Читать книгу Was Barack Obama glaubt - Giorgio Bouchard - Страница 8
Eine unabhängige junge Frau
ОглавлениеDoch Stanley, ein Handelsreisender, empfand das Leben in Kansas als unbefriedigend. Er wechselte mehrmals seinen Wohnort: Kalifornien, Texas, Seattle (im Bundesstaat Washington) und schließlich Honolulu auf der Inselgruppe Hawaii, dem multikulturellsten Bundesstaat der Vereinigten Staaten. Stanley arbeitete weiterhin als salesman, als Händler; Madelyn hingegen wurde von einer Bank als Kassiererin eingestellt und verließ diese dreißig Jahre später als Vizedirektorin. In der Zwischenzeit wurde Ann (1941-1993) geboren, die Mutter von Barack Obama.
Ann hatte ihren eigenen Kopf (darin war sie ihren Eltern sehr ähnlich) und es zeigte sich recht früh, dass sie eine kluge junge Dame war, die Leidenschaft und Begabung zum Studieren besaß. Bereits in ihrer Jugend entschied sie sich für das Studium der kulturellen Anthropologie, ein Gebiet, auf dem sie sehr bald zur Expertin wurde. Doch ihre Interessen gingen weit darüber hinaus. Sie las zahlreiche Bücher über Philosophie, Literatur und Politik. Nachdem sie das Manifest von Marx und Engels gelesen hatte, begann sie, sich als Kommunistin zu bezeichnen, was unter ihren Schulfreundinnen für Empörung sorgte. Obwohl sie nicht in das kleinbürgerliche Schema der damaligen Zeit hineinpasste und als „junge Rebellin“ galt, war Ann jedoch ebenfalls allen Werten des amerikanischen Mittleren Westens treu geblieben: Integrität, Verantwortungsbewusstsein, Strenge, aber auch Toleranz. Werte, die sie später ihrem Sohn vermittelte (und sie lehrte ihn auch, stolz darauf zu sein, ein black, ein Schwarzer zu sein). Viele Jahre später schrieb Barack Obama: „All das Gute, das in mir steckt, habe ich von ihr bekommen.“ Und es ist wahr.
Während ihres Studiums an der Universität von Honolulu lernte Ann Barack Obama Senior (1938-1982) kennen. Er war ein herausragender kenianischer Student, der dank der Kulturpolitik Kennedys ein Stipendium für ebendiese Universität erhalten hatte. Barack Obama Senior stammte aus einer muslimischen Familie, war jedoch selbst überzeugter Atheist. Beide belegten einen Russischkurs, was damals unter den eher unkritischen Linksliberalen durchaus üblich war, und lernten sich dort kennen. Sie verliebten sich ineinander und bekamen einen Sohn, der den Doppelnamen Barack Hussein erhielt, fast so, als wollten sie damit den kulturellen Hintergrund des Vaters unterstreichen.9 Die Tatsache, dass Barack senior einen Sohn und eine schwangere Ehefrau in Kenia zurückgelassen hatte, hielt ihn nicht davon ab, Ann standesgemäß vor den Traualtar zu führen.10 Ihre Eltern akzeptierten diese Ehe, ohne jedwede Einwände zu äußern, und dennoch wäre nur einige Jahre zuvor eine Mischehe in den Vereinigten Staaten undenkbar gewesen.11
Barack Obama wurde also 1961 als Sohn der Liebe geboren und erfuhr auch unendlich viel Liebe: Von der Mutter, die sich hingebungsvoll um ihn kümmerte, aber vor allem von seinen Großeltern, mit denen er sehr viel Zeit verbrachte und die ihn während des Studiums auch finanziell gemäß ihren Möglichkeiten unterstützten.12 Auch sein Vater liebte ihn, doch seine Karriere schien ihm wichtiger zu sein. 1962 bekam er ein Stipendium für ein Studium an der Harvard University, der prestigereichsten Elite-Universität der Vereinigten Staaten (vielleicht sogar der ganzen Welt).
Er hatte jedoch wenig Geld und so ließ er seine Frau und Barack in Honolulu zurück. Er kehrte nie wieder zu ihnen zurück, um sie zu sich zu holen, und so endete die Ehe 1964 in einer Scheidung.
Wenige Jahre später heiratete Ann erneut, diesmal den Indonesier Lolo Soetoro. Er war kein strenggläubiger Muslim, sondern tendenziell eher synkretistisch. Auch dieses Mal stimmten Anns Eltern einer Ehe zu, aber schon bald kam für Lolo der Moment der Rückkehr in seine Heimat. Ann willigte ein, ihm nach Jakarta zu folgen, wo 1970 Maya geboren wurde, Baracks jüngere Schwester, zu der er immer eine sehr enge Beziehung hatte.