Читать книгу Mörderisches Venedig - Gerhard Tötschinger - Страница 8

Der Rumpf im Brunnen

Оглавление

Am 14. Juni 1779 ging eine Magd zu einem Pozzo nahe der Kirche San Trovaso. Diese Pozzi – öffentliche Brunnen – sind längst alle versiegelt, mit großen Metalldeckeln abgesichert. So kann man sich weder wie einst das heutzutage ohnehin nicht zu empfehlende Wasser holen, noch können diese Brunnen ihren früheren Nebenzweck erfüllen, von dem hier die Rede sein wird.

Die Magd senkte also ihren Kübel in die Tiefe, zog an der Leine, kräftig, aber vergeblich, und beugte sich vor. Daraufhin wäre sie beinahe ihrem Kübel ins Wasser gefolgt, so sehr hatte sie sich erschreckt. Im Brunnen lag eine Leiche, oder, um genau zu sein, ein Teil einer Leiche. Sie hatte keine Beine und keinen Kopf.

Wenige Stunden danach hatte ein Bewohner des Campo Santa Margherita ein ähnliches Erlebnis. Ebenfalls im Hausbrunnen eines, jetzt längst abgerissenen, Gebäudes fand man Leichenteile, diesmal allerdings zwei Beine ohne Rumpf. Rasch erkannte die Polizei, dass sich die beiden Brunnenfunde ergänzten.

Es wurde verfügt, alle Pozzi von Venedig zu kontrollieren – noch fehlte ja der Kopf. Und tatsächlich wurde man fündig, aber nicht wieder in einem Brunnen, diesmal hatte sich der Mörder einen Nebenkanal ausgesucht, einen Rio.

Niemand konnte den Kopf erkennen. So setzte man die Leichenteile korrekt zusammen und stellte sie für einige Tage auf dem Ponte della Paglia aus, bei der Seufzerbrücke, wie man das auch mit nicht identifizierten Ertrunkenen aus der Lagune zu tun pflegte.

Doch niemand kannte den Toten. Also wurde das Begräbnis angeordnet, nur der Kopf blieb unbestattet. Er wurde einbalsamiert, in einer Polizeistelle öffentlich ausgestellt. Noch hegte man Hoffnung, jemand werde sich des Gesichts erinnern.

Aber nun bekam ein scheinbar belangloses Detail plötzlich große Wichtigkeit. Das Volk hatte die Gewohnheit, seine perückenlosen Häupter mit einem Trick zu verschönern. Der Adel, die Wohlhabenden hatten das mit ihren prächtigen Perücken nicht notwendig – weniger gut gestellte Männer hingegen drehten sich Locken mit kleinen Papierstücken. Solch ein einfacher Lockenwickler hatte das Wasser überstanden. Und er trug eine Inschrift – V. F. G. C.

Dieses Faktum wurde über die Zeitungsberichte allgemein bekannt, auch außerhalb der Lagune. Ein Zeitungsleser im nahen Este geriet in große Aufregung – er hatte die Gewohnheit, seine Briefe an den Bruder mit einer Abkürzung zu beenden, das war einst allgemein üblich. »Vostro Fratello Giovanni Cestonaro« konnte also diese Buchstabenreihe bedeuten, und dieser angeschriebene Fratello, er hieß Francesco, hatte tatsächlich schon länger nicht mehr auf Post aus Este geantwortet. Giovanni war alarmiert. Er eilte nach Venedig zur Polizei und erkannte tatsächlich den ermordeten Bruder.

Nun wusste man also seinen Namen. Die weiteren Recherchen ergaben, dass der Tote eine Frau mit zwei Kindern geheiratet hatte. Die Nachbarn munkelten von einem jungen Mann, einem Hausfreund. Auch dessen Namen fand man bald heraus, es war Sergio Fantini aus Udine. Nach anfänglichem Leugnen gab zuerst der Geliebte, dann die untreue Ehefrau alles zu. Sie hatten ihrer gemeinsamen Zukunft zuliebe den Francesco Cestonaro mithilfe von Gift ins Jenseits befördern wollen, doch er reagierte darauf nicht. So ging der Hausfreund massiver ans Werk, erschlug den Unglücklichen und schritt dann an die Verteilung der Leichenteile, in der Hoffnung, eine Identifikation unmöglich zu machen.

Die Piazzetta mit den Säulen von San Marco und San Todaro, 1890er Jahre

Am 12. Jänner 1780 fand das Mörderduo sein Ende auf dem Schafott zwischen San Marco und Todaro.

Mörderisches Venedig

Подняться наверх