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Klosterinsel Reichenau – politisches und kulturelles Zentrum
unter den Karolingern und Ottonen

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Als Gründung des hl. Pirmin im frühen 8. Jh. zählt Mittelzell zu den ältesten Klöstern Deutschlands. Unter einer stattlichen Reihe großer Äbte, deren Namen vielfach mit der Geschichte des Reiches verwoben sind, etablierte sich das Kloster in karolingischer und ottonischer Zeit zu einem politischen und kulturellen Zentrum ersten Ranges. Bereits Abt Waldo (786–806) und sein Nachfolger Heito I. (806–823, gestorben 836) zählten zu den engsten Vertrauten Karls des Großen. Waldo berief der Kaiser selbst 806 als Abt nach Saint Denis in das erste Kloster des Reiches. Heito I. reiste 811 in kaiserlicher Mission nach Byzanz, von wo er u.a. entscheidende architektonische Anregungen für das Marienmünster mitbrachte.

In späterer Zeit übernahm Abt Walahfrid Strabo (838–849), bedeutender Dichter und Gelehrter, die Erziehung Karls des Kahlen am kaiserlichen Hof. Seine „Visio Wettini“ enthält die früheste literarische Erwähnung der Insel.

Ende des 9. Jh. erfreute sich das Kloster der besonderen Gunst Karls III., der selbst mehrfach auf der Insel weilte und 888 in der dortigen Abteikirche bestattet wurde. Im selben Jahr bestieg Heito III. (888–913), ab 892 zugleich Erzkanzler und Erzbischof von Mainz, den Abtsstuhl. 896 begleitete er Arnulf von Kärnten zur Kaiserkrönung nach Rom, von wo er mit zahlreichen Reliquien zurückkehrte, darunter die des hl. Georg für seine Neugründung in Oberzell. Mit der Vormundschaft für Arnulfs unmündigen Sohn Ludwig III. stieg er zur wichtigsten Persönlichkeit des Reiches auf. Die politische Bedeutung der Klosterinsel unter den Ottonen belegt schließlich die ergrabene Kaiserpfalz Ottos III., die 995 südwestlich des Münsters errichtet worden war.

Das Bild der überaus regen Bautätigkeit auf der Insel bliebe unvollständig, wenn man den drei erhaltenen Bauten in Mittel-, Nieder- und Oberzell nicht noch drei weitere, im frühen 9. Jh. untergegangene hinzufügen würde: Die um 900 errichtete Sankt-Pelagius-Kapelle und die beiden ottonischen Kirchen Sankt Johann und Sankt Adalbert, deren Altarweihe Papst Leo IX. 1049 persönlich vorgenommen hatte. Einen Höhepunkt monastischer Architektur und zugleich ein Dokument ersten Ranges bezeichnet der einzige erhaltene Architekturplan des gesamten Frühmittelalters, der berühmte Sankt Gallener Klosterplan, der um 830 im hiesigen Skriptorium angefertigt wurde.

Über Umfang und Bedeutung der daran angeschlossenen Klosterbibliothek belehrt ein unvollständig erhaltener Bestandskatalog, der 821 unter Abt Heito vom Bibliothekar und Schreiber Reginbert verfasst, mindestens 415 Bände verzeichnet.

Zweifellos europäischen Rang besitzt die Malereischule des Kloster, die zur Zeit der Ottonen nicht nur die berühmten Wandmalereien in Oberzell, sondern auch eine stattliche Zahl kostbarster Buchillustrationen hervorbrachte. Von ihrem hohen künstlerischen Wert zeugen etwa der Codex Egberti in der Staatsbibliothek Trier oder das prächtige Evangeliar Ottos III. in der Staatsbibliothek München.


Reichenau-Niederzell, Sankt Peter und Paul, Hauptapsis.

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