier die deutliche Kühle. Der leicht muffige Geruch stört mich nicht.

Das Kircheninnere der Stiftskirche Karden entspricht in seiner Ausmalung den Farben und Ornamenten der Bauzeit. Die Spätromanischen und frühgotischen Raumteile fügen sich zu einer optischen Einheit zusammen. Ich nehme auf einer alten Kirchenbank Platz und genieße das jetzt.

Ich bin allein mit der Stille und mit mir. Ich schließe die Augen, komme runter und werde spürbar ruhiger. Ich verharre noch ein wenig in diesem Zustand und erinnere mich an meinen Meditationsgrundkurs.

>> „Es …Atmet… mich“<< und

>> „Ich nehme ganz gezielt meinen Herzschlag wahr.“ <<

Nach dieser kleinen Erholungspause geht es dann weiter. Es ist mittlerweile wieder richtig warm. In Gedanken freue ich mich schon auf mein Nachtlager und eine schöne kalte Dusche. Leider sollte daraus heute nichts mehr werden, was ich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht weiß.

Mit meinem vierten Stempel bepackt und glücklich geht meine Tour weiter.

Nach weiteren zwei Stunden Fahrtzeit in „Senheim“ bekomme ich einen Tiefpunkt.

Aufgrund der Wärme bin ich wieder nass geschwitzt und der Schweiß fließt mir den verlängerten Rücken herunter. Alles ist wieder wundgescheuert. Ich trockne mich ab, creme die störenden und schmerzenden Körperstellen ein und stelle fest, dass ich erst mal eine Pause einlegen muss. Ich suche mir eine Parkbank im Schatten, nehme etwas Nahrung auf, forme mir ein Kissen aus den Klamotten, die mittlerweile trocken sind, und gönne mir ein Mittagsschläfchen.

Eine gute Stunde später lustwandele ich weiter. Mittlerweile ist mein Wasser wieder aufgewärmt und bringt nicht die gewünschte Abkühlung. Also ran an einen Getränkeladen und zwei Dosen eiskaltes Bier gekauft. Die erste Dose ohne zu schlucken eingeatmet und die zweite Dose für später aufbewahrt.

Nach einer Weile, entlang der Mosel, erreiche ich die Stadt bzw. Gemeinde Alf. Sehenswert ist die über dem Ort gelegene, im frühen 12. Jahrhundert gegründete Burg Arras. Kurz nachdem ich aus dem Ort fahre, meldet sich mein Körper mit der dringenden Bitte, eine Nasszelle aufzusuchen. Da dieser sich schon vor einer Weile angekündigt hat, wird es jetzt Zeit, den drängenden Bedürfnissen, Taten folgen zu lassen.

>> Hier rechts in der Weinstube fahre ich ran und dann gibst Du bitte Ruhe! <<

Da ich nicht unhöflich sein will, bestelle ich noch eine Weinschorle und eile dann schnell zum stillen Örtchen. Die Weinschorle wird von einer reiferen Dame so um die 70 Jahre und super rüstig, auf der Terrasse serviert. Die Terrasse ist urgemütlich und die Wände sind in rubinrot gestrichen. Weinreben ranken von der Decke und verleihen den Wänden ein mediterranes Flair. Von hier aus habe ich einen herrlichen Ausblick auf die Mosel und die angrenzenden Weinberge. Es ist jetzt auch an der Zeit, langsam aber sicher an ein Hotel oder an einen Zeltplatz zu denken. Ich bin wieder klatschnass geschwitzt und mein Körper sehnt sich nach einer Dusche. Die Weinschorle ist sehr süffig und ich bestelle eine weitere, um danach wieder aufzubrechen. Da dieses gemütliche Lokal quasi verwaist ist, frage ich die Kellnerin wieso das so ist.

>> Die Kinder wären in Kroatien, denn da käme mein Schwiegersohn her. Beide machen dort endlich Urlaub. Die sind so wenig weg, weil hier immer sehr viel zu tun ist. Aber jetzt endlich gönnen sie sich das. Leider kann ich ihnen aus diesem Grund, nichts zu essen anbieten. Gerne hätte ich ihnen einen Flammkuchen serviert. Für den sind wir sogar weit über die Ortsgrenzen von Alf bekannt. <<

Sie setzt sich zu mir und ich informiere die Hauswirtin über mein Vorhaben. Auch das die lokale Presse über meine Exkursion berichtet. Sie erzählt mir noch die Geschichte ihres Weingutes und dieser Schankwirtschaft.

Sie hat vor Jahren alles den Kindern abgetreten und ist nur noch zur Aushilfe hier, ansonsten hat sie mit ihrer privaten Pension genug zu tun. Wenn ich möchte, so kann ich auch bei Ihr auf dem Sofa übernachten. Ich lehne dankend ab und füge als Grund an, dass ich noch keine 100 km gefahren bin.

>>So, wenn sie mir versprechen, noch einmal wiederzukommen und unseren Flammkuchen zu probieren, falls Sie hier in der Ecke sind, dann spendiere ich ihnen noch einen Wein und einen Edelbrand, der auch von uns hergestellt wird! <<

>> Sehr gerne! <<, versichere ich.

Der Edelbrand ist sehr mild im Abgang und ich will die Dame gerade darüber informieren, dass ich zahlen möchte, da kommt ein älteres Ehepaar in einem BMW Cabrio vorgefahren. An den überschwänglichen Bewegungen der Arme kann ich sofort feststellen, dass man sich schon öfter begegnet ist. Das Ehepaar kommt zu uns an den Tisch und die Hausherrin teilt beiden mit:

>>Hier der Mann ist berühmt, der fährt nach Spanien und das nur mit dem Rad und die Zeitung schreibt darüber, er hat so viel zu erzählen, kommt setzt Euch zu uns! <<

Oh je, denke ich, es ist schon nach 19:00 Uhr und ich muss noch 10 km drauf packen, um meine Tagesstrecke zu schaffen. Aber was soll es, sind ja alle ausgesprochen nett. Nachdem ich meine Geschichte rübergebracht habe, sind drei weitere Runden Wein konsumiert und die Zeit fließt dahin. Der graumelierte Herr sagt, dass er bei Bayer im Aufsichtsrat war und sich jetzt mit seiner Frau nach der Pensionierung in Alf niedergelassen hat. Wir tauschen noch einige Erfahrungen über Kreuzfahrten aus.

Die Gespräche sind echt kurzweilig und hätten mühelos noch einige Stunden überdauert. Dann war aber der Punkt für mich gekommen, aufzubrechen. Wir verabschieden uns voneinander und mir wird alles Gute für meine lange Fahrt gewünscht. Da es jetzt schon 21:00 Uhr ist, muss ich Gas geben, um noch an die 100 Kilometer ran zu kommen und um einen Schlafplatz zu finden. Ich denke noch kurz über meine selbst verursachte Verzögerung nach:

>> Es war ein sehr schöner Nachmittag, der es wert war, etwas über die Stränge zu schlagen. <<

Es handelte sich wie ich später im Internet erforschte um das „Weingut Lilienhof“. Mit Erreichen der Dämmerung ist mir klar:

>> Das gibt nichts mehr mit Duschen und Zeltplatz. <<

In „Zell“ wo ich gegen 22:00 Uhr ankomme, entschließe ich mich in unmittelbarer Nähe eines Wohnmobilstellplatzes, mein kleines Zelt aufzubauen, um heute wild zu campen. Leider ist das nur ein Stellplatz mit Stromanschluss und Mülltonnen, aber ohne Duschmöglichkeit. So baue ich mein Zelt auf einem Acker auf und dank meiner Fahrradlampe, habe ich auch noch etwas Licht.

Ich nehme mir noch ein Glas Bockwürstchen vor, schiebe mir noch ein Brot rein und aus der Not heraus, putze ich mir die Zähne mit Sprudelwasser. Das immer noch warme Trinkwasser dient auch, um mich ein wenig zu waschen. Ich sinniere noch etwas über den Tag, und schlafe dann auch sehr schnell ein.

Fahrzeit am 18.07.2013: ca. 13,50 h

Gesamtfahrzeit: 19,45 h

Höchstgeschwindigkeit: 22,13 km/h

Durchschnittsgeschwindigkeit: 16,50 km/h

Tageskilometer: 102,20 km

Gesamtkilometer: 248,80 km

Radpilgern Extrem

Подняться наверх