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Das Eisbergmodell

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Über der Wasseroberfläche befinden sich die Themen, über die offen gesprochen wird und über die bereits kommuniziert worden ist oder werden wird. Dazu gehören Ziele, zu erreichende Kompetenzen, Zeitplan, Konzept, Prüfungsbedingungen, Rahmenbedingungen, Sachthemen, Vorgehensweisen, Methoden, Medien, Räume, Orte, Lehrmittel et cetera. Wir reden hier von der Sachebene oder der Sachlogik. Inhalte der Sachebene lassen sich in Sprache ausdrücken und sind hinterfragbar. Hier liegt in der Regel der Grund, warum die Menschen zu dieser Gruppe zusammengekommen sind. Darüber hinaus können über der Wasseroberfläche auch Beobachtungen gemacht werden, die unmittelbar etwas mit dem, was unter der Wasseroberfläche liegt, zu tun haben (siehe Abbildung 1). Als Lehrperson kann man zum Beispiel beobachten, dass die Teilnehmenden gelangweilt oder müde sind, dass die einen zu tuscheln beginnen, etwa, wenn eine bestimmte Person zu sprechen beginnt. Man kann aber auch hören, was Lernende sagen, wie zum Beispiel: «Wer nicht fünf Minuten vor der Zeit da ist, ist zu spät.» Wenn wir so etwas hören, hat das Gesagte mit einem unsichtbaren Wert unter der Wasseroberfläche zu tun.

Abbildung 1:

Schematische Darstellung des Eisbergmodells

Unter der Wasseroberfläche liegen Themen wie Sympathie und Antipathie verborgen, Macht, Einfluss, Zuneigung, Ablehnung, Motive und Motivationen, Liebe, Einstellungen, Haltungen, Werte und Normen, Angst, Nähe und Distanz, Sicherheit, Misstrauen, Kultur, Vertrauen, Erotik, Projektionen, Übertragungen und Gegenübertragungen, Erfahrungen, Tabus, Taktik, heimliche Ziele, Wünsche und noch sehr viel mehr. Diese Themen befinden sich auf der psychosozialen Ebene. Es wird auch oft von der Beziehungsebene gesprochen (vgl. König/Schattenhofer, 2018, S. 29). Dabei geht es nicht nur darum, über was gesprochen wird, sondern vor allem darum, wie man miteinander spricht. Wie ist der Umgangston, die Wortwahl, die Mimik, Blickkontakte? Aufgrund der Wirkkräfte unterhalb des Wasserspiegels entscheidet sich, wem zugehört wird, von wem Vorschläge angenommen werden und von wem nicht, welches Thema Beachtung findet und welches nicht.

In vielen Gruppen ist es ein Tabu, individuelle Verhaltensweisen und ihre Wirkungen anzusprechen. Es wird genährt durch die alltägliche Erfahrung, Sach- und Beziehungsebene zu trennen. Diese Art der Kommunikation, also das Gespräch über das Gespräch, ist gewöhnungsbedürftig und muss geübt werden (vgl. König/Schattenhofer, 2018, S. 30).

Die Eisberg-Theorie besagt, dass das, was sich über der Wasseroberfläche befindet, von dem darunter gesteuert und beeinflusst wird. Das heißt also, wenn sich die Mitglieder einer Gruppe auf der Sachebene nicht einigen können, hat es mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem unsichtbaren, unbewussten Thema zu tun. Das können beispielsweise Einfluss und Macht sein: Über das Sachthema wird ein Machtkampf ausgeführt; es geht nicht um die Sache, sondern darum, wer hier das Sagen hat und sich durchsetzen kann.

Tabelle 1 führt Beobachtungen und hypothetische Überlegungen auf, was sich unter der Oberfläche abspielen könnte:2

Über der Wasseroberfläche zeigt sich Unter der Wasseroberfläche könnte sein
Wenig Lachen Große Ernsthaftigkeit
Kaum Wortbeiträge auf Fragen der Lehrperson Verunsicherung; Demotivation; Einschüchterung; Nachdenklichkeit; Introvertiertheit
Fünf Minuten vor der Zeit da Pünktlichkeit ist ein Wert, Unpünktlichkeit ist ein absolutes No-Go
Ausführliche Gruppengespräche Interesse am Thema; Extravertiertheit
Keine Fragen stellen Angst, als dumm zu gelten; nicht abschweifen wollen; das Gespräch möglichst rasch hinter sich bringen; Desinteresse; alles ist klar und verstanden worden
Begrüßung mit Handschlag Nähe und Verbindlichkeit; Verbundenheit; Freude, einander zu sehen
Grobe Sprache Distanz wahren; Gefühle verbergen
Sich nicht an Gruppenaktivitäten beteiligen Persönlicher Freiraum ist wichtig
Intensives Nachfragen Interesse; Neugier; Motivation; Lernwille; sich profilieren wollen; etwas fürs Geld bekommen wollen
Es wird Kritik geübt Rivalität; Einfluss haben wollen; Machtkampf; etwas stört
Immer mit den Gleichen in der Gruppe sein wollen Sympathie für bestimmte; Antipathie gegen andere; Unsicherheit; wenig Selbstwertgefühl; Angst vor Neuem; Bedürfnis nach Sicherheit; Bedürfnis nach Plausch
Es wird viel gelacht Wohlfühlen; Sympathie; Humor als wichtiger Wert
Das Thema wird infrage gestellt Der Sinn wird nicht erkannt; Angst vor Versagen, Schamangst

Tabelle 1:

Einflussfaktoren auf das sichtbare Verhalten

Die Arbeitsqualität einer Gruppe wird von dem, was unter der Oberfläche liegt, viel stärker beeinflusst als von dem Sichtbaren. Viele Projektgruppen scheitern, nicht weil die Mitglieder nicht über die notwendigen Kompetenzen verfügen, sondern weil ihre Beziehung untereinander gestört ist. Damit auf der Sachebene gute Resultate erreicht werden können, sind Aspekte wie Vertrauen, Verlässlichkeit, Sicherheit et cetera entscheidend.

Eisbergmanagement (E-Book)

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