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Der KdF-Wagen, aus dem nach dem Krieg der Volkswagen wurde

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KdF war die Abkürzung für „Kraft durch Freude“. So wurde im Dritten Reich die große staatliche Ferienorganisation genannt. Sie stand unter dem Dach der „Deutschen Arbeiterfront“, die wiederum die Nachfolgerin der zerschlagenen Gewerkschaften gewesen ist.

Mit KdF sollte der arbeitenden Bevölkerung ein bezahlbarer Urlaub ermöglicht werden. Urlaub galt damals weitgehend noch als Luxus. Nicht sehr viele konnten ihn sich leisten.

Auch meine Eltern haben von diesem neuen Angebot Gebrauch gemacht. 1935 waren wir in Füssen/Allgäu, 1936 in Wyk auf Föhr. Für die jeweils 8 Tage mussten pro Person 35 Mark bezahlt werden. Das war weniger, als der durchschnittliche Wochenverdienst eines Arbeiters.

Im Jahr 1938 haben meine Eltern mit der „Wilhelm-Gustloff“ an einer großen Norwegen-Rundfahrt teilgenommen.

Mit der Füssen-Reise verbinden mich noch sehr gute Erinnerungen. Wir waren privat untergebracht, wie das bei den meisten KdF-Reisen üblich gewesen ist.

Weit mehr als die schöne Berglandschaft hat mich das Honigbrötchen interessiert, welches es jeden Morgen zum Frühstück gegeben hat. Bisher habe ich nur Mutters köstliche, selbst eingemachte Marmelade gekannt. Die war auch prima. Aber dieses Honigbrötchen jetzt, das war für mich das Höchste. Und das ist auch heute noch das Erste, was mir einfällt, wenn ich das Wort Füssen höre.

Der absolute Horror war für mich Siebenjährigen eine Ruderpartie auf einem der zahlreichen Seen in dieser Gegend. Mein Vater hatte sich vorher lange mit dem Bootsvermieter unterhalten. Und da hatte ich einige Gesprächsfetzen aufgefangen, die gar nicht gut bei mir angekommen sind.

Als damals noch Nichtschwimmer wusste ich jetzt, dass dieser See 95 m tief ist und, dass in einem See ganz in der Nähe sogar einmal ein König ertrunken ist. Dieses Wissen hat mich die ganze Stunde auf dem See nicht losgelassen. Ich war erst wieder richtig froh, als diese Bootsfahrt zu Ende gewesen ist.

Die Hin- und Rückfahrt geschah in einem Nachtzug. Mein ideenreicher Vater hatte für mich gut vorgesorgt. Damit es mir während der Nacht an Nichts fehlen sollte, hatte er eine Hängematte im Gepäck. Die hat er quer durchs Abteil – vom Fenster zur Tür – gespannt. Frei über den Köpfen der Anderen schwebend, habe ich einigermaßen gut schlafen können.

Die inzwischen populäre Bezeichnung „KdF“ sollte auch der Name für ein, sich in der Entwicklung befindendes, neues Auto werden. So, wie die KdF-Reisen, so sollte auch dieses Auto für Jedermann erschwinglich werden. Das war der Grundgedanke.

Mit den Konstruktionsarbeiten wurde der damals schon bekannte Professor Porsche beauftragt. Der bekam dafür weitreichende Vollmachten. Kosten sollten dabei keine Rolle spielen. Alles hat unter größter Geheimhaltung stattgefunden. Das war üblich in einem totalitären System, wie es das Dritte Reich gewesen ist.

Diesem gewaltigen Projekt wurde ein so hoher Stellenwert beigemessen, dass es allein Hitler vorbehalten sein sollte, es als Erster vor dem deutschen Volk zu verkünden.

An diesem Tag im Jahre 1937 kann ich mich noch gut erinnern. Auch an die begeisterten Reaktionen, die diesem Ereignis folgten. Ich hielt mich an diesem Tag bei den Großeltern auf. Auch sie besaßen inzwischen den Volksempfänger. Auch der Volksempfänger war ein Prestigeprojekt, welches man für sagenhafte 35 Mark kaufen konnte.

Ich hörte, wie das Programm durch eine Fanfare unterbrochen wurde. Jeder hat dieses Signal gekannt. Darauf folgte immer eine „Sondermeldung“. Die begann mit dem üblichen: „Achtung, Achtung!“. Das waren die Worte, die damals jeder Bekanntmachung vorangestellt wurden.

„Unser Führer und Reichskanzler Adolf Hitler wird in Kürze eine wichtige Rede an das deutsche Volk halten“.

Daraufhin wurde das Programm geändert. Wir hörten jetzt nur noch Marschmusik, welche in regelmäßigen Abständen unterbrochen wurde, um die Ankündigung der Führerrede zu wiederholen.

Jeder hat gewusst, dass es noch geraume Zeit dauern würde, bis Hitler mit seiner Rede beginnt.

Es begann die bekannte Zeremonie und das Getöse, welches jeder Rede vorangegangen war.

Wer zufällig sein Radio einstellte und die Marschmusik hörte, der wusste, dass bald etwas besonderes geschehen wird. Der blieb dann meist gespannt vor dem Radio sitzen.

Die Nachricht von der bevorstehenden Führerrede sollte bis in den letzten Winkel des Reiches dringen. Das hat bei den damaligen Kommunikationsmöglichkeiten gedauert! Manchmal mehrere Stunden. Hitler ist erst dann aufgetreten, wenn als einigermaßen gesichert schien, dass so gut wie jeder Volksgenosse irgendwo vor einem Radio gesessen hat. So ist es auch am Ende tatsächlich gewesen. Wenn Hitler gesprochen hat, waren alle Straßen wie leer gefegt. Hitler befand sich in den Jahren 1937/1938 auf dem Höhepunkt seiner Macht. Auch die strengsten Kritiker mussten einräumen, dass er freie Wahlen nach heutigem Standard nicht hätte zu scheuen brauchen. Ihm wäre die absolute Mehrheit sicher gewesen.

Je länger es gedauert hat, um so mehr wuchs die Spannung. Hitlers bald bevorstehender Auftritt steigerte sich zu einem Riesenspektakel. Unter tosendem Beifall wurde mehrmals verkündet, dass der Führer bald erscheinen werde.

Immer wieder haben die Beifallsstürme eine Eigendynamik entwickelt. Die Sprechchöre mussten nicht eingeübt werden. Es waren immer die gleichen. Jeder hat sie gekannt. So wurde in Erwartung Hitlers mehrmals gebrüllt: „Wir wollen unseren Führer sehen!“ Jede Silbe wurde einzeln betont.

Weiter ging es mit dem mehrmaligen „Ein Volk – ein Reich – ein Führer“ und einem nicht enden wollenden „Sieg Heil – Sieg Heil!“ Je länger man auf den Führer warten musste, um so öfter hat sich das Ganze wiederholt.

Als dann endlich die ersten Takte des „Badenweiler Marsches“erklangen, wusste jeder, jetzt ist es so weit! Der „Badenweiler“ ist nämlich Hitlers Lieblingsmarsch gewesen. Deshalb ist er auch heute weitgehend unbekannt. Er war allein ihm vorbehalten. Er durfte nur bei persönlichen Auftritten Hitlers gespielt werden. Noch lauter wurde gejubelt, als der große Matador endlich auf der Bildfläche erschien. Die lang anhaltenden Ovationen hat Hitler sichtlich genossen. So hat es wieder einige Zeit gedauert, bis er dann endlich mit seiner Rede beginnen konnte.

Er verkündete mit einigem Stolz, dass es gelungen sei, ein neues Auto zu entwickeln, welches einmalig auf dieser Welt sei. In seiner Klasse gäbe es nichts besseres – vor allem – nichts preiswerteres.

Das Wunderauto sollte 999,- Mark kosten. Das war ein Hammer. Vergleichbare Autos von Opel oder Ford haben das Doppelte, meist sogar das Dreifache gekostet.

Jedem Volksgenossen sollte es möglich gemacht werden, dieses Auto zu kaufen. Hitler präsentierte ein sensationelles Finanzierungsprogramm. Mit einer Mindestrate von 2,50 Mark konnte jeder die Anwartschaft auf die spätere Lieferung eines Autos erwerben. Mit der Ratenzahlung konnte sofort begonnen werden. Das vergaß er nicht hinzuzufügen. Die Massen kamen aus dem Jubeln nicht heraus.

Als Standort für die Fabrikation wurde Fallersleben bestimmt. Fallersleben lag in einem bis dahin strukturschwachen Gebiet in Niedersachsen. Eine Stadt mit dem Namen Wolfsburg hat es 1937 noch nicht gegeben. Heute ist Fallersleben ein Stadtteil von Wolfsburg.

In der Bevölkerung lösten diese Neuigkeiten eine Riesenbegeisterung aus. Nicht selten hörte ich den oft angewendeten Spruch: „Wie das der Führer wieder hingekriegt hat!“ Allein ihm wurde der Erfolg gutgeschrieben.

Aus heutiger Sicht klingt das alles sehr unwahrscheinlich. Vielleicht sogar stark übertrieben. Ich fasse es ja selbst nicht mehr. Aber, es ist wirklich so gewesen. Ich habe das alles selbst erlebt.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch so mancher Hitler-Kritiker von dieser riesigen Begeisterungswelle mitgerissen worden ist. Jedenfalls war es nicht leicht, sich dieser Massenhysterie zu entziehen.

Wir 10-jährigen Pimpfe hatten damit ohnehin keine Probleme.

In der Folge wurden Kaufverträge in Massen abgeschlossen. In Fallersleben sprudelten die Kassen!

Auch bei Oma und Opa hatte die Führerrede ihre Wirkung nicht verfehlt. Der Opa machte sich schon Gedanken über die Höhe der Rate, die er sich leisten konnte. Denn solch ein Auto wollte er unbedingt haben.

Viele Jahre schon hatte er in seiner Autolackiererei mit Autos zu tun gehabt. Einen Führerschein hatte er schon, weil er auch schon einmal ein Auto besessen hatte. Es war ein uralter „Brennabor“, der nach kurzer Zeit seinen Geist aufgegeben hatte.

An die gemeinsamen Autotouren, so um 1932/1933, kann ich mich noch gut erinnern.

Die Oma beschäftigte sich derweil mit Gedanken, die in eine ganz andere Richtung gingen. Sie hat gewusst, dass ein Auto schon immer Guidos sehnlichster Wunsch gewesen ist. Sie wollte aber nichts dafür bezahlen.

„Guido“, sagte sie mit wichtigem Gesicht, „ich werde dir dieses Auto besorgen. Darauf kannst du dich verlassen!“

Mir stockte der Atem. Wie wollte die Oma das anstellen? Dabei hat sie so getan, als ob sie das Auto schon so gut wie sicher hatte. Aber, überzeugt von sich ist die resolute Oma schon immer gewesen.

Die schriftstellerisch begabte Oma hatte sich vorgenommen, ein Gedicht zu schreiben. Darin wollte sie das Auto und natürlich auch den Führer loben. Sie hat schon gewusst, worauf es ankommt. Für ein Auto wäre sie bereit gewesen, so etwas zu tun. „Das Gedicht wird so ausfallen, dass bestimmt ein Auto dabei herausspringen wird.“ Davon war sie fest überzeugt.

Der Opa hat sich das angehört. Und einmal mehr bewunderte er seine einfallsreiche Anna. Sie war immer für Überraschungen gut. Und, dass sie das schaffen würde, das hielt der Opa durchaus für möglich. Kürzlich hatte sie noch anlässlich eines Heimatfestes in Dienstedt mit großem Erfolg selbstverfasste Gedichte – Erinnerungen aus der Kindheit – in Mundart vorgetragen.

Jedenfalls war der Opa gerührt. Er bekam feuchte Augen. Das war beim Opa immer so. Er ist ein reiner Gefühlsmensch gewesen, der seine Empfindungen nie verbergen konnte.

Er reagierte so, ganz gleich, ob es eine freudige oder eine traurige Nachricht gewesen ist, die er gerade erhalten hatte.

Mit leichter Hand hat die Oma das Gedicht geschrieben. Sie hat es sofort abgeschickt.

Sie hat gewusst, worauf es dabei angekommen ist. Ein klein wenig von der „Bauernschläue“, die man denen, die vom Land in die Stadt gezogen waren, nachgesagt hatte, die hatte sie sich wohl erhalten.

Wie die Großeltern wirklich gedacht haben, das haben sie in ihrer selbstlosen und hilfsbereiten Art mehr als einmal bewiesen. Als sie im Jahre 1943 den guten alten jüdischen Freund Richard Besser bei sich aufgenommen haben, da haben sie nicht lange überlegen müssen. Das ist für sie eine Selbstverständlichkeit gewesen. Weil er Jude gewesen ist, hat der Buchdruckermeister Besser bei der „Thüringer Allgemeinen“ seine Arbeit verloren. Niemand hat es daraufhin gewagt, ihn einzustellen. Besser war so gut wie mittellos. Er hatte sich nicht mehr getraut, in seine eigene Wohnung zu gehen.

Die Großeltern haben gewusst, wie gefährlich das gewesen ist, was sie getan haben. Sie fühlten sich verpflichtet, es trotzdem zu tun.

Richard Besser ist im Jahre 1944 von einem seiner täglichen Spaziergänge nicht zurückgekommen.

Erst Jahrzehnte später habe ich zufällig erfahren, dass er in den Gaskammern von Auschwitz ein schreckliches Ende gefunden hat.

Diese Hilfe für den jüdischen Freund, die ist echt gewesen! Das ist ein Riesenunterschied.

Das Thema KdF-Wagen, wurde bald von den aktuellen Ereignissen überrollt. 1939 begann der 2. Weltkrieg. Alle bis dahin produzierten Autos waren direkt von der Wehrmacht übernommen worden. Bald wurde auch jedem kritischen Volksgenossen klar, dass der Bau des Volkswagens, wie er jetzt genannt wurde, ein Teil der Kriegsvorbereitungen Hitlers gewesen ist.

In den eisigen Wintern in Russland hat der Wagen unschätzbare Dienste geleistet. Der Volkswagen – luftgekühlt – lief noch, als alle wassergekühlten Autos eingefroren und nicht einsatzbereit gewesen waren.

Kein einziges Auto ist zum sagenhaften Preis von 999,- Mark an einen der fleißigen Ratensparer ausgeliefert worden.

Vermutlich hat auch der außerordentlich niedrige Preis zu den vielen Märchen gehört, die uns damals aufgetischt worden sind.

Nach dem Krieg war das von Millionen Bürgern angesparte Geld futsch!

Auch Omas heroisches Gedicht war erfolglos. Aber wenigstens haben die Großeltern keinen Pfennig eingebüßt.

Meine Jugend in Erfurt unter Hitler 1933–1945

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