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Fröhlicher Marsch

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Wir vier machten uns an einem Sonntagvormittag auf den Weg zu unserem Mischwäldchen. In fast regelmäßigen Abständen blendete das Sonnenlicht auf und ab, so als ob oben jemand mit einer großen Taschenlampe spielte. Eine starke Strömung trieb unentwegt Regenwolken über uns hinweg. Manchmal riss eine davon auf und benetzte uns mit ein paar Tropfen. Aprilwetter im Oktober …

Über Feldern stiegen Drachen hoch, tauchten in tiefhängende Wolkenfetzen ein, kletterten höher hinauf, so weit die Schnüre reichten, und leuchteten da oben in grellen Farben wieder auf.

Am Ziel angelangt, nahmen wir Suchformation ein, um das Wäldchen regelrecht durchzukämmen, denn wir waren am Vortag schon hier gewesen und mussten nun aufspüren, was wir übersehen hatten, von ein paar »Neugeborenen« abgesehen. Mit fanatischem Eifer suchten wir unsere Familienpilzmahlzeit zusammen und verdrängten dabei den Umstand, dass sich der Himmel zunehmend verfinsterte und auf eine ausgiebige Entladung vorbereitete.

Wolkenbruchartig prasselten plötzlich Wassermassen auf uns. Von den jungen Bäumen kam kein Schutz, und unsere Laubhütte, die wir eiligst aufsuchten, wurde schnell durchlässig, so dass wir alle bald bis auf die Haut nass waren. Es blieb uns nichts anderes übrig, als den Heimweg anzutreten und gute Miene zum bösen Spiel zu machen, egal, ob der Regen nachlassen oder gleichbleiben würde. Da an uns ohnehin keine trockene Stelle mehr war, fiel uns das auch nicht schwer. Wir genossen den Regen, als sei er ein erfrischendes Duschbad, schlürften das Regenwasser, bespritzten uns gegenseitig und wurden dabei immer ausgelassener, lachten und lärmten und fingen gar an, Lieder zu singen, die uns gerade einfielen.

In solcher Hochstimmung wanderten wir auf die Stadt zu. Als wir sie erreichten, hatte der Niederschlag nachgelassen. Bäche stürzten die abschüssige Straße hinunter und umspülten uns. Und bald schon umschmeichelten uns wieder Sonnenstrahlen, als wollten sie uns für Regen und Traufe entschädigen. In den Häusern linkerhand wurden Fenster geöffnet, Köpfe kamen zum Vorschein, wir bekamen Zuschauer. Und wie im Schauspiel entstand zwischen den »Rängen« und den »Helden« eine innere Bindung. Man nahm winkend und mit Zurufen Anteil an unserem ungewöhnlichen Treiben, und wir bedankten uns mit Zugaben.

Zu Hause wurden die Stiefel von einigen Litern Wasser befreit und alle Abenteurer nacheinander ins heiße Bad gesteckt. Nicht einmal ein Schnupfen, nur unsere Erinnerung an diese wenig erfolgreiche, aber am Ende doch so lustige Pilzwanderung blieb zurück.

Und die Moral von der Geschicht’? Pilzfreunde müssen damit rechnen, vom Regen überrascht zu werden.

Wind und Wetter nicht zu achten, allen Witterungsunbilden zum Trotz aufzubrechen, um seine Pilzstellen aufzusuchen, ist gewiss nicht jedermanns Sache. Das nehmen nur wenige auf sich, die ich zur Kategorie der »Pilzjäger« zählen möchte.

Ich habe meinen Kindern immer wieder erklärt: Es gibt Pilzsammler, Pilzsucher und Pilzjäger. Wir sind Pilzjäger. Dabei ging es mir darum, eine Steigerung zu finden, die das unterschiedlich intensive Verhältnis von Pilzfreunden zum Gegenstand ihrer Liebhaberei ausdrücken könnte. Nach meiner Überzeugung gibt es ihn, den Pilzjäger, als Typ. Aber wodurch zeichnet er sich vor anderen Pilzfreunden aus? Sicherlich nicht allein dadurch, dass er, wie der Weidmann oder der Petrijünger, einige Unannehmlichkeiten bei der Jagd auf sein »Wild« in Kauf nimmt. Er hat auch vieles andere mit den Anhängern der ersten und zweiten Jagd gemeinsam, weshalb er mit diesen zu Recht in eine Reihe gestellt werden kann: Er ist Kenner und Routinier. Er kennt ein größeres Spektrum an »jagdbarem Wild«; er weiß, wann und wo er welches »Tier« ansprechen kann, sucht gezielt, spürt das »Wild« auf, wo es steht und wechselt. »Jagdzeit« ist für ihn das ganze Jahr. Das sind wesentliche Ursachen seiner größeren Erfolge.

Natürlich gehört zu jeder Jagd, wie man weiß, immer auch ein bisschen Glück.

Ein Pilzfreund erzählt

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