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Die Arbeit

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„In der „DDR“ kann jeder werden, was er will“. So lautete ein Spruch der SED, und ich füge hinzu: „Jeder kann werden, was er will, ob er will oder nicht!“ Die Berufswahl verlief ganz einfach. Man ging zu einem „Beratungsgespräch“ in das Rathaus, und dort wurde jedem jungen Menschen, der einen Beruf erlernen „musste“, gesagt, welche Möglichkeiten es gerade noch gab. Natürlich adäquat zu den Zeugnissen. Ich wollte in einem Musikgeschäft Verkäufer lernen. Es existierten noch zwei Privatgeschäfte in meiner Stadt, aber ohne die Möglichkeit, dort jemanden ausbilden, und dies aus den allseits bekannten Gründen. Also sagte man mir: „Wir haben noch einen Platz als Pelztierzüchter, das ist einmalig in der DDR. Da wird viel Geld verdient. Alles andere ist schon vergeben.“ Und da es kein Wartejahr gab wie im vereinigten Deutschland, musste ich einen Lehrvertrag abschließen. Zuvor war ich noch gefragt worden, ob ich tierlieb sei.

Somit waren die „Sache“ und das „Beratungsgespräch“ beendet. Meinen Beruf als Pelztierzüchter konnte ich kurz nach Beendigung der Lehre nicht mehr ausführen, weil dieser Betrieb geschlossen wurde. Den Nutrias und Nerzen hatte es scheinbar auch nicht gefallen, denn sie rissen entweder reihenweise aus oder wurden gestohlen. Zumal es viele Beschwerden hagelte, da sich gegenüber die volkseigene Brotunion befand. Nun zeigte sich im ganzen Bezirk Karl-Marx-Stadt keine Möglichkeit, meinen erlernten Beruf weiterzuführen. Nach zwei bis drei Arbeitsstellen bewarb ich mich bei den städtischen Theatern als Bühnentechniker, auch „Kulissenschieber“ genannt. Hier kam wieder etwas „Wärme“ in meinen Körper, denn ich konnte fast jeden Abend kostenlos im Opernhaus sein. Es war mehr die klassische Musik, die mich bewog diesen Schritt zu tun, mehr als Kulissen hin und her zu schieben. Die Beatmusik konnte ich erst einmal an den Nagel hängen, da ich annähernd jedes Wochenende im Opernhaus Dienst hatte. Es gab aber ein Hauptdepot für die beiden Theater, wo sämtliche Dinge für das Musiktheater, das Schauspiel und die Requisite aufbewahrt wurden. Dort setzte ich mich die nächsten fünf Jahre fest. Zur gleichen Zeit wurde die „Singakademie Karl-Marx-Stadt“ gegründet, ein Amateur-Chor mit etwa 160 Mitgliedern. Der Chorepetitor war gleichzeitig Leiter des Opernchores, in welchem ich sofort dabei war und für den Kammerchor herausgepickt wurde. Mit dem ganzen Chor führten wir viele berühmte Chorwerke auf. Von Orffs „Carmina burana“ bis Händels „Messias“ wurde die ganze Bandbreite durchgequirlt. Ich versuchte die Möglichkeit auszuloten, beruflich so schnell wie möglich in die Sangeskunst einzusteigen. Obgleich ich hin und her gerissen wurde zwischen Oper und Beat. Ich nahm Privatgesangsunterricht. Dieser war für mich kostenlos, da ich sozusagen im „Betrieb“ arbeitete und mit der Maßgabe studierte, als Chorist in drei bis vier Jahren eingestellt zu werden. Diese Möglichkeit war in der DDR gegeben, falls das entsprechende musikalische, sängerische und „politische“ Niveau vorhanden war. Bei letzterem musste ich etwas „vorspielen“, was jedoch normal war. Genau dieses Verstellen fiel mir schwer. Ich hielt besser den Mund!

In der Oper war die sozialistische Ausrichtung ebenfalls zu sehen und zu spüren. Als man im Jahr 1965 die „Aida“ inszenierte, wurde der Einmarsch der Wehrmacht in Österreich nachempfunden. An den Portalen stand mit Eichenlaub und in Goldschrift zu lesen: „Kanonen statt Butter“. Überall gab es Leute, die entweder alles noch marschmäßiger aufziehen oder mit einer Inszenierung Protest ausdrücken wollten. Genauso wie am „Deutschen Theater“ in Berlin. Hier trat 1963 der Intendant zurück, weil das Stück „Die Sorgen und die Macht“ von der Kulturkommission verboten wurde. Und dies in jenem Theater, welches nach dem Krieg am 07.09.1945 als erstes wieder eröffnet wurde. Es gab viele derartiger Dinge, die aber größtenteils unter den Tisch gekehrt wurden, falls sich eine Möglichkeit dafür bot.

So war es in der DDR und nicht anders

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