Читать книгу Krankheit beginnt im Kopf – Gesundheit auch - Gerhard Dr. Bittner - Страница 28
4.1.5 Messung - ein Durchbruch für die Stressmedizin
ОглавлениеWissenschaft lebt davon, messen zu können. Während der Zusammenhang von Stress, Ärger, Konflikten und vielen anderen Belastungen in mehr als 20000 Studien indirekt erforscht und nachgewiesen wurde, fehlten zuverlässige Messungen und Messmethoden für die Praxis, vor allem für die Arztpraxis. Heute stehen sie zur Verfügung.
In der Universität konnten wir in großen Messreihen schon längst Stressreaktionen im Körper nachweisen. Wann steigen die Adrenalinwerte, die Kortisolwerte, wie reagieren Puls, Blutdruck, EEG (Elektroenzephalogramm), Hautwiderstand u.a.? Auch eine höhere Aktivität im Gehirn konnten wir durch die PET-Technik (Positronen Emissions-Tomographie) erkennen.
Während unserer Messungen machten wir eine beeindruckende Erfahrung. Anfangs führten wir die Messungen mit Teilnehmern durch, die durch Schicksalsschläge, Krankheit oder sehr negative Erlebnisse stark belastet waren. Die Messungen an den Geräten oder die Laboranalysen zeigten die Belastung deutlich an.
Dann begannen wir damit, uns selbst zu messen. Diesmal ging es mehr um Kleinigkeiten aus dem Alltag. Wir statteten die Teilnehmer mit 24-Stunden-Messgeräten aus. Die Geräte zeichneten durchaus hohe Belastungswerte in Staus, beim Warten in der Schlange an der Supermarktkasse, bei einer kurzen Meinungsverschiedenheit, einem verpassten Zug usw. auf. In Alltagsituationen, die wir gar nicht als wirklich stressig empfanden, hatten wir Stress.
Der nächste Schritt in unseren Messungen war ganz logisch. Wir testeten, ob einzelne Gedanken, Erinnerungen an ärgerliche oder stressende Situationen messbare Stressreaktionen im Körper auslösen. Wir setzten uns in die Messräume und baten Studenten aus unserer Universität, nachdem sie verkabelt waren, an ganz einfache Situationen zu denken. Das waren Gedanken an Unordnung, eine bevorstehende Prüfung, knappe Zeit, eine kritische Bemerkung, an einen Menschen, mit dem sie Konflikte haben, ein Problem, einen Vorwurf, ein Ärgernis von vor zehn Jahren, etwas, was sie am Partner stört, Unfreundlichkeit, eine eigene Schwäche, der Gedanke an knappe Finanzen, eine Enttäuschung, Leistungsdruck, viel Arbeit, volle Schreibtische und vieles andere mehr.
Anschließend weiteten wir diese Messungen auf den Alltag von Führungskräften, Unternehmern, Verkäufern, Sportlern und anderen Gruppen aus.
Dabei lernten wir, dass einzelne, kurze Ärgersituationen, zum Beispiel über Unpünktlichkeit, sofort eine Reaktion im Körper auslösen. Wir lernten auch, dass die Stressbelastung solange andauerte, wie jemand sich in Gedanken damit beschäftigte. Das konnten Stunden sein.