Читать книгу Das massierte Auto - Gerfried A. Ferchau - Страница 17
ОглавлениеSeminar mit Schnitzel
Sommer, Sonne, See. Da liegen wir Studenten faul am Mohnsee. Nicht, dass wir nachlässig wären, nicht die Bohne. Wir sind halt nur ein bisschen lazy, kann doch keine Sünde sein. Ok, wir schwänzen unser Seminar bei Prof. Vaasilev an der FH: „Einführung in die Soziologie“. Aber was soll dieses hässliche Wort „schwänzen“ überhaupt? Wir nehmen uns eine kreative Auszeit, schauen auf den See und auf die Mädels, die sich am und im Wasser rekeln und blinzeln versonnen und happy in die pralle Nachmittagssonne. Leben, watt biste scheen!
Aber dann, dann fängt der eine, dann der andere an zu gähnen und daraus folgt: Es muss eine Entscheidung her. Und Axel meint: Was zu futtern beschaffen, das wäre doch ein ordentlicher und handgreiflicher Beschluss. Udo mault noch ein bisschen, weil er sich gerade in eine grazile Strandschönheit verguckt hat, trägt jedoch die Entscheidung, die nun einstimmig erfolgt, mit feuchten Augen mit. Also lautet das Agreement: Schnitzel brutzeln mit Pommes ohne Vitamine. Salat machen hält nur unnötig auf. Als Vitaminbombe wird gekühltes Bier aus der Dose definiert, als Fress- und Sauflokation bestimmen wird die Johannisstrasse 100, 1. OG, WG – Wohnung von Axel, Udo und dem durchgeknallten Hobby-Gitarristen Fritze. Um 17 h soll das Anbraten erfolgen. Gesagt und durchgesetzt: Die ganze Truppe trudelt überpünktlich mit den Utensilien ein, die sich nach fairer Auftragsverteilung nun in der klitzekleinen Küche stapeln: 5 kg Pommes, 24 Schnitzel, drei verschiedene Currysoßen, Zwiebeln, Senf, Batterien an Dosenbier und eine undefinierbare Menge an guter Laune bei allen Beteiligten. Da kommt Freude auf und Prof. Vaasilev gehört der lästigen Vergangenheit an. Jetzt ein paar Mädels hier, das wäre die Krönung. Oder auch nicht. Denn so können wir Kerle ganz ohne weibliches Einspruchverhalten unsere ausgeklügelten Vorbereitungen für den gigantischen Schmaus starten. Udo, der die Weiblichkeit vom Mohnsee zutiefst vermisst, nervt noch herum. Aber wir sind Studenten und klug, teilen die Arbeit ganz korrekt und nach Leistungsvermögen ein: Udo, der halbwegs mit einem scharfen Messer umgehen kann, muss die Zwiebeln schneiden. Und dann kann er gleich, ohne sich vor der Männer-Meute zu schämen, zu heulen anfangen, weil unsere Schmaus-Sause ohne Mädels abgehen wird.
Es geht voran. Dumm nur: Wir haben keinen Tisch. Da kommt dem bärbeißigen Axel die überzeugende Idee: Er stürmt mit ein paar Getreuen in das Zimmer des abgehobenen Fritze, der mal wieder völlig vergeistigt zu einem Konzert eines Super-Gitarristen abgereist ist, und sortiert um: Die Schlafstatt von Fritz – drei Matratzen auf dem Fußboden – wird zu einem Sitzplatz umfunktioniert, die überaus hässliche dunkelbraune Kommode wird in die Mitte des Raumes verfrachtet, eine Tür flugs ausgehängt und auf dem Möbelstück platziert, ein erstaunlich sauberes Bettlaken von Fritz wird über die Kommode geworfen, Stühle aus anderen Räumen hineingetragen – voila, fertig ist der Raum für die fette Sause!
Inzwischen hat die Brutzelei ein befriedigendes Ende gefunden: Schwarz befleckte Fleischstücke werden ebenso wohlwollend von uns ignoriert oder akzeptiert wie das etwas zu warme Dosenbier an diesem brutigen Sommertag.
Los geht’s! Bis weit nach Mitternacht dauert das große Fressen und Saufen und zurück bleibt ein Schlachtfeld, dass nach Totalrenovierung der gesamten Wohnung riecht.
Nach diesem unvergesslichen Nachmittag und Abend hat sich nun dies entwickelt: Udo und Axel haben ihr Studium der Sozialpädagogik geschmissen und einen Catering-Service der besonderen Art gegründet: Sie richten bei superreichen Familien einen, wie sie es nennen, „bäuerlichen Abendschmaus“ aus. Und das geht so:
50 kg Pommes, 40 Schnitzel, 15 verschiedene Currysoßen, Zwiebeln, Senf, Batterien an Dosenbier einkaufen, Möbel und Türen zu Tischen umfunktionieren und dann eine fette Schmauserei starten. Für die musikalische Begleitung sorgt Fritz mit seiner Klampfe, wahlweise auf einer E-Gitarre oder der altertümlichen Standardklampfe. So erzeugt er eine undefinierbare Menge an guter Laune bei allen Beteiligten. Und ist die Party aus und die Edel-Wohnung der Gastgeber fundamental verwüstet, dann erscheinen Alex & Udo mit ihrem frisch gegründeten Reinigungs- und Tapezierservice und bringen die Gastgeber und das Domizil wieder ins Lot.
Und Fritz begleitet alle Renovierungsaktivitäten angemessen und würdevoll auf seiner Ukulele.
Zu dieser Stadt gehören Autos. Viele Autos des gleichen Herstellers aus dem örtlichen Werk. Und kommst du zum ersten Mal in diese grüne Industriestadt, du glaubst es nicht: nur Neufahrzeuge! Und wie ein Baby, das du austrägst, schleppst du neun Monate einen Neuwagen mit dir herum, dann ist das Vehikel zu einem verkaufsreifen Jahreswagen mutiert, um auf dem überfüllten „Schweinemarkt“ veräußert zu werden. Möglichst mit Gewinn natürlich und ohne Schrammen, denn: Für einen Werksangehörigen gibt es nichts Schlimmeres als ein Kratzer im Jahreswagen!