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Prolog

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Ohrenbetäubend donnerten zivile Cargoflugzeuge und Kampfjets über das graue Rollfeld des Köln-Bonner Flughafens. Der kastenförmige Kleinbus mit weißem Kreuz und der Aufschrift „Bundeswehr“ konnte seine Passagiere nicht vor dem ungewohnten Lärm schützen.

Eng aneinander gekauert saßen in dem Zwanzigsitzer ein Paar mittleren Alters, gekleidet in unauffälligen Farben. Die bleiche Frau rieb unruhig mit dem rechten Absatz über den gummierten Fahrzeugboden. Die Knöchel beider Hände leuchteten weiß durch die Haut, so fest hielt sie die Griffstange am Vordersitz.

„Unser politisches Ideal ist Frieden, Thomas“, Gabriela Geyer redete wie in Trance, „weshalb nur wollte unsere Alexa Soldatin werden.“

„Gabriela, wir haben darüber lange, schlaflose Nächte geredet, bis wir seelenleer in den nächsten Tag stolperten“, zart wischte Thomas Geyer seiner Frau mehrere langsam kullernde Tränen und einen silbernen Haarstrang von der Wange, „wir sollten jetzt nicht über Kanonen und Drohnen reden, wir müssen stark sein für unsere Tochter. Wir beide lieben sie doch.“

Der Fahrer des Busses, die Kampfuniform der Bundeswehr schien frisch gebügelt, hielt an, stieg aus und reichte Gabriela Geyer die Hand. Er sprach in knappen Sätzen: „Kommen sie. Sehen sie das Rolltor dort. Mittig dieser großen Halle. Die Tür links daneben, da eintreten.“

Sehen grottenhässlich aus, diese grauen Bundeswehrhandschuhe, dachte Thomas Geyer als der Soldat seinen Zeigefinger zum Hangar ausstreckte.

Gabriela Geyer drehte langsam den Kopf und schaute sich unsicher um. Thomas Geyer hakte ihren Arm unter und dennoch schlürften bei den ersten Schritten ihre Sohlen und Absätze über den Boden.

Nur noch zehn Schritte höchstens, zum olivmatt gestrichenen Hangar. Gabriela Geyer blieb abrupt stehen.

Leicht nach vorne gebeugt sprach sie, nahezu lautlos, ohne die Lippen zu bewegen: „Ich geh da nicht rein, ich kann das noch nicht! Sag Thomas, ist es nicht ungeheuerlich, immer noch Gesundheit und Leben unserer Kinder am Hindukusch zu opfern, obwohl der Kriegsgrund Osama bin Laden bereits im Mai 2011von einer amerikanischen Spezialeinheit erschossen wurde. Keine fremde Macht wird Afghanistan befrieden, keine.“

„Lehn dich an mich und hole tief Luft“, flüsterte ihr Mann und legte fest seinen Arm um ihre Schultern als wolle er sie beschützen.

„Warum, Thomas, drängte unser einziges Kind dickköpfig zum Militär und wird uns nach wenigen Wochen in einem Rollstuhl zurückgegeben? Zurück aus einem wie sie sagen „friedenzwingenden Einsatz“. Ein Dutzend Jahre nach Kriegsbeginn. Warum? Wir beide haben an jeder bedeutenden Friedensdemo mitgewirkt, dein Vater war durch knallharte Erfahrungen im zweiten Weltkrieg zum Pazifisten geworden. Mein Vater und meine Mutter sind Kriegsgegner. Warum meldete sich unser Kind auch noch zum Kampf gegen die Taliban?“

„Komm, Gabriela, komm mit zu deiner Alexa. Sie lebt! Sie braucht uns, jetzt. Mehr denn je. Denke an deinen Enkel Marlon. Eltern müssen sich lebenslang ihrer Aufgabe stellen. Auch wir. Wir müssen stark sein und Zuversicht zeigen.“ Und wieder streichelte er über ihre Wangen.

„Thomas, hilf mir. Die Menschen in Afghanistan sehnen sich bestimmt nach Frieden. Dienen Nato und ISAF nur dem Machterhalt? Ich habe kalte Hände. Will ich denn mit etwas konfrontiert werden wonach ich nie suchte?“

„Gabriela, werde in deiner Verzweiflung nicht ungerecht. Jetzt ist die Stunde unser Kind zu begrüßen, wie immer wir sie auch vorfinden. Wir sollten uns freuen sie lebend wieder zu sehen. Vielleicht hat Alexa die Gene ihres Urgroßvaters Hans geerbt, der war fanatischer Soldat und hat ihr seine Orden vererbt. Familiengeschichte geht auch an uns nicht spurlos vorbei. Doch nun, lass uns funktionieren, wie es Eltern müssen. Du bist doch der starke Rückhalt unserer Familie. Wir gehen auch diesen schweren Schritt gemeinsam.“

„Ja, wir müssen über unsere Familie reden. Ich weiß zu wenig über unsere Vorfahren. Für mein Verständnis brauche ich das nun.“

„Unsere Großeltern und Eltern hatten tausend Gesichter, Kriegstreiber und Friedensbotschafter. Doch nun komm, Gabriela, wir treffen endlich unsere Alexa, unser Kind. Wir müssen ihr zeigen, dass wir sie lieben, egal wie wir sie vorfinden. Wir müssen sie in unsere Arme nehmen, sie soll uns spüren.“

Der einsetzende Regen beschleunigte ihre Schritte.

Rotes Moor

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