Читать книгу Das massierte Auto - Gerfried A. Ferchau - Страница 14
ОглавлениеDie Nachricht
Mitte der 1980er Jahre. Wir sitzen mit rund 35 Kollegen und Kolleginnen im Großraumbüro, haben vor uns einen „dummen“ Monitor und eine Tastatur. Die Großrechner und Drucker stehen in einem anderen Raum und füllen diesen und zwei weitere Räume vollständig aus.
Ich habe ein zukunftsträchtigen Job in diesem großen Unternehmen: Ich verarbeite Daten, Finanz- und Personaldaten. Echt aufregend. Na ja, nicht immer. Kann heftig öde und saumäßig anstrengend sein. Und wehe, es passiert ein falscher Fehler, dann steigt nicht nur der Blutdruck bis an die Schmerzgrenze, dann muss zusätzlich mit einem Einlauf durch den Abteilungsleiter gerechnet werden.
Aber heute ist alles gut. Mein Kollege Franz sitzt mir, verdeckt durch seinen Monitor, in entspannter Haltung gegenüber und hackt Computerbefehle in seine Tastatur. Ich tue es ihm nach, nur nicht ganz so relaxed, denn ich bin „der Neue“ in der Abteilung und meine Kenntnisse und Erfahrungen mit der Verarbeitung von Daten sind noch recht übersichtlich. Aber heute ist ja alles gut, denke ich, da macht es plötzlich KLONG und ich erblicke auf meinem Bildschirm ein ungewöhnliches Etwas und bin heftig irritiert und befürchte schon, dass mir nun der bereits erwähnte Einlauf droht. Da sehe ich das grinsende Gesicht meines Kollegen Franz, der sich zur Seite gebeugt hat, nicht auf seinen Monitor, sondern in meine Richtung glotzt.
Na, ist es bei dir angekommen?
Was soll angekommen sein?
Mein Mail!!
Dein Mehl????
Mein M-A-I-L!!!!
Was ist das denn?
Und nun erläutert er mir ausführlich und wissenschaftlich korrekt, was sich hinter elektronischer Post verbirgt.
Und was macht man damit?
Man schickt sich Briefe, elektronische Post eben!
Aha! – Und wo kann ich diese elektronische Post hinschicken?
An Kollegen und Kolleginnen in unserem Gebäude. Das läuft über den Großrechner, mit dem wir alle vernetzt sind.
Aha, soso!
Ich bin not amused über den spaßigen Kollegen, ganz schön spleenig, das mit dem M-A-I-L! Und nach Feierabend habe ich das Gespräch mit meinem Kollegen vergessen.
Ich bin reich, endlich, ich habe eine riesige Villa auf einem Traumgrundstück, mehrere Fahrzeuge in meiner üppigen Garage, sieben Kinder von drei Frauen, das Leben ist schön. Und wie kam das? Vor Jahren habe ich die Chancen und Möglichkeiten von elektronischer Post messerscharf erkannt: Wenn man sich Post auf digitalen Kanälen in einem gekapselten Gebäude zuschicken kann, warum dann nicht auch in der Stadt, im eigenen Land, weltweit? Gesagt, getan, Kündigung eingereicht, Firma mit fünf Angestellten unter meinem Carport in der Reihenhaussiedlung gestartet und innerhalb kürzester Zeit und explosionsartig expandiert. Jetzt ist alles gut.
Da ertönt ein furchtbar hässliches Signal, so, als wenn Metall auf Metall schlägt. Tut es auch, es ist der Oldi-Wecker, der mich aus dem Schlaf und aus meinen Träumen herauskatapultiert und mich lautstark daran erinnert, dass ich in die Firma muss. Es ist, das wird mir siedend heiß klar, nicht meine Firma. Nichts ist gut.