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Glaube, Hoffnung, Liebe…

Durch die verschiedenen Glaubensgruppen kam ich viel herum. So war ich einen Abend bei einer Zeltmission am Kaiserstuhl. Dort wurde ich von einem mir bekannten Missionar aufgefordert, aus meinem Leben mit Gott zu erzählen. Spontan sagte ich zu und redete ohne Vorbereitung fast eine halbe Stunde vor über 1.000 Menschen. Was und worüber ich sprach, weiß ich nicht mehr. Die Menschen waren begeistert.

Im nächsten Urlaub lebte ich zwei Wochen in einer Kommune der (damals sehr bekannten) Jesus People. Eine tolle Erfahrung. Bei ihnen lernte ich die „Taufe des Heiligen Geistes“ kennen. Jahre später wurde mir klar, dass dies nur eine Form der Selbstsuggestion war. Vielleicht war es auch mit einer Selbsthypnose zu vergleichen. Für mich in jedem Fall eine positive und stärkende Erfahrung, die ich in keiner Weise schlecht reden möchte. Ich ging mit ihnen in den verschiedenen Kleinstädten des Schwarzwaldes auf die Märkte. Wir sangen, predigten und verteilten christliche Traktate. Nach den zwei Wochen war mir klar, dass dies nicht meiner Vorstellung von christlichem Leben entsprach.

Auf einem der Treffen lernte ich die Gen Bewegung, eine Jugendbewegung der Fokolare kennen. Sie begeisterten mich direkt und ich fing an, mich in deren Jugendarbeit zu engagieren. Ab da war ich noch mehr unterwegs. Oft fuhr ich mit der Bahn viele Kilometer, um am Abend ein Jugendtreffen mitzugestalten, mit Jugendlichen über die Bibel und deren praktischer Umsetzung im Alltag zu diskutieren, oder einfach mit ihnen zu singen und zu beten.

Die Fokolare Bewegung gründete sich in den Kriegsjahren, 1943 in Trient. Ihre Gründerin, Chiara Lubich, erlebte in den Bunkern, wie belebend das Evangelium für sie und ihre Glaubensgeschwister war. Daraus entstand eine der führenden, christlichen Aufbruchsbewegungen des 20. Jahrhunderts mit heute weltweit mehr als 140.000 Mitgliedern in mehr als 180 Ländern.

Für mich waren es sehr lebhafte, interessante Jahre. Schon während der Ausbildung zum Altenpfleger war ich viel unterwegs. Alleine in Rom war ich in den folgenden zehn Jahren 16 Mal. Meist zu internationalen Jugendtreffen der Gen Bewegung. Jugendliche aus 80 Ländern trafen sich im Zentrum der Fokolare Bewegung, diskutierten, tauschten sich aus und hörten Vorträge. Mittwochs hatten wir dann oft auch Termin zur Papstaudienz. So habe ich fast alle Päpste erlebt, die zu meiner Lebenszeit an der „Macht“ waren.

Es begann mit Paul VI, der bis 1978 die katholische Kirche führte. Ihn konnte ich mehrfach erleben. So erlebte ich 1975 auch die Öffnung der Heiligen Pforte am Petersdom in Rom. Ein tiefgreifendes Erlebnis. Damals begleitete ich als Jugendleiter einen Sonderzug mit über 500 Mädchen und Jungen aus ganz Deutschland. Untergebracht waren wir in Klöstern und Jugendherbergen. Rom quoll über von Touristen. Die Stimmung im ganzen Zug war unvorstellbar. Überall wurden Lieder gesungen, begleitet von unzähligen Gitarren. Im Zug waren nur Gruppen aus der Fokolare und Gen Bewegung. Viele kannte ich persönlich, was dazu führte, dass ich die 18 Stunden bis Rom kaum zum Schlafen kam.

1978 folgte der sogenannte 33-Tage-Papst, Johannes Paul I.

Auch ihn konnte ich sehen, da genau in diesen Tagen ein internationales Jugendtreffen mit Papstaudienz stattfand. Als ich dann in Heidelberg zurück war und ein Patient mir in der Frühschicht erzählte, dass der Papst tot sei, konnte ich ihm erklären, dass doch längst ein Neuer an der Regierung sei.

„Nein, der neue Papst ist gestern Nacht gestorben.“ Da war ich tief betroffen, da ich ihn nur wenige Tage zuvor fit und voller Elan erlebt hatte. Es kamen Zweifel in mir auf, ob da vielleicht etwas schiefgelaufen war. Er hatte so viele Ideen und plante Änderungen, die ihm wichtig erschienen. War es der Kurie zu viel moderne Kirche? Schließlich wurden andere Päpste vor ihm bereits auf diese Art und Weise „abgesetzt“.

Mehrfach konnte ich danach Johannes Paul II. sehen und hören. Leider hat er in seiner langen Amtszeit nicht das bewegt, was ihm möglich gewesen wäre. Benedikt XVI konnte ich – mehr zufällig – zweimal in Köln sehen, als er zum Weltjugendtag kam. Er wurde gefeiert wie ein Star. Das Ufer des Rheins war voll mit jungen Leuten, die zum Teil bis zur Hüfte im Wasser standen, nur um das Schiff zu sehen, auf welchem er vorbeifuhr. Ein zweites Mal stand ich am Straßenrand und ärgerte mich, dass ich die Straße trotz grüner Ampel nicht überqueren durfte. Ein Polizist stand mit Motorrad da und sperrte ab.

„Der Papst kommt…“, ging ein Raunen durch die wartende Menge. Und tatsächlich kam ein dunkler Mercedes mit herabgelassener Scheibe angefahren, aus welcher der Papst huldvoll winkte.

Da hatte ich mit dem Thema Kirche jedoch längst abgeschlossen.

Der Rücktritt Benedikts und die Ernennung von Papst Franziskus im Jahre 2013 nahm ich als „normales“ Weltgeschehen wahr.

Meine Eltern erfuhren selten etwas von meinen Reisen, da ich immer dachte, es sei besser, ihnen erst hinterher davon zu erzählen. Wenn dann die Postkarten aus Italien ankamen, die brauchten damals nicht selten mehr als zwei Wochen, war ich längst zurück.

Telefon hatte im ganzen Viertel zu jener Zeit nur Tante Elfriede, eine liebe Nachbarin. Wenn ich meine Eltern anrufen wollte, sagte ich ihr Bescheid und rief dann wenige Minuten später nochmals durch. Wenn, sprachen wir ohnedies nur kurz, da telefonieren damals noch recht teuer war.

Erst viele Jahre später bekamen meine Eltern von mir einen Telefonanschluss geschenkt, da ich es leid war, immer die Nachbarn zu belästigen. Mein Vater war darüber sehr erbost, da er „solch einen Blödsinn“ nicht brauchte. Bald hatte er sich daran gewöhnt und benutzte das Telefon sogar ab und zu selbst. Eines blieb jedoch bis zum Schluss: Meine Mutter musste immer für ihn die Nummer wählen, die er anrufen wollte.

1975 zog ich an den Bodensee und arbeitete dort in einem Pflegeheim der Diakonie. Fast täglich traf ich mich mit zwei Brüdern, die ebenfalls aktiv in der Gen Bewegung tätig waren. Wir fuhren abends oft 100 bis 150 Kilometer um örtliche Jugendtreffen zu gestalten. Zweimal im Monat trafen wir uns am Wochenende mit Jungs aus dem ganzen Süddeutschen Raum in der Zentrale in Heidelberg.

Da ich meinen Zivildienst 1977 in der Thorax Spezial Klinik in Heidelberg absolvierte, zog ich dort in die Wohngemeinschaft der Gen ein. Ab da war ich bei der „New Generation“, eines der fünf führenden Mitglieder für den Süddeutschen Raum. Noch mehr unterwegs, noch mehr organisieren, noch mehr Verantwortung. Und trotzdem war es eine tolle Zeit. Chiara, die Gründerin der Fokolarebewegung, gab mir in einem Brief einen neuen Namen: Kon. Das bedeutete: Liebe sein. Das war für mich das neue Lebensmotto. Damit war aber nicht der Sex gemeint.

Nach dem Zivildienst wurde mir der ganze Stress mit der Jugendarbeit zu viel. Ich suchte mir eine Stelle in Heidelberg und fand recht schnell etwas Passendes. Die Diakonie suchte einen Pflegedienstleiter für ihr Heim, direkt in der Innenstadt. Der perfekte Job für mich. Gleich gegenüber dem Heim mit 120 Betten, auf vier Stationen aufgeteilt, gab es für mich ein Zimmer mit Bad. Das Bad musste ich mir mit dem Bewohner des zweiten Zimmers teilen. Das war ich ja von Offenburg her bereits gewohnt. Eine Küche gab es in der Wohnung nicht, da ich im Heim Vollverpflegung hatte und mir aus der Großküche jederzeit was zum Futtern holen konnte. Die stressige Jugendarbeit hatte sich damit für mich zunächst erledigt.

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