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Der Kampf um das Konto

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1965 hat das Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien die Entscheidung getroffen, der Jurist Dr. Theodor Rudolf Pachmann sei als Enkel Kronprinz Rudolfs und damit als Urenkel von Kaiser Franz Joseph I. anzuerkennen.

Das hatte damals ein weites Echo zur Folge – und keinerlei Konsequenzen.

Der Kronprinz soll mit einem Mitglied des Erzhauses, Erzherzogin Maria Antonia, verlobt gewesen sein. Zur Heirat sei es aber nicht gekommen, weil die Braut an einem schweren Lungenleiden erkrankt und ihr Ende abzusehen war.

Dennoch soll das junge Paar 1880 getraut worden sein – im Geheimen. Und aus dieser Ehe stammte ein Sohn, dessen Mutter nur fünf Wochen nach der Geburt starb. Um das Geheimnis auch weiterhin zu wahren, habe man das Baby einem Ehepaar Pachmann im 15. Bezirk übergeben, das es als sein eigenes Kind ausgab. Dieses Baby war Robert Pachmann, Vater von Theodor Rudolf Pachmann.

Die ganze Geschichte ist durch die Zeitungen gegangen und vor allem durch das Gerichtsurteil des Jahres 1965 der Öffentlichkeit wohlbekannt.

Der Schriftsteller Alexander Lernet-Holenia weiß noch von einem weiteren Kind des Kronprinzen, freilich einem unehelichen. Er hat dessen Lebensgeschichte bis ins Detail ausfindig gemacht, in seinem Buch Die Geheimnisse des Hauses Österreich beschreibt er die Umstände, und hier folgt nun eine kurze Nacherzählung – denn sie führt nach Venedig.

Der Kronprinz, schreibt der Autor, habe mehrere uneheliche Kinder gehabt.

Die Mutter eines dieser Kinder, ein Fräulein Kamner, sei mit 50 000 Gulden abgefertigt worden. Das Kind habe es mit dieser Summe im Hintergrund zu einem beträchtlichen Vermögen gebracht.

Ein Teil dieses Vermögens habe die auch finanziellen Katastrophen beider Weltkriege dank der Hilfe aus aristokratischen Kreisen überstanden. Es lag nun auf einem Nummernkonto bei der Bank von England. Inzwischen war die beinahe kaiserliche Abkunft der Grundlage dieses Vermögens weitgehend in Vergessenheit geraten.

Doch die Witwe des Kronprinzensohnes war noch am Leben und sei von einem Rechtsanwalt über Herkunft und Höhe der Summe informiert worden, der ihr auch die Nummer des Kontos angab, über das sie nun zugunsten ihres noch minderjährigen Sohnes verfügen durfte und sollte.

Leider habe sie sich aber zu einer Anlage des Großteils dieses Geldes bewegen lassen, in dem damals sehr aktuellen IOS Investment Fonds eines später gerichtsnotorischen Mannes namens Bernie Cornfeld. Damit reduzierte sich der Kontostand in London auf eine nur mehr marginale Summe, und hier beginnt die Geschichte erst so richtig.

Der junge, mittlerweile längst großjährige Herr Kamner habe sich, schreibt Lernet-Holenia, über den Wert dieses Kontos keine Illusionen gemacht und sich ebenso wenig für die Familiengeschichte interessiert, die seine Mutter ihm mitgeteilt hatte.

Er genoss sein Leben – und lernte bei dieser Tätigkeit ein Ehepaar aus Venedig kennen, Graf und Gräfin Bracciolini. Die Gräfin hätte er gerne näher kennengelernt und ließ sie das auch wissen. Zwecks Unterstützung seiner diesbezüglichen Schritte deutete er den Besitz eines Kontos bei der Bank von England an. Doch Gräfin Hanka wagte nicht, sich ähnliche Gedanken über den jungen Kamner zu machen, wenigstens jetzt nicht in Wien. Aber wenn er zu Besuch nach Venedig käme, wer weiß … Und die beiden Bracciolini reisten heim.

Kamners Besuch erfolgte sehr bald. Man gab ihm zu Ehren in einem Palazzo einen Empfang, die Gräfin zeigte sich sehr erfreut über den Besuch aus Wien.

Und da ihr Mann das Fest vor ihr verließ, wurde ihre Freude noch deutlicher, geradezu aktiver – bis zu der Frage nach dem Nummernkonto. In Erwartung weiteren Entgegenkommens und den läppischen Kontostand genau kennend, verriet ihr Kamner die Kontonummer. Und die Gräfin forderte ihn zu einem Besuch in der Familienvilla in der Nähe von Treviso auf. Der Graf sei nämlich mehrere Tage lang auf einer Geschäftsreise.

So fuhr also Kamner am nächsten Abend vom Piazzale Roma im eigenen Wagen in Richtung Treviso, das Ziel war nicht schwer zu finden.

Die Gräfin hingegen war schwer zu finden. Kamner musste durch das leere Haus auf die Suche gehen. Sie hing an einem Fensterkreuz, die Vorhangschnur um den Hals.

Graf Bracciolini hatte mit seiner Frau vereinbart, dass sie die Kontonummer in Erfahrung bringen möge, hatte sich, sobald er diese hatte, der Mitwisserin entledigt und sich auch sogleich auf den Weg nach London gemacht.

Da der Abend im Palazzo ebenso wie die Bekanntschaft des Ehepaares Bracciolini mit Kamner allgemein bekannt war, kam es bald nach dessen Rückkehr nach Wien zu einem polizeilichen Verhör, das zu Verhaftung und Verurteilung des Mörders beitrug.

Wer diese Kriminalgeschichte bei Lernet-Holenia nachliest, erfährt noch mehr.

E – se non è vero, è ben trovato.

Mörderisches Venedig

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