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Der Auto-Konflikt

Mitten im schönen Westerwald sind wir, zwölf gestandene Kerle, vom Arbeitgeber hinverfrachtet worden. Wir dürfen, sollen, müssen an einem „Konfliktmanagement-Seminar“ teilnehmen. Als wenn das nötig wäre! Wir können doch alle hemdsärmelig, gelassen, ja geradezu cool mit jeder Art von sog. Konflikten fertig werden. Wozu dann noch eine Schulung?


Unsere Trainer lassen uns die Wahl: Wir sollen einen Konflikt nennen, der uns entweder im privaten Bereich oder bei der Arbeit heimgesucht hat. Vorsicht, Falle, denke ich nur, die Fallhöhe ist bei beiden Varianten sehr groß. Was also tun? Ich entscheide mich für „Beruf“. Und dann prasseln taubeneiergroße Fragen über Fragen über mich hernieder, und ich winde mich hin, und ich winde mich her, und komme mit Mühe und seelischen Blessuren aus dem Kreuzverhör heraus. Ich habs geschafft, gebe vor, dringend zur Toilette zu müssen, verschwinde jedoch auf mein Zimmer, dusche den Stressschweiß hurtig ab und kehre flugs in den Seminarraum zurück. Mich scheint niemand vermisst zu haben, gerade ist das Fragen-Trommelfeuer auf den nächsten Delinquenten im Gange. Ich genieße in voller Breitseite meine wiedergewonnene Gelassen- und Ausgeglichenheit und freue mich klammheimlich auf das erquickende abendliche Saufgelage in der hauseigenen „Westerwald-Klause“. Nur noch ein Kandidat muss der Inquisition unterzogen werden. Wenn der einen transparenten Konflikt präsentiert, so meine Hoffnung, dann sind wir mir nichts, dir nichts beim Bierchen und alles wird gut. Aber alles kommt anders. Die Eingangsfrage der Trainer ist immer gleich:

Nun, Konrad, welchen Konflikt können Sie uns denn vorstellen?

Ich habe keine Konflikte.

Okay, es reicht uns die Schilderung nur eines Konfliktes!

Habe ich nicht.

Aha! – Sagen Sie, sind Sie verheiratet?

Ja, seit 27 Jahren.

Und leben Sie in Ihrem eigenen Haus oder zur Miete?

Wir haben eine Mietwohnung mitten in der Altstadt.

Und was machen Sie tagsüber, wenn Sie nicht gerade arbeiten müssen?

Ich schaue viel aus dem Fenster auf die Straße.

Sie beobachten, was draußen vor sich geht?

Ja, das mache ich.

Und was sehen Sie dann?

Eigentlich nicht viel. Nur manchmal …

Ja?

Also, manchmal sehe ich einige Jugendliche.

Und was machen die Jugendlichen?

Die machen oft Blödsinn!

Wie meinen Sie das?

Die kommen die Straße herunter, grölen laut, stoßen gegen die parkenden Autos, knicken schon mal Spiegel zur Seite oder machen noch schlimmere Sachen.

Und das finden Sie nicht gut?

Das ist doch unerhört, wenn die Kerle Beschädigungen verursachen! Und was tun Sie dann?

Ich reiße das Fenster auf und scheiße die Bande so richtig zusammen!

Sagen Sie: Steht auch Ihr Fahrzeug unten auf der Straße?

Nein, ich habe einen Innenhofparkplatz um die Ecke.

Dann sind die Fahrzeuge, die die Jugendlichen u. U. beschädigen, Autos von Ihren Nachbarn oder Gästen?

Ja, natürlich.

Warum kümmern Sie sich um die Fahrzeuge anderer Leute?

Na, Sie stellen Fragen! Einer muss das doch tun und den Jugendlichen die Meinung geigen.

Was sagt denn Ihre Frau dazu, wenn Sie sich um fremde Autos kümmern und die Jugendlichen zur Rechenschaft ziehen?

Die sagt, ich soll das lassen.

Aber Sie können das nicht lassen, oder?

Nein, natürlich nicht, was gesagt werden muss, das muss gesagt werden. Ich lasse es nicht zu, dass die Jugendlichen fremdes Eigentum demolieren.

Ihre Frau lehnt Ihr Handeln ab, Sie machen jedoch weiter wie bisher. Was passiert dann?

Meine Frau verlässt den Raum und redet mit mir nicht mehr.

Wie lange spricht Ihre Frau nicht mehr mit Ihnen?

Drei bis vier Tage!

????

Aber dann kommt sie wieder aus ihrem Zimmer heraus!

Wie häufig spielt sich dieser Vorgang ab?

Einmal in der Woche, mindestens!

Herr Konrad, haben Sie einen Konflikt?

Ach was, wo denken Sie hin, dass ist doch kein Konflikt. Nur eine kleine Meinungsverschiedenheit. Und nach ein paar Tagen ist alles vorbei!

Jahre später geht eine Meldung durch die Presse:

Herr Konrad K., Deutscher, ist nach einem gescheiterten Konfliktmanagement-Seminar im Westerwald auf die Weihnachtsinsel ausgewandert und dort kurze Zeit später in Haft genommen worden, weil er die bekannten roten Krabben daran hindern wollte, dass sie ihre Eier am Strand ablegen. Der örtliche Polizeichef hat ihm erklärt, er bekäme sofort Haftverschonung, wenn er umgehend an einem Konfliktmanagement-Seminar im Westerwald teilnehmen würde.

Das massierte Auto

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