Читать книгу Ein Pilzfreund erzählt - Gerhard Kurenz - Страница 7
Eine angenehme Überraschung
ОглавлениеAn mehr oder weniger guten Bekannten, die zu einer Pilzwanderung mitgenommen werden möchten, fehlt es dem erfahrenen Pilzfreund kaum. Deren Motive können weit auseinander liegen: den einen geht es um den Einmaleffekt, ein paar selbst gesuchte Pilze heimzuholen, die anderen wollen auf Dauer Nutzen ziehen. Letztere sind potenzielle Konkurrenten. Also muss man sich die Bittsteller genauer ansehen und mögliche Folgen überdenken, ehe man ihrem Drängen nachgibt.
In unsere Einrichtung kam eines Tages von weither ein neuer Mitarbeiter, der mich, nachdem ihm mein Ruf als Pilzfan zu Ohren gekommen war, geradezu bestürmte, ihm »auf die Sprünge zu helfen«. Das war so ein Potenzieller. Obwohl ich das erkannte und Nachteile voraussah, konnte ich ihn aus Höflichkeitsgründen nicht abwimmeln. Dass er mir in der Folgezeit nicht ins Gehege kam, lag daran, dass er das von mir ausgewählte Gebiet in einem Waldmassiv bei Hanshagen später allein nicht wiederfand. Bald hatte er seine eigenen Reviere abgesteckt.
Also fuhren wir mit Wagen bis zu einem Wegekreuz, wo ich jedes Mal parkte, stiegen aus und schlugen die von mir bevorzugte Route ein, die mehrere hundert Meter durch lichten Kiefernhochwald führte. Die Suche war mühelos, unsere Körbe füllten sich zusehends vor allem mit jungen, kräftigen Maronenröhrlingen. Mein Begleiter ließ seiner Begeisterung freien Lauf, während in mir der Gedanke Gestalt annahm, diese Pilzstelle künftig mit ihm teilen zu müssen.
Wir waren an jenem Brandstreifen angelangt, hinter dem das junge, niedrige und dichte Fichtengehölz begann, das ich allein oder in familiärer Begleitung mehrfach ohne nennenswerten Erfolg nach Pilzen abgesucht hatte. Da hieß es umkehren, und ich traf schon Anstalten dazu, als sein Freudenschrei ertönte. Er sprang hinaus auf den Brandstreifen und überquerte ihn hastig. Bald entdeckte ich auch den Grund: Steinpilze drüben am Saum des Wäldchens, etwa zwanzig Stück, alles Prachtexemplare! Es sah aus, als hielten kleine Waldkobolde eine festliche Versammlung ab. Noch nie hatte ich so viele schöne und noch dazu gesunde Steinpilze auf einem Fleck gesehen. Das war ein Schatz, den ich allein bestimmt verfehlt haben würde, denn ich hätte diesen Waldrand »aus Erfahrung« keines Blickes gewürdigt.
So offenbarte ich einem Kollegen eine meiner Pilzstellen und gewann durch ihn eine neue hinzu. Jahrelang ernteten wir dort unsere Steinpilze, bis der Ertrag immer geringer wurde. Zugleich erhielt ich eine heilsame Lektion, was die Erfahrung mit fündigen und nichtfündigen Flecken betrifft. Ganz abgesehen davon, dass man auf Waldränder immer ein Auge haben sollte, kann man leicht Chancen versäumen, wenn man die Veränderlichkeit der Pilzflora außer acht lässt und sich allzu starr an »seine Pilzstellen« klammert.