Читать книгу Greystone Manor - Gerda M. Neumann - Страница 10
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ОглавлениеDie Nacht über hatte es geregnet, jetzt war der Himmel wolkenfrei und sehr hoch. Als Olivia in die schmalen heckengesäumten Straßen um Copper Hill eintauchte, kurbelte sie das Seitenfenster herunter und rollte friedlich dahin. Sie roch die frische Erde, freute sich an Huflattich, Primeln und den ersten Veilchen, die ihr in diesen tiefeingesunkenen alten Wegen fast auf Augenhöhe entgegenwuchsen, und an den Schatten der Vögel, die durch die Hecken oberhalb der kleinen Blumen huschten. Sie kam durchs Dorf, an der Kirche und dem Gemeinedesaal vorbei. Als sie auf der anderen Seite wieder zwischen den Hecken versank, tauchte sehr bald die Einfahrt von Greystone Manor auf. Sie parkte ihren alten Saab so weit von den Wirtschaftsgebäuden entfernt wie möglich. Dort würde er hoffentlich niemanden stören. Entschlossen ging sie denselben Weg, den Lady Gaynesford sie geführt hatte. Schon kam ihr die Frau entgegen, die bei ihrem Besuch nach der Versteigerung den Tee serviert hatte. Sie stellte sich als Mrs Dorothy Jonas vor, die Wirtschafterin von Greystone Manor. Dorothy führte sie in denselben Wohnraum, in dem sie am Samstag gesessen hatte. Olivia ging zur Terrassentür und sah hinaus auf den sitzenden Jaguar. Da war er; noch in Ruhe, doch an seiner Kraft bestand kein Zweifel.
Lady Gaynesford trug heute ein dunkelgrünes Kleid mit silbergrauem Schal. Heiter betrat sie den Raum, umschloss mit beiden Händen Olivias Rechte und sah sie für einen konzentrierten Augenblick sehr genau an. Offensichtlich einverstanden setzte sie sich, diesmal in einen Sessel an der Glastür, und läutete.
»Ich möchte Ihnen zur Begrüßung eine heiße Schokolade anbieten so wie ich sie gern trinke.«
Die Tassen, die Dorothy hereinbrachte, gehörten zu den dampfenden Geistern, nur war dieses Mal die Grundfarbe ein leuchtendes Dunkelblau. Alles vollzog sich ruhig und zügig wie beim ersten Mal: Dorothy stellte Tischchen neben die Sessel, eine Schale mit Ingwergebäck in erreichbare Nähe und goss das heiße Getränk in die Tassen. Ein über die Massen verlockender Duft nach Zartbitterschokolade mit einem Hauch Vanille stieg davon auf.
»Schon die Azteken tranken Kakao, sie genossen ihn kalt und süßten mit Vanille,« erzählte Lady Gaynesford, die heiße Tasse zwischen den Händen haltend. »Meine Kinderfrau in Belize, sie gehörte zu den Maya, nicht zu den Azteken natürlich, brachte mir jeden morgen eine Tasse dieses gewürzten Kakaos ans Bett. Sie war der Überzeugung, nur so gestärkt könne ich in den neuen Tag starten. Auch als ich schon fast erwachsen war – mit achtzehn Jahren fühlt man sich erwachsen, nicht wahr – behielt sie ihre Gewohnheit, und ihre Überzeugung, bei. In Mexiko trank ich dann kaum je Kakao. Erst als ich in dieses Haus in England kam und Mittelamerika weit entfernt lag, nahm ich die Gewohnheit meiner Kindertage wieder auf. Zwar beginnt mein Tag seither mit einer Tasse Tee; am späten Vormittag aber mache ich regelmäßig eine Pause und trinke meinen indianischen Kakao. Das Pulver kommt übrigens wirklich aus Mexiko und nicht aus Afrika wie heute der meiste Kakao.«
Olivia hatte zuhörend vorsichtig probiert und was sie trank, war überraschend weich und mild auf der Zunge, wiewohl weniger süß als der ihr vertraute Geschmack. Es war gut.
»Ich wusste, dass es hier jetzt heiße Schokolade gibt! Liebe Tante, du verzeihst mein frühes Eindringen und spendierst mir eine Tasse?«
Ein junger Mann, in makelloses Beige von sportlich-elegantem Zuschnitt gekleidet, beugte sich über Lady Gaynesford und begrüßte sie mit einem Kuss. Lächelnd erwiderte sie seine Begrüßung, hieß ihn nach einer weiteren Tasse läuten und sich setzen. Daraufhin wandte sie sich an Olivia.
»Darf ich Ihnen meinen Neffen David Gaynesford vorstellen.« David schaffte gerade noch, sich formvollendet zu verbeugen, bevor er in einen Sessel sank.
»Und mein Gast, David, ist Miss Lawrence. Sie wird für eine deutsche Zeitung einen Artikel über mich schreiben.«
Während sie weiter heiße Schokolade und Ingwergebäck zu sich nahmen, fuhr Lady Gaynesford mit einem Anflug von Stolz fort: »David studiert Archäologie. In seiner Doktorarbeit beschäftigt er sich mit ägyptischer Kleinplastik und den durch sie überlieferten Verrichtungen des täglichen Lebens; was mich zu der Frage veranlasst,« damit wandte sie sich wieder ihrem Neffen zu, »warum du hier und nicht in London bist?«
»Der Frühling! Weißt du, wenn die Natur wieder erwacht, zieht es den Engländer aufs Land,« antwortete er mit ironischem Pathos, »aber ich habe meine Arbeit mit herausgebracht. Es besteht immer noch begründete Hoffnung, sie vor meiner Abreise abzuschließen – ich werde in gut zwei Wochen nach Oberägypten fahren, um an einer Ausgrabung teilzunehmen,« erklärte er Olivia und berichtete anschaulich von den Zielen dieser Exkursion. Olivia stellte weitere Fragen zu seiner Erwartung, an dieser Stelle auch Kleinplastiken zu finden und zu deren Bedeutung innerhalb der altägyptischen Welt. David schenkte heiße Schokolade nach und es schien unvermeidbar, dass auch die Figuren der altamerikanischen Kulturen Gegenstand der Unterhaltung wurden. Olivia beobachtete eine leichte Rivalität zwischen Lady Gaynesford und ihrem Neffen, was den höheren künstlerischen Wert der indianischen oder ägyptischen Bildwerke anging.
»Lady Gaynesford,« nutzte sie eine Pause, »Sie selbst haben doch eine hochinteressante Sammlung olmekischer Figuren.«
»Und die werde ich Ihnen jetzt zeigen,« erhob sich die alte Dame energisch. »Entschuldigen Sie, dass ich dieses Gespräch überhaupt zuließ. Sie sind schließlich zum Arbeiten hier und vergeuden Ihre Zeit.« Schon schritt sie in den kurzen Gang neben dem Salon und stieg die Treppe hinauf. Hinter dem Treppenabsatz erhob sich ein hohes schmales Fenster. Davor stand eine große ovale Schale, aus der eine Palme emporwuchs. Als sie sich am Ende der Treppe umwandte, sah Olivia in einem in die Wand eingelassenen Regal eine Dreiergruppe stehender Figuren, völlig realistisch dargestellt mit herabhängenden Armen, doch birnenförmig nach oben verlängerten Köpfen, leicht geöffneten breiten Mündern und großen, etwas seitlich in die Länge gezogenen Augen. Sie waren aus glänzend poliertem Stein gearbeitet. Im Fach darüber saß eine einzelne Figur aus gröberem und damit rauerem Stein, die einen großen zylinderförmigen Gegenstand in den Händen hielt und über ihn hinweg auf ein weiter entferntes Ziel blickte. Ihr Gesicht zeigte den Mund mit den aufgeworfenen Lippen und der breiten flachen Nase, wie Olivia es von olmekischen Kolossalköpfen her kannte. Eingehend betrachtete sie die Figuren, bis Davids Frage dazwischen drang: »Sind sie nicht archaisch?«
Olivia blickte auf und sah den eleganten jungen Mann an. Hinter seinen Schläfen pochte das Blut. Ihre Augen trafen seinen fordernden Blick: »Sicherlich, wenn man ägyptische Figuren daneben denkt, deren kultivierte Kleidung und Frisuren; auch deren Physiognomie steht uns sicher näher. Aber schauen Sie, die tiefe Menschlichkeit dieser Gesichter, das In-sich-Ruhen, welches mit entspannter Aufmerksamkeit nach außen gerichtet ist, verdeutlicht ebenfalls ein hohes Maß an Kultiviertheit, wenn auch von fremderer Art.«
Olivia wandte sich zu Lady Gaynesford um und bevor David eine neue Diskussion auslöste, stieg diese eine schmale Treppe zum Speicher hinauf.
»Dort oben stehen eine Reihe meiner eigenen Figuren, ich möchte sie Ihnen zeigen. Magst du sie womöglich auch sehen, David? Mit Dorothys tatkräftiger Unterstützung habe ich einige Kisten ausgepackt.«
Am Ende der Treppe öffnete sich vor ihnen ein weiter, über die ganze Länge des Hauses laufender Dachstuhl. Es war eine mächtige Holzkonstruktion aus dem sechzehnten Jahrhundert, erfuhr Olivia. Den Lehmverputz zwischen den Balken hatte man weiß gekalkt und die einfachen Bretter des Bodens wirkten wie frisch mit Sand gescheuert. Der Raum war hoch genug, um sich bequem aufrecht bewegen zu können, nur unter den gewaltigen Querbalken, die die Konstruktion in regelmäßigen Abständen stützten, musste man sich hindurch beugen. Unter der Schrägen zur Linken standen die verschiedensten Skulpturen in langer Reihe, gegenüber türmten sich bis ganz nach hinten ans Ende des langen Speichers die verschiedensten Kisten.
Olivia begann unter dem Dachstuhl entlangzuwandern. Sie hockte sich immer wieder in die Knie, um die Arbeiten genauer zu betrachten, während Lady Gaynesford weitersprach: »Als ich nach geeigneten Figuren für die Versteigerung vom letzten Samstag suchte, fand ich völlig vergessene Arbeiten, es war wie eine Neubegegnung mit alten Freunden. Der Vorgang wiederholte sich, als ich jetzt einige frühe Arbeiten ans Tageslicht brachte, um sie Ihnen, Miss Lawrence, zu zeigen. Wissen Sie, niemand verpackt so gewissenhaft Kunstgegenstände wie Museumspersonal, und es bedeutete mir durchaus eine Beruhigung, die Dinge so wohlgeschützt auf dem Speicher zu wissen, während ich mit anderen Arbeiten beschäftigt war. Nun auf einmal scheint der Zeitpunkt eines Resümees gekommen, darüber möchte ich nachher mit Ihnen noch sprechen. Auch die olmekischen Figuren gedenke ich herauszuholen und vielleicht sogar –«
Ein dumpfer Schlag unterbrach sie. Entsetzt fuhren die beiden Frauen herum. Mit einem Gesicht, das für den Augenblick jeden geistreichen Ausdruck vermissen ließ, richtete David sich mühsam auf.
»Um Himmels willen, hast du dich verletzt?« erschrocken streckte Lady Gaynesford beide Hände nach ihrem Neffen aus, der schweigend, sehr bleich und benommen knapp vor dem letzten Querbalken stand. Olivia wandte sich leise wieder ab, um ein unpassendes Lachen zu verbergen, und ihr Blick fing sich an einer kleinen Jaguarfigur zuoberst auf den Kisten am Ende des Speichers.
Zumindest blickweise musste ihr die alte Dame gefolgt sein: »Nehmen Sie ihn ruhig in die Hand. Nach den Maßstäben der Archäologie ist er sehr jung, sechzig bis siebzig Jahre. Mein Lehrer in Yukatan hat ihn gearbeitet und ich suchte ihn eigens für Sie aus den alten mexikanischen Kisten heraus.«
»Hallo, David! Geht es dir nicht gut? Du siehst blass aus.« Eine junge Frau, groß und schlank, mit einer auffallenden Fülle aschblonder langer Haare kam von der Treppe auf Lady Gaynesford zu.
»Ich hatte in deiner Gegend zu tun und alles lief so viel reibungsloser als man hätte hoffen dürfen, dass ich nicht widerstehen konnte, dir die Hand zu schütteln,« teilte sie mit, doch stattdessen umarmte sie die alte Dame sanft und herzlich; ein grüßender Blick streifte Olivia. »Aber ich habe sichtlich keinen ruhigen Augenblick getroffen und will auf gar keinen Fall stören!« Sie drückte Lady Gaynesford einen Kuss auf jede Wange und schoss davon, bevor die alte Dame sie aufzuhalten vermochte.
Ihrer zukünftigen Schwiegertochter Laureen nachschauend fiel deren Blick erneut auf David: »Junge! Du solltest dich setzen. Komm, wir gehen hinunter und bitten Dorothy um einen starken Kaffee. Ein Eisbeutel würde deinem Kopf sicher auch helfen. Komm!«
Lady Gaynesford war schon fast an der Treppe, bis David sich so weit aufgerafft hatte, dass er wieder Herr seiner selbst wurde: »Lass dich von mir, bitte, nicht weiter aufhalten. Ein kräftiger Schlag auf den Hinterkopf von Zeit zu Zeit fördert sicherlich die Konzentration. Ich werde jetzt nach Hause gehen und mich mit einer Kanne Kaffee an meinen Schreibtisch setzten. Das hätte ich schon früher machen sollen.« Eine leichte Verbeugung zu Olivia, ein Kuss für seine Tante und seine Schritte verklangen auf den Stufen.
Leichte Besorgnis war Lady Gaynesford anzumerken, als sie, die sich ihrerseits geläufig unter den Querbalken hindurch beugte, zu Olivia zurückkehrte. »David ist ein Perfektionist, wissen Sie. Wenn ihm ein Fehler zustößt, wie unwichtig auch immer, kann ihn der Humor verlassen. Es krachte ja auch eindrucksvoll, Sie konnten es gar nicht überhören.« Ein feines Lächeln spielte um ihre Lippen.
»Nun denn, wenn er diesen Anspruch auf Perfektion in seinem Beruf auslebt, wird er ein hervorragender Wissenschaftler werden.«
Olivias Finger waren währenddessen weiter über die glattpolierte Fläche des kleinen Jaguar glitten.
»Aus was für einem Material ist er gemacht? Er ist derart detailgenau und fein gearbeitet, dass es fast kein Stein sein kann und doch…«
»Nein, es ist kein Stein. Das Material ist indianisch. Die Tolteken fanden heraus, dass mit Wasser angerührter sehr feiner Kalk, also Gips, über längere Zeit in einer Art Schwebezustand gehalten werden kann, wenn man eine Lösung aus pflanzlichem Gummi hinzugibt. Auf diese Weise sind feinste Arbeiten möglich. Nach der vollständigen Erstarrung kann dieses Material so glatt poliert werden wie Marmor und ist nach dem Trocknen so hart wie Stein. Mein Lehrer Onetti experimentierte darüberhinaus mit pflanzlichen Farbstoffen, die ihm schließlich erlaubten, Figuren in den verschiedensten Farben zu arbeiten. Der einzige Nachteil dieser Technik ist, dass Feuchtigkeit schadet. In den Garten sollte man solche Skulpturen nicht stellen, vielleicht auch nicht ins Badezimmer.«
»Haben Sie ebenfalls damit gearbeitet?«
»Oh ja. Das Material ist sehr angenehm, vor allem, weil es nicht so viel physische Kraft verlangt; es ist relativ preiswert und bringt die Möglichkeit der Farben hinzu. Kommen Sie, in meinem Schlafzimmer stehen ein paar Arbeiten daraus. Ich zeige sie Ihnen.«
Am Fuß der Speichertreppe stand Olivia wieder vor den olmekischen Figuren. Rechts neben ihr öffnete Lady Gaynesford die Tür zu einem großzügigen hellen Raum. Die der Tür gegenüberliegende Wand bestand hauptsächlich aus Fenstern, die Wände waren weiß und die alten Dielenbretter mit einem Teppich in stillem tiefdunklem Grün belegt. Darauf und auf kleinen Tischen und hochbeinigen Blumenständern standen inmitten einer Fülle verschiedener Grünpflanzen Skulpturen von unterschiedlichster Größe und Farbe. Sie alle stellten menschliche Figuren dar. Es war eine Art Parklandschaft, die vor der gesamten Fensterfront ausgebreitet in einem Bogen zur Badezimmertür links hin ausschwang. Begeistert blieb Olivia eine Weile stehen und schaute, bis sie weiter in den Raum hineintrat. Lady Gaynesford erläuterte einzelne Figuren, erzählte von ihrer Entstehung oder sprach von Vorbildern. Sie unterhielten sich über Figuren und Menschen. Und sie sprachen über Pflanzen, über die Herkunftsländer vieler heute in England und überhaupt in Europa als Zimmerpflanzen bekannter Palmen, von denen es in diesem Raum etliche gab. Direkt vor dem Fenster standen einige ursprünglich mexikanische Kakteen, ein gewaltiger ebenfalls mexikanischer Flaschenbaum bildete mit der aufspringenden Figur neben sich eine überzeugende Einheit. Dazu gruppierten sich Farne, einheimische, japanische und zwei australische Baumfarne, von denen einer allerdings abgestorben zu sein schien. Lady Gaynesford blieb vor ihm stehen und strich ratlos über die verwelkten Blätter.
»Vor zwei Tagen war er noch so frisch wie alle Pflanzen hier, das heißt am Morgen, als ich ihn goss. Ich gieße jeden Morgen das restliche Wasser aus der Karaffe, die nachts auf meinem Nachtkasten steht, an eine der Pflanzen. Nun, wie gesagt, als ich das tat, war der Baumfarn noch wunderschön, am Abend sah er so aus wie jetzt.«
Es klopfte. Mrs Jonas meldete, dass sie ein Telefonat zu Myladys Schreibtisch durchgestellt habe und Olivia war überraschend allein. Nah an einer der Palmen stehend atmete sie die Frische des Grüns ein. Sie sah auf die glänzenden Blätter und blieb an einem Wasserzerstäuber hängen, skeptisch betrachtete sie den abgestorbenen Farn. ›In the dark valley’s silver-grey fragrance my dim thoughts…‹ Die Todesanzeige schob sich in ihre Gedanken. Einem Impuls folgend nahm sie ihre Puderdose aus der Handtasche, füllte soviel Erde als möglich hinein, beseitigte die Spuren und eilte zur Gästetoilette im Erdgeschoss, um sich gründlich die Hände zu waschen. Als Lady Gaynesford zu ihr zurückkehrte, betrachtete sie wieder den aufmerksam witternden Jaguar im Garten.
»Lassen Sie uns hinausgehen, meine Liebe!« Lady Gaynesford schritt, jetzt mit einem Stock in der Hand, voran. »Dieser Jaguar, der des Morgens, ist aus grünem, besonders grünem Horton-Stein gearbeitet, der sich außerordentlich glatt polieren ließ. Ich liebe die Lichtreflexe auf den spiegelnden Flächen. Der Jaguar des Abends drüben ist aus schwarzem Marmor, der wiederum andere Wirkungen des Lichtes erzeugt.«
Langsam schlenderten sie durch den Garten, sorgfältig zwischen den späten Krokusfeldern hindurch und an einem Teppich blauer Zilla entlang, der nah an der Mauer blühte.
»Im übrigen gehörte das Telefonat, das ich gerade führte, zum Thema dieses Vormittags. Kennen Sie die Zeitschrift ›Arts and Artists‹?« Olivia nickte.
»Dann wissen Sie, dass den Hauptteil eines jeden Heftes eine Künstlermonographie ausmacht, sechzig bis siebzig Seiten mit Photos. Die Redaktion trat vor einigen Monaten in diesem Zusammenhang an mich heran; eine sowohl ehrenvolle wie auch heikle Angelegenheit. Denn die Wahl des Autors der Monographie liegt jeweils beim betreffenden Künstler.« Lady Gaynesford blieb stehen und sah Olivia an. »Ich denke, ein guter Stern hat Sie zu mir geführt und so möchte ich Sie bitten, diese Arbeit zu übernehmen. Wenn es Ihnen nicht allzu unmöglich vorkommt, könnten Sie hier im Haus wohnen und hätten eine Sammlung meiner Figuren, derer von Onetti und einige der alten Olmeken unter Ihrem Dach versammelt. Dazu kommt das Archiv meiner Papiere und all unsere Bücher, die Ihnen eventuell nützlich sein würden. Selbstverständlich stehe ich Ihnen für Fragen und Gespräche zur Verfügung. Bitte denken Sie in Ruhe darüber nach – es würde mich sehr freuen!« schloss sie nachdrücklich.