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Vorwort

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Auf einigen Burgen werden die Führungen an passenden Stellen mit Redewendungen aufgelockert, denn Formulierungen wie Etwas im Schilde führen oder Mit offenem Visier kämpfen kann man sehr gut angesichts von Ritterrüstungen erläutern. Es ist dann für die Burgbesucher immer wieder verblüffend zu erfahren, dass viele unserer Redensarten bereits ihre Wurzeln vor Hunderten von Jahren haben. Viele Menschen benutzen solche Redewendungen nämlich selbstverständlich, ohne zu wissen, wann sie entstanden oder auf welche historischen Tatsachen sie zurückzuführen sind. Eine Burg ist deshalb ein guter Ort, anhand von Gegenständen oder Tätigkeiten, Räumlichkeiten oder Bauwerken zu erläutern, woher Redewendungen wie Auf großem Fuße leben oder In die Bresche springen stammen.

Während die älteren Besucher meist aufmerksam den Erklärungen lauschen und amüsiert die Bedeutung von Redewendungen zur Kenntnis nehmen, die sie zwar benutzen, deren Ursprung sie aber in der Regel nicht kennen, lässt sich besonders bei Schulklassen ein auffälliges Maß an Unverständnis feststellen, wenn Redewendungen wie Auf die hohe Kante legen oder Die Tafel aufheben zur Sprache kommen. Bei den Älteren sind solche Begriffe noch in aller Munde, aber jüngeren Jahrgängen muss man neuerdings erklären, was man meint, wenn man von einem Zeitgenossen behauptet, er habe das Heft in der Hand oder er sei auf den Hund gekommen; solche Redensarten sind bei vielen mittlerweile sogar aus dem passiven Wortschatz verschwunden.

Dieses Buch will da eine Eselsbrücke bauen und Ross und Reiter nennen. Es fasst in 250 Artikeln knapp 300 Redewendungen zusammen, die meist auf das Mittelalter oder die frühe Neuzeit zurückgehen und auch heute noch populär sind. Es ist unterteilt in Kapitel, die sich mit unterschiedlichen Bereichen des damaligen Lebens beschäftigen. Unter „Ritterliches“ werden Redewendungen vorgestellt, die aus dem Bereich der Wehrhaftigkeit, des Militärischen und anderer dem Ritter zugeordneten Aspekte kommen. „Gerichtliches“ stellt Redensarten vor, die aus juristischen Zusammenhängen wie Urteil oder Strafe entstanden sind. Im Abschnitt „Historisches“ werden Redewendungen behandelt, die auf konkrete Ereignisse oder Personen der Geschichte Bezug nehmen. In „Kirchliches“ findet sich alles, was mit Religion, Aberglaube und Jenseitigem zu tun hat. In „Gewerbliches“ kommen Redewendungen aus historischen Berufen zur Sprache, denn die Fachsprachen der Handwerker haben viele Spuren hinterlassen. „Öffentliches“ nennt Redensarten, die allgemein gebräuchliche Tatsachen und Handlungen betreffen, während „Häusliches“ die privaten, intimen Dinge als Quellen für Redewendungen untersucht.

Aber was sind Redewendungen eigentlich? Sie sind kleine, meist aus nur einem oder mehreren Wörtern bestehende Ausdrücke, die auf Termini aus anderen, oft historischen Zusammenhängen zurückgreifen und gleichnishaft eine Situation, eine Handlung oder ein Gefühl beschreiben und deutlich machen. Sie sind kleine Parabeln. Sie dürfen nicht verwechselt werden mit Sprichwörtern, die meist aus einem abgeschlossenen Satz bestehen. Allen anderen Konstruktionen ist eine gewisse Verständlichkeit gemein, die Redewendungen oft auf den ersten Blick vermissen lassen. So haben Ausländer, die sich eine fremde Sprache durchaus angeeignet haben mögen, oft große Probleme, Redewendungen dieser Sprache, auch „Idiomatismen“ genannt, zu verstehen und selbst richtig anzuwenden.

Redewendungen sind wie Brücken in die Vergangenheit. Auf ihnen gehen heutige Menschen ständig zurück in eine in vielerlei Hinsicht fremde Welt vor sechs- oder siebenhundert Jahren, allerdings meist, ohne sich dessen bewusst zu sein. Denn Redensarten gehören so fest zu unserer alltäglichen Sprache, dass wir viele gar nicht mehr als solche erkennen. Ob es nun Wörter wie Hänseln, Aufdecken oder Überführen sind oder Denkzettel, Prügelknabe oder Garaus, sie sind assimiliert und den meisten Zeitgenossen so vertraut wie Kind und Kegel. Warum aber steigt man ins Bett und schlägt ein Buch auf?

Diese sprachlichen Brücken gehen leider immer mehr verloren, weil viele Bezüge, auf die Redensarten zurückgreifen, heute weitgehend unbekannt oder in Vergessenheit geraten sind. Wer hat jemals eine Tretmühle in Aktion gesehen, wer könnte noch mit einem Heller bezahlen, und wer hätte eine Verwendung für ein Kerbholz?

Es wäre aber falsch anzunehmen, dass die älteren Semester, zu deren aktivem Wortschatz sie noch gehören, wüssten, woher diese Formulierungen ursprünglich kommen und unter welchen Umständen sie einmal entstanden sind. Denn Gegenstände wie Bockshorn oder Daumenschraube sind in unseren Breiten schon ziemlich lange nicht mehr im Gebrauch.

Bei der Quellenforschung ist allerdings Vorsicht geboten. Die Herkunft vieler mittelalterlich klingender Redensarten erweist sich bei näherem Hinsehen nämlich als nicht wirklich historisch. Eine ganze Reihe ist auch erst im 19. Jahrhundert in Gebrauch gekommen, einige scheinbar alte sind auch noch deutlich jünger.

Viele aber sind im 18. Jh. schriftlich bezeugt und sicher sehr viel älter; die Entstehungszeit wird oft mit „früher“ oder „aus alter Zeit“ angegeben. Und tatsächlich stammen doch sehr viele Redensarten aus der Zeit der Ritter und Minnesänger, also dem sogenannten Mittelalter. Da die Quellen des 9. bis 11. Jahrhunderts fast ausschließlich in Latein geschrieben wurden, ist, was Redewendungen betrifft, erst Mittelhochdeutsch ergiebig, denn in dieser Sprache des Hochmittelalters, also der Zeit zwischen 1050 und 1250, war die höfische Literatur verfasst – Walther von der Vogelweide ist der bekannteste Vertreter. Unsere Sprache hat seitdem noch mehrere Wandlungen mitgemacht. Für die Zeit nach dem 14. Jahrhundert spricht man von Frühneuhochdeutsch; das bekannteste Textzeugnis dieser Sprachstufe ist Luthers Bibelübersetzung von 1545 mit einem nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Entwicklung einer einheitlichen deutschen Sprache. Der Beginn des Neuhochdeutschen, also unserer heutigen Sprache, wird auf die Mitte des 17. Jahrhunderts datiert.

Es muss auch stets berücksichtigt werden, dass in Deutschland in den fraglichen Jahrhunderten immer mehrere Sprachen neben- bzw. übereinanderher existierten, besonders Latein, Französisch und auch Jiddisch. Alle haben Einfluss gehabt auf unsere Sprache, allein das Jiddische, also die Alltagssprache der mitteleuropäischen Juden, hat über 50 Begriffe wie Schlamassel, meschugge, Schmiere oder Stuss hinterlassen, die wir bis heute aktiv verwenden, meist ohne uns über ihre Abstammung im Klaren zu sein. Aus Platzgründen musste darauf verzichtet werden, an dieser Stelle diesen großen Schatz, der ebenfalls auf die mittelalterliche Epoche zurückgeht, zu heben. Ebenfalls konnte nicht auf Redensarten mit Wurzeln im Rotwelsch oder anderen Sprachen gesellschaftlicher Randgruppen eingegangen werden. Sehr viele Wendungen gehen auf biblische Stellen bzw. die schon erwähnte Luther’sche Bibelübersetzung zurück wie Perlen vor die Säue, Zur Salzsäule erstarren oder Die Hände in Unschuld waschen. Ihnen sind schon eigene Kompendien gewidmet worden. Verzichtet worden ist auch auf Redensarten, die sich mit etwas Nachdenken selbst erklären, wie Jemanden matt setzen, Über den Berg sein oder Den Braten riechen.

Viele herkömmliche Redewendungen sind inzwischen durch neue ersetzt worden, denn Deutsch ist eine lebendige Sprache, und Einflüsse aus anderen Sprachen, dem Internet und der populären Massenkultur verändern sie auch heutzutage mehr denn je; besonders die Medien tragen zu dieser Entwicklung bei. So sind in den letzten Jahrzehnten selbstverständlich auch neue Redensarten wie Auf Konfrontationskurs gehen, Auf Draht sein, Die gleiche Wellenlänge haben oder Auf dem Schirm haben entstanden. Gleichzeitig fallen viele historische Redewendungen und Ausdrücke dem Wandel der Sprache zum Opfer, und nicht mehr benutzte Redensarten sterben natürlich aus.

Bei der Suche nach Erklärungen von Redewendungen ist übrigens Vorsicht geboten, denn vor allem im Internet schießt die Phantasie bisweilen sehr ins Kraut. Da reimen sich auf einschlägigen Seiten „Nutzer“ oft Bedeutungen zusammen, die manchmal mehr oder weniger aus der Luft gegriffen sind. Aber leider sind auch entsprechende Handbücher nicht immer befriedigend in ihrer Recherche; sie helfen dadurch mit, falsche Informationen zu verfestigen. Deshalb wurde hier auch die Gelegenheit genutzt, einige Wendungen als nicht historisch und ihre üblichen Erklärungen als falsch zu entlarven – die bekanntesten dürften Einen Zahn zulegen und Die Klappe halten sein. Auch wenn die allenthalben, vor allem in Burgen und Domen kolportierten Erklärungen gerade dieser beiden Redensarten uns schon lieb geworden sind, soll hier der Wahrheit die Ehre gegeben werden. Es kann auch reizvoll sein, eine für richtig gehaltene Erklärung einmal durch eine korrekte zu ersetzen.

Wohlgemerkt – dieses Buch hat nicht den Anspruch, ein wissenschaftliches Werk zu sein. Die Fakten sind zwar sorgfältig recherchiert, differenziertere Erklärungen, Ersterwähnungen und Nachweise von historischen Quellen seien aber der Fachliteratur vorbehalten. Dem speziell Interessierten sei insbesondere Röhrichs immer noch grundlegendes Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten empfohlen. In dem vorliegenden Band sollen vielmehr auf unterhaltsame Weise interessante Informationen über die in unserer Sprache so verbreiteten Floskeln und Redewendungen geboten werden; er kann dadurch vielleicht etwas dazu beitragen, dass einige bedrohte (Redens-)Arten vor dem Aussterben bewahrt werden.

Denn auch wenn sie den Älteren das Wasser nicht reichen können, ist Hopfen und Malz noch nicht verloren und die jungen Leute haben ja kein Brett vor dem Kopf oder sind auf dem Holzweg, und bevor wir den Teufel an die Wand malen und sie Scherereien bekommen, werden wir sie nicht in Bausch und Bogen verdammen, sondern ein Auge zudrücken und nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, und wenn sie erst mal alles aus dem Effeff beherrschen, darf man sie über den grünen Klee loben, auch wenn sie sich wie gerädert fühlen. Dann ist alles in Butter und wir haben noch mal Schwein gehabt!

Gerhard Wagner


Das geht auf keine Kuhhaut

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