Читать книгу Im Eifer deines Dieners - Gernot Gottwals - Страница 5
Kapitel 3
ОглавлениеEs war gegen 19 Uhr, als eine Straßenbahn Klotzhofer aus seinem Nickerchen emporschnellen ließ. Der monotone Rhythmus der Waggons, die über das Gleisbett und den vom Frost aufgeplatzten Asphalt holperten, hämmerte in seinem Schädel, da ihn schon seit Stunden heftige Kopfschmerzen quälten. Kein Wunder nach diesem anstrengenden Tag, der noch lange nicht vorbei war. Es hatte sich ja noch Vater Gregoriew angesagt, den der Direktor freilich mit sehr gemischten Gefühlen erwartete. Immerhin: Seinen lautstarken Auftritt im Museum hätte er ihm bei aller orthodoxer Verbohrtheit niemals zugetraut. Diesen Geistlichen musste man also tatsächlich ernst nehmen. Würde er den Priester wenigstens so weit beruhigen können, dass dieser künftig seine peinlichen Besuche unterlassen würde? Und könnte ihm dieser evangelische Kuhn dabei wirklich eine Hilfe sein? Auf diese Fragen hatte Klotzhofer derzeit keine Antworten parat.
Dann klingelte plötzlich das Telefon. Klotzhofer schaute verstört auf das Display: Der langen Nummer zufolge kam das Gespräch offenbar aus Sankt Petersburg. Wenigstens die wichtigen russischen Vorwahlnummern hatte sich Klotzhofer im Laufe seiner vielen Verhandlungen mit den dortigen Kunsthändlern gemerkt. Irritiert hob er den Hörer ab.
„Guten Abend, Herr Klotzhofer. Hier ist Karparow. Meine Gratulation zur Eröffnung. Wie ist es gelaufen?“ Der gewisse Unterton in der Stimme des Anrufers ließ nichts Gutes ahnen. Hilfesuchend blickte der Direktor aus dem Fenster seines Büros zum angestrahlten Turm der Matthäuskirche, der sich eher sanft vor der grellen Lichtpyramide des Messeturms abhob.
„Danke, wir hatten viele namhafte Honoratioren zu Gast, und der von Ihnen empfohlene Kosakenchor hat einfach wunderbar gesungen und alle mitgerissen“, log Klotzhofer angestrengt.
„Schön, schön, und dieser verrückte Priester aus der Nachbarschaft, gibt der endlich Ruhe?“
Klotzhofer suchte nach einer passenden Antwort. „So gut wie. Wir haben ihn praktisch mundtot gemacht. Nur manchmal versucht er es noch mit seinen lästigen Anrufen.“
„Dann bringen Sie ihn gefälligst endgültig zum Schweigen! Sonst wird es Sie und Ihr Museum nicht mehr lange geben. Und ich lasse mich von euch nicht übers Ohr hauen. Wir hatten genau ausgemacht, welche Ikone zu welchen Bedingungen eingeführt und im Museum gezeigt wird. Diese Sauerei mit der Heiligen Barbara wird ein Nachspiel haben!“ Den letzten Satz konnte Klotzhofer kaum verstehen, da der Anrufer von lauter und dramatischer Orchestermusik fast völlig übertönt wurde.
„Wie bitte? Die Musik ist so laut. Was ist das für eine grausige Sinfonie?“, fragte Klotzhofer irritiert.
„Sie verstehen sehr gut, was ich meine. Ich höre gerade Modest Mussorgskijs Nacht auf dem Kahlen Berge. Dort, wo die Türken verloren haben. Das Leben ist eine einzige Schlacht, und glauben Sie ja nicht, Sie könnten gegen mich gewinnen.“ Dann machte es plötzlich Klack in der Leitung. Karparow hatte aufgelegt.
Der Direktor starrte ratlos auf die Wand und die Vitrine gegenüber. Dort hatte er einige Ikonen aus den Athos-Klöstern und Vortragekreuze der äthiopisch-koptischen Kirche vorübergehend untergebracht. Nun hieß es Nerven behalten. Klotzhofer musste erst mal mit dem ungebetenen Nachbarn vor Ort fertig werden, ehe er sich um die großen russischen Hintermänner kümmern konnte. Dann klingelte erneut das Telefon.
„Ja, hier Riestermann von der Pforte. Da ist Gregoriew für Sie vor dem Museum. Er will aber nicht reinkommen, sondern erwartet Sie lieber draußen, nahe beim Eingang.“
„Was soll denn der Quatsch?“, fuhr Klotzhofer den Pförtner mit echauffierter Stimme an. „Nun hat sich dieser Priester so unerhört laut angekündigt, dass ihn sogar die Sekretärin in meinem Terminkalender eingetragen hat. Und nun soll ich mich extra zu ihm herunterbemühen? Sagen Sie ihm, er soll gefälligst raufkommen.“
„Das geht nicht. Er hat mir nur kurz zugerufen und gesagt, er will Sie lieber draußen sprechen. Dann ist er um die Ecke gegangen.“ Klotzhofer überlegte hin und her. Nervös blickte er auf die Exponate schräg gegenüber. In Sekundenbruchteilen lief sein Gesicht feuerrot an, während er sich überlegte, wie weit es dieser Priester wohl noch mit ihm treiben wollte. Schließlich fasste er sich etwas, entgegnete jedoch immer noch mit hektischer Stimme: „Das ist doch unerhört. Nun gut, er will es offenbar nicht anders. Ich bin in wenigen Minuten unten. Dann kann der aber sein blaues Wunder erleben.“ Klotzhofer knallte den Hörer auf, sprang mit einem hastigen Satz auf und rannte an die Wand gegenüber, wo er in seiner Wut die Vortragekreuze auf der Vitrine unwirsch beiseiteschob. Dann eilte er zurück zum Schreibtisch, nahm den Mantel von der Stuhllehne und hastete die Treppenstufen hinunter.
„Schauen Sie, Ihr später Gast geht nun dort drüben auf und ab. Er scheint es genauso eilig wie Sie zu haben“, empfing ihn Eugen Riestermann an der Pforte. Dafür, dass der uniformierte Pförtner schon fast das Rentenalter erreicht und kaum eine wirkliche Gefahr zu melden hatte, funkelten seine stechenden Augen noch sehr aufmerksam.
Klotzhofer sah ihn unwillig an, dann schrie er zur anderen Seite:
„He, Gregoriew, warten Sie, ich komme rüber. Und dann reden wir mal Tacheles.“ Er war jedoch noch nicht auf der anderen Seite der Friedrich-Ebert-Anlage angelangt, als schon ein lautstarker Wortschwall auf ihn einprasselte. „Nein, nein, doch nicht hier. Das müssen ja nun auch nicht alle Leute mitkriegen“, versuchte Klotzhofer die wütende Stimme zu bändigen. „Gehen wir erst ein Stück und sprechen dann in einer ruhigen Seitenstraße.“
Doch Klotzhofers Bemühungen brachten nur kurzzeitigen Erfolg. Die beiden Männer fuchtelten schon wieder laut schwadronierend mit den Händen, als sie seitlich in die Ludwigstraße einbogen. Dort ging wie so oft zu später Abendstunde Gisela Bachmann mit ihrem ausgewachsenen Dobermann spazieren.
Als der schlanke und drahtige Rüde die beiden Streithähne auf sich zukommen sah, knurrte und bellte er laut, zerrte unwillig an seiner Leine. Für einen Moment befürchtete sein Frauchen, ihn nicht mehr zurückhalten zu können.
„Ruisch, Mäxche, ganz ruisch“, redete Frau Bachmann auf ihren Vierbeiner ein. Dann wagte sie einen Blick auf die beiden Passanten und runzelte zornig die faltige Stirn. „Sie sollte sisch was schäme, des arme Tier so uffzuresche.“
„Kümmern Sie sich gefälligst um Ihren eigenen Kram“, herrschte Klotzhofer sie an.
Gisela Bachmann nahm ihren Max und ging mit ihm weiter Richtung Mainzer Landstraße. Hinter ihr hörte sie das laute Brüllen, drehte sich noch einmal um und sah, wie Klotzhofer und sein lautstarker Begleiter hinter der Schranke der Einfahrt ins ehemalige Polizeirevier verschwanden. Sie band Max kurz an einen Laternenpfahl, ging vorsichtig ein paar Schritte zurück und hörte durch den Hinterhof Klotzhofers Stimme, die sich förmlich überschlug:
„Sie veeerdammtes Arschloch, daas wiird Iihnen noch leeidtun, Sieeee …“ Kurze Zeit später hörte sie das Klirren von Flaschenglas, das auf dem Straßenpflaster zersprang, und danach noch lautere Schreie.
„Um Gottes Wille, des gibt da drinne ja Mord un Todschlaach“, dachte Gisela Bachmann und rannte in Panik Richtung Mainzer Landstraße. Immer wieder drehte sie sich ängstlich herum: Wenn der zweite Mann nun herauskommen würde, könnte sie als einzige Zeugin ihr Testament machen. Doch nichts geschah. Dann nahm sie plötzlich einen schwarzen Schatten wahr und erschrak sich zu Tode. Doch es war nur eine aufgescheuchte Katze, die sich offenbar vor Max erschreckt hatte. Verzweifelt suchte sie in ihrer Manteltasche nach ihrem Handy. Als sie es endlich gefunden hatte, verständigte sie über den Notruf rasch die Polizei.
Schon wenige Minuten später erschien eine Polizeistreife mit Rettungswagen am Tatort. „Was sagten Sie, Frau Bachmann, hinter der Einfahrt zum alten Polizeipräsidium in der Ludwigstraße? Also in der Nähe des neu eröffneten orthodoxen Museums?“, wollte Polizeihauptmeister Helmut Schubert wissen.
„Ja, genau dort“, bestätigte Frau Bachmann und beruhigte Max, der noch immer aufgeregt bellte.
Was sich den Einsatzkräften im besagten Hinterhof bot, war ein Bild des Grauens. Blutüberströmt lag dort eine Person mit einer großen Wunde am Kopf. Die Sanitäter beugten sich über den leblosen Körper und konnten nur noch den Tod durch Erschlagen mit einem schweren Gegenstand feststellen. „Mensch, wer macht denn so was Schreckliches? Und das an unserem alten Arbeitsplatz?“, entfuhr es Schubert.
Das Polizeiteam inspizierte den Ort des Schreckens. Rund herum lagen Flaschen von nächtlichen Partys und die Scherben einer großen Flasche, mit der man die Person offenbar tödlich getroffen hatte. Auf den größeren Scherben waren noch Teile des Etiketts in kyrillischen Buchstaben zu erkennen. „Ganz offensichtlich so ein billiges Sonderangebot von russischem Wodka, wie man ihn in jedem Supermarkt kaufen kann“, dachte Schubert. Schon seit längerer Zeit war die Zufahrt in der Ludwigstraße neben dem Neubau des früheren Präsidiums, der nun an Partyclubs vermietet wurde, weder verschlossen noch irgendwie gesichert. Dies hing damit zusammen, dass die Stellplätze im Innenhof größtenteils extern vermietet wurden, bis der Eigentümer, das Land Hessen, eine neue Verwendung für den gesamten Komplex gefunden hatte. Die beiden Schranken waren zumindest für Fußgänger nur noch Attrappen. Jeder konnte nachts auch in die weiter hinten gelegenen Innenhöfe gehen, obwohl Teile davon in der Nähe der baufälligen Gebäude inzwischen wegen Einsturzgefahr abgesperrt waren. Trotzdem hatte man des Öfteren gehört, dass dort immer mal wieder große und lautstarke nächtliche Partys stiegen. Die vielen Flaschen und Zigarettenkippen lagen dort nicht von ungefähr.
Hauptmeister Schubert verständigte die Mordkommission K 11, sicherte den Tatort vorübergehend und nahm die Aussagen und Personalien von Gisela Bachmann auf. Kriminaloberkommissar Pokroff saß gerade über einem besonders hartnäckigen Fall, als der Notruf bei ihm im Büro eintraf. „Ich komme sofort mit einem Kollegen vorbei“, antwortete Pokroff. Während er sein Büro verließ und zu seinem Dienstwagen in die klinisch weiße Tiefgarage hinunterging, zogen die Bilder seines früheren Arbeitsplatzes an ihm vorbei: die stattlichen, wenn auch reichlich angestaubten Diensträume in dem wilhelminischen Bau aus der Gründerzeit, die nun verwaiste Zufahrt mit Schranke im hinteren modernen Anbau. Und der Rapport beim Polizeipräsidenten im prunkvollen neubarocken Sitzungssaal.
Pokroff sah schon die neugierigen Anwohner vor sich, die mit wohligem Gruseln zum blutgezeichneten Tatort pilgern und hinterher beim zuständigen Ortsbeirat mehr Sicherheit und Kontrolle fordern würden. Die leerstehenden Gebäude des alten Präsidiums waren den anliegenden Geschäftsleuten schon seit längerer Zeit ein Dorn im Auge.
Gisela Bachmann zog sich gerade das Kopftuch über das weiße Haar, als Oberkommissar Waldemar Pokroff mit seinem Kollegen Evangelos Zorbas in der Ludwigstraße eintraf und zusammen mit den übrigen Beamten den Toten nach Papieren absuchte. Routiniert zogen Pokroff und der Kommissaranwärter die weißen Overalls über, bevor sie sich der Leiche näherten. Zorbas war ein temperamentvoller Grieche mit südländisch-dunkler Gesichtsfarbe. Oft wirkte er in seinem Auftreten noch jugendlich und unerfahren. Der Anblick der Leiche ließ ihn fast erstarren, er spürte, wie ihm der Schock eine eisige Gänsehaut über den Rücken jagte. Hilfesuchend blickte er zu Pokroff hinüber, der ihm betreten zunickte. Zorbas schloss kurz die Augen, holte tief Luft. Dann griff er in die Hosentasche, zog das Portemonnaie heraus. Ein kurzer Blick in den Personalausweis genügte und schon stand fest: Es war der Museumsdirektor Werner Klotzhofer.
„Frau Bachmann, bitte beschreiben Sie noch einmal genau, was Sie gesehen haben“, forderte Pokroff die Zeugin auf. Wie üblich versuchte er, die nervöse Dame mit seinem einigermaßen ruhigen und seriösen Tonfall zu beruhigen – was ihm jedoch kaum gelang.
„Also isch bin mit meinem Mäxche, also meinem Hund hier ne ganze Weile lang uff dere Straß spazierngegange. Dann kame die beide von der Friedrisch-Ebert- Anlaach in die Ludwigsstraß un hawwe so heftisch gestritte un gefuchtelt, dass der Hund sisch erschrocke hat un fast uff beide los wär“, erklärte Gisela Bachmann. „Isch konnt’en gerad noch so halte. Dann sin die zwaa da in den Eingang un hawwe weiter geschriee und dann hab isch aach schon des Glas geheert.“
„Sie haben also den Kampf mit den Glasflaschen gehört? Und einer dieser beiden Männer war der Tote hier, also Herr Klotzhofer?“
„Ja ganz sischer.“
„Und der andere Mann, können Sie den beschreiben?“, hakte Zorbas nach. Noch nie hatte sich der südländische Kommissaranwärter in seinem Beruf so fremd gefühlt wie beim schauderhaften Anblick der Leiche an diesem feuchtmilden Wintertag.
„Ja, des war so’n älterer, mit dunklem un aach schon graue Haar un‘nem Bart. Der hat ausgesehn wie so’n Rasputin, isch maan wie so’n Russ.“
„Und haben Sie auch gehört, wie Klotzhofer ihn mit Namen angesprochen hat?“
„Ja, des klang so wie Gregor oder Gregory odder so ähnlisch.“
„Haben Sie den anderen Mann bei der Flucht beobachtet?“
„Naa, der is wie vom Erdbode verschluckt. Isch hatt‘ ja solsche Angst …“
„Und haben Sie sonst noch etwas Auffälliges beobachtet?“ Frau Bachmann schüttelte mit dem Kopf.
„Gut, vielen Dank. Sie können jetzt erst mal nach Hause gehen. Ein Kollege wird Sie die paar Schritte begleiten“, bot Pokroff an. „Später werden wir Sie noch einmal im Präsidium brauchen, um ein Phantombild anzufertigen. Im neuen Präsidium in der Adickesallee, meine ich natürlich.“ Während Pokroff die alte Dame davoneilen sah, so dass ihr der Kollege kaum nachkommen konnte, drängte sich ihm eine andere Erinnerung auf: Ausgerechnet in diesem verdammten Hinterhof hatte er als junger Polizist mit Kollegen eine erfolgreiche Razzia begossen. Die ein oder andere Piccoloflasche war dabei auch zu Bruch gegangen. Tags darauf musste er sich vom damaligen Oberkommissar, der ihn sowieso auf dem Kieker hatte, eine deftige Abfuhr abholen. Und ausgerechnet hier war nun einer mit einer Wodkaflasche erschlagen worden. „Irgendwie schon pervers“, dachte er. Pokroff nahm sein Funkgerät und piepte seine Kollegin an, die Oberkommissarin Christiane Bechstein. Sie war zwar an jenem Abend nicht im Einsatz, jedoch in Rufbereitschaft. Wenigstens wollte er seine Kollegin kurz von dem Fall unterrichten und auf die weitere Ermittlungsarbeit am folgenden Tag vorbereiten. Wie so oft, wenn er seinen Schrecken über eine Bluttat unter Kontrolle bringen wollte, neigte er mal wieder zu einem protokollarisch-militärischen Lagebericht.
„Hallo Christiane, hier Pokroff. Uhrzeit 20.30 Uhr, Leiche in der Einfahrt zum alten Polizeipräsidium. Dort ist vor etwa einer halben Stunde der Museumsdirektor Werner Klotzhofer ermordet worden. Du bist empfangsbereit? Immerhin hast du Bereitschaft.“
„Selbstverständlich, Herr Major. Wer bitte ist ermordet worden?“ Pokroff konnte freilich nicht ahnen, dass er seine Kollegin bei einem Date störte. Denn mit Ende Dreißig war die Polizeibeamtin, die gebürtig aus Darmstadt kam, noch Single, hatte sich für diesen scheinbar so unverdächtigen Abend extra ihre Frisur richten lassen. Auch ihre Verabredung verhielt sich in diesem Moment völlig arglos und versuchte lediglich, eine blondierte Haarsträhne der Kommissarin sanft zu berühren. Ihr neuer Schwarm Jan, den Pokroff bislang nur vom Sehen kannte, war ein junger und aufstrebender Versicherungsagent der erfolgreich auf Provision arbeitete und wusste, dass man für alle Notfälle des Lebens gewappnet sein musste. Christiane jedoch konnte die Geste nicht genießen, brachte kaum ein angestrengtes Lächeln hervor, ehe sie zurückfragte: „Du meinst doch nicht etwa den früheren Kunsthändler zwischen Dom und Braubachstraße, der sich jetzt zum Direktor für dieses private Sakralmuseum ernannt hat?“
„Das ist der ermordete Mann“, antwortete Pokroff trocken. „Kanntest du ihn etwa?“
„Na ja, sagen wir mal: flüchtig. Von zwei oder drei Besuchen und einem Einkauf. Aber meine Eltern sind öfters in dieses Geschäft gegangen, als es noch dem Vorgänger gehörte. Bei Klotzhofer, da werden wir sehr aufpassen müssen. Der hat schon immer gerne geprahlt und die Leute mit seinen angeblich ach so tollen Plänen genervt. So macht man sich jedenfalls keine Freunde, sondern zieht nur die Neider auf sich.“
„Dann haben wir einen entsprechend großen Kreis an Verdächtigen zu untersuchen. Also Folgendes: Eine Zeugin hat den möglichen Täter beschrieben, wahrscheinlich der Priester von der benachbarten russisch-orthodoxen Gemeinde. Evangelos und ich fahren gleich noch bei seiner Dienstwohnung vorbei und verhören ihn. Für heute Abend kriegen wir die Lage mit unseren Leuten alleine in den Griff. Aber du schnappst dir morgen gleich unsere Spezis von der Spurensicherung und stellst dieses Museum für Osteuropäische Sakralkunst auf den Kopf. Offenbar waren Täter und Opfer dort verabredet, bevor es zum Showdown an der hinteren Hofeinfahrt gekommen ist. Sicher werden wir dort wichtige Zeugen finden, die uns die Vorgeschichte zu diesem Mord erzählen können. Und dann müssen wir natürlich Klotzhofers Wohnung durchsuchen. Noch irgendwelche Fragen?“
„Nein, Sir, vorerst nicht. Das heißt, vielleicht doch. Warum leitest du die Untersuchung morgen im alten Präsidium nicht, wo du den Bau doch wie deine Westentasche kennst?“
„Nein, das ist keine gute Idee. Ich werde mich mit Zorbas auf den Außenbereich und den Hauptverdächtigen konzentrieren. Du kannst im alten Präsidium völlig unvoreingenommen ohne subjektive Erinnerungen ermitteln. Ich komme dann später hinzu. Gute Nacht.“
Noch bevor die Spurensicherung ihre Arbeit in der Ludwigstraße zu Ende bringen konnte, setzte ein ungemütlicher Regen ein, der die Arbeit behinderte. Als die Kollegen alle fertig waren, konnte Pokroff freilich noch lange nicht an den Heimweg denken. Natürlich hatte er sich schon beizeiten über die Zuständigkeiten in der russischen Gemeinde informiert. Dabei war ihm der eifernde Priester, der sich schon mal mit der Nachbarschaft anlegte, keineswegs entgangen. Nun war es nicht allzu schwer, die Namensfetzen, die die alteingesessene Frankfurterin in der Aufregung aufgeschnappt hatte, entsprechend zuzuordnen. Igor, Gregor, Gregory, Gregoriew – schließlich klang das doch alles recht ähnlich.