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Unsere Hakenkreuzfahne

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Die Nazis haben ihren Sieg ausgiebig gefeiert. Sie führten auch neue Gedenktage ein. Sie sollten an die Erfolge und auch an die Toten aus der sogenannten „Kampfzeit“ erinnern. An solchen Tagen – wie auch am 1. Mai, am Heldengedenktag und natürlich auch an Hitlers Geburtstag – wurde die allgemeine Beflaggung angeordnet.

Jede Familie musste eine Hakenkreuzfahne kaufen und sie an jedem dieser Flaggentage aus dem Fenster hängen. Der jeweilige Blockwart der Partei achtete peinlich genau darauf, ob auch jede Familie dieser Pflicht nachgekommen war.

Diese Fahne wurde bald zum echten Kultobjekt. Konnte man doch mit einer großen Fahne, dazu aus wertvollem Material, auch nach außen hin so schön seine Verehrung für den Führer zeigen.

Zu meinem großen Leidwesen hat mein Vater nichts von Wettbewerben dieser Art gehalten. Das ging vollkommen an ihm vorbei.

Hitler hin, Hitler her. Ihm ist es grundsätzlich gegen den Strich gegangen, dass er da zu etwas gezwungen wurde, was er freiwillig nie getan hätte.

Er ließ sich nun mal nicht gern vorschreiben, was er zu tun und was er zu lassen hatte. In solchen Fällen konnte er auch schon mal ganz schön stur sein, mein lieber Papa!

Also kaufte er eine Hakenkreuzfahne, weil er das musste. Und so hatte sie auch ausgesehen. Allein in dieser Fahne lag schon eine gehörige Portion Protest.

Es war eine kleine Fahne. Sie war weder schön, noch war sie aus wertvollem Material. Schon beim ersten Regen waren die Farben ineinander gelaufen. Der weiße Innenkreis mit dem schwarzen Hakenkreuz hatte das Rot der Fahne angenommen. So konnte bei mir keinerlei Freude aufkommen, wenn mal wieder eine Beflaggung angesagt war. Da stand ich unten auf der Straße und habe all die schönen großen Fahnen in der Nachbarschaft bewundert. Aber wenn ich dann nach oben geschaut habe – in den dritten Stock, wo wir gewohnt haben – und wenn ich dann Papas mickriges, kleines Fähnchen erblickt habe, da habe ich mich aufrichtig geschämt.

Unser Fähnlein bot ein Bild des Jammers.

Das sehen die Nachbarn doch auch, habe ich mir gedacht. Auch meinem Vater wird das nicht entgangen sein. Aber ihn hat das kalt gelassen. Ich hatte manchmal das Gefühl, dass er das sogar genossen hat. Er hatte wohl seinen Spaß daran, wenn er ab und an mal so richtig gegen den Strom schwimmen konnte.

Er wusste, dass er nichts Unrechtes getan hatte. Über die Größe der Fahne hat es auch in der Hitler – Diktatur kein Gesetz gegeben.

Irgendwann hab ich mir ein Herz genommen und meinen Vater auf unsere mickrige Fahne angesprochen. Ich habe ihn gefragt, ob er nicht – bitte, bitte – eine schönere Fahne kaufen könne. Er gab sich darauf kurz angebunden: „Für eine größere Fahne gebe ich kein Geld aus.“

Der Ton, mit dem er das sagte, ließ keine weiteren Fragen zu. Das habe ich gewusst.

Meine Jugend in Erfurt unter Hitler 1933–1945

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