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C wie CASH
ОглавлениеOder: Schon mal mit vollen Händen gebetet, geküsst, gesungen, gestreichelt oder getröstet?
Wenn Ägidius Zsifkovics als langjähriger Pfarrer von Wulkaprodersdorf für die Sanierung des Kirchendaches oder für andere pfarrliche Projekte die Leute um Spenden bat, pflegte er zu sagen: „Keine Angst! Geld für das Projekt ist ausreichend vorhanden. Es befindet sich derzeit allerdings noch in euren Taschen.“ Geburtsheilkunde und Palliativmedizin berichten, dass der Mensch ganz am Anfang und ganz am Ende seines Lebens die Arme in einer gebenden Geste weit ausstreckt – als ob er nichts für sich wolle. Dazwischen hat er eine Existenz zu bewältigen, in der es ohne Besitz und „Cash“ nicht zu gehen scheint. Der Bischof von Eisenstadt erinnert daran, dass der Reichtumsbegriff des Evangeliums nicht am Haben orientiert ist.
In unserer globalisierten Welt kommt es täglich vor, dass Unternehmen expandieren und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in andere Städte und Länder schicken, um dort neue Märkte zu erschließen. Stellen Sie sich vor, Sie würden dort hingeschickt; was würde sich Ihr Chef von Ihnen erwarten? Wohl alles das, was der kaufmännischen Logik von Konzernen entspricht: sicheres Auftreten, Verhandlungsgeschick, Führungsqualitäten, Menschenkenntnis, Durchsetzungsvermögen, exzellente Verkaufsstrategien, ein Netzwerk einflussreicher Leute, erfolgsorientierte Öffentlichkeitsarbeit usw. Auf diese Fähigkeiten wird gesetzt, wenn man Erfolg haben will. Sie entsprechen der Logik und Taktik einer Welt, die auf das Haben, auf Geld und Gewinn ausgerichtet ist.
Doch es gibt und gab zu allen Zeiten Menschen, die auf ein anderes Pferd setzten. Der Philosoph Ludwig Wittgenstein schrieb den einleuchtenden Satz, dass Reichtum eine Frage der inneren Einstellung sei. Und die Cree-Indianer hinterließen uns die Prophezeiung: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“ Eine alte Weissagung, die auf unserer vom globalen Raubbau so existentiell bedrohten Erde heute zum möglichen Szenario für die Gattung Mensch geworden ist.
Auch das Evangelium zeigt uns eine ganz andere Taktik als die des vollen Geldbeutels – es zeigt uns die Taktik Jesu. Jesus rief die Zwölf zu sich und gab ihnen die Kraft und die Vollmacht, „Dämonen auszutreiben und Kranke gesund zu machen“. Jesus sendet seine Jünger zu zweit voraus in die Dörfer und Städte der Umgebung. Sie sollen die Menschen mit seiner Botschaft in Berührung bringen, das Reich Gottes verkünden und Kranke heilen. „Sagt allen Menschen deutlich, dass Gott sie ohne Vorbedingung liebt!“, ist die Grundaussage des Auftrags. „Aber sagt es nur, wenn ihr gleichzeitig durch euer konkretes Handeln und Helfen zeigt, dass es wahr ist!“ Jesu Auftrag ist also herausfordernd und ganz konkret zugleich:
Wenn Menschen sich freuen, dann freue dich mit!
Wenn Menschen Sorgen haben, dann stehe ihnen bei!
Wenn Menschen es schwer haben, dann teile mit ihnen die Last!
Wenn Menschen in Not sind und Hilfe brauchen, dann sei zur Stelle!
Wenn Menschen allein sind, dann bleibe bei ihnen!
Wenn Menschen traurig sind, dann lass sie nicht allein in ihrer Trauer, sondern tröste sie!
Wenn Menschen den Glauben, die Hoffnung und die Liebe verloren haben, dann hilf ihnen, Wege zu Gott zu finden, und bete für sie!
Das ist die Taktik, die seelische Dämonen austreibt und Frieden schafft, die Krankes heilt, die Menschen verbindet, die auf Liebe setzt. Es ist eine Taktik, die etwas kostet – nämlich Einsatzbereitschaft, Opfer und Verzicht – und die manchmal etwas Ungewolltes hervorruft – nämlich Unverständnis, Spott und Ablehnung. Die Frage des abgebrühten Zeitgenossen lautet dazu: Was bringt diese Taktik mir persönlich, was bekomme ich dafür?
Die Lebensschule Jesu ist zugleich der Weg wahren inneren Reichtums. Es ist der im Menschen angelegte Weg, der ihn seine Isolierung überwinden lässt, indem er sich auf sein menschliches Gegenüber bezieht. Die Bereitschaft zu teilen, zu geben, Opfer zu bringen, ist eine in uns allen vorhandene Anlage, die jedoch auf mannigfache Weise verschüttet sein kann. Auf diesen Lebensweg der Zuwendung sendet Jesus seine Jünger aus, wohlwissend, dass sein Auftrag nicht leicht ist. Jesus beschönigt nichts, er sagt deutlich, worauf sich die Jünger einstellen müssen, wenn sie sein Kommen vorbereiten. Anders als die Gesandten multinationaler Konzerne sollen sie keine Businesspläne, Titel und Statussymbole, keinen Besitz, kein Geld, keinen Vorrat mit sich führen. Das Gottvertrauen, das sie anderen predigen, sollen sie selbst leben, glaubwürdig und ohne doppelten Boden. Mit ihren leeren Händen sollen sie das, was sie selbst von Gott empfangen haben, an andere weitergeben, großzügig und vorbehaltlos. Sie sind schutz- und mittellos auf die Güte und Großzügigkeit der Menschen angewiesen. Neben dem Gottvertrauen gilt es also auch, den Mitmenschen Gutes zuzutrauen – eine Herausforderung, die Mut abverlangt, aber von der Gottesbeziehung nicht zu trennen ist, wie Papst Franziskus uns unmissverständlich ins Gedächtnis ruft.
Im biblischen Bericht von der Aussendung der Jünger ist von der ganzen Menschheit die Rede, von jedem einzelnen Christen. Getaufte, Gefirmte und Geweihte sind heute die Jünger und Gesandten Jesu. Wir sollen heute die Botschaft Jesu, dass Gott alle Menschen liebt und ihnen nahe sein will, weitersagen und so leben, dass etwas davon für andere erfahrbar wird. Auf uns, unseren Beistand und unseren Trost warten traurige, einsame, notleidende, schmerzgeplagte, zweifelnde und verzweifelte, innerlich zerrissene oder überforderte Menschen – meist nicht weit weg, sondern ganz in unserer Nähe: oft in der eigenen Familie, im Freundeskreis, am Arbeitsplatz. Diesen Auftrag können wir jedoch nicht als Fachleute oder als Besserwisser erfüllen. Es gibt keinen akademischen Titel, der den innerlich freien Menschen ausweisen könnte. Frei aber muss man sein, um den von Jesus gezeigten Weg selbst gehen zu können. Dieser inneren Freiheit geht immer eine echte Selbstbekehrung voraus. Eine tiefgreifende seelische Wandlung, die bei einem selbst die Fixiertheit auf das Haben aufbricht und erleben lässt, dass es mitunter die wertvollsten und schönsten Dinge im Leben sind, die nicht mit vollen Händen zu bewerkstelligen sind – ob wir beten, jemanden umarmen, einem anderen eine Freude machen oder helfen, oder ob wir einfach nur aus freiem Herzen ein Lied singen. Immer dann bewahrheitet es sich, dass Geben seliger ist denn Nehmen, weil es Ausdruck von Liebe und höchster Produktivität ist. Es ist eine Haltung, die, wenn sie echt ist, auf andere ansteckend wirkt und die den tiefgreifenden politischen, ökonomischen und ökologischen Wandel möglich machen wird, den die Erde und unsere Welt so dringend benötigen. Es ist die Haltung, die der wahren Natur des Menschen entspricht.