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Rainer Schorm: Der Inspirativ

Es gibt Kollegen, die stehen einem näher als andere. Und das, obwohl man sie nicht einmal persönlich kennt!

Einer dieser Kollegen ist Thomas R. P. Mielke. Auf gewisse Weise trägt er Mitschuld daran, dass ich heute die geneigte Leserschaft mit Texten traktiere. Man könnte sagen, er fügte meiner textlichen Welt einen neuen Fall hinzu: den Inspirativ.


Als junger Mensch buhlten zwei SF-Heftserien um meine Aufmerksamkeit. Das muss irgendwann zwischen 1978 und 1980 gewesen sein. Nachdem die Neuauflage von ORION – die Heftausgabe mit dem silbernen Rahmen – abgefrühstückt war, fand mein Sprung zu Perry Rhodan statt, passend zur frisch gestarteten 4. Auflage. Rhodan fand ich faszinierend und da es vier Auflagen davon gab, konnte man schnell ermessen, welche Ausdehnungen dieses Universum hatte.

Die zweite Serie war sehr viel exotischer – und sie war neu im ursprünglichsten Sinne des Wortes: Die Terranauten.

Bereits der Name machte jedem klar, dass der Zugang ein anderer sein würde. Dieses Versprechen hielt die Serie, auch wenn sie nur bis Band 99 (im Heft) laufen sollte.

Die Autoren waren andere und die Pseudonyme sagten mir wenig – schon damals war ich eher engagierter Leser als ein »Fan«.

Dinge wie Yggdrasil-Misteln oder die »Knospen des Baumes« faszinierten mich auf Anhieb, auch wenn mir schien, dass die Autoren daraus zu wenig machten. Nicht, dass ich zum damaligen Zeitpunkt hätte sagen können, warum ich dieses Gefühl hatte.

Immerhin aber kam mit Yggdrasil, der Borstenzapfenkiefer, dem Urbaum, eine Komponente hinzu, die eindeutig mythologisch war. Die Edda faszinierte mich (genau wie die griechische Mythologie, das Gilgamesch-Epos und anderes) bereits vor meiner Reise in die Science-Fiction. Was für eine grandiose Idee, all das zu kombinieren. Dieser schon beinahe historische Aspekt würde Folgen haben, auch wenn mir das nicht klar war.

Aber eines fiel mir schnell auf: Rolf W. Liersch trug Romane zur Serie bei, darunter das Taschenbuch »Sternenstaub«.

Der andere Autor, der am Konzept mitgearbeitet hatte – Thomas R. P. Mielke – tat das nicht. Ich erinnere mich daran, dass ich das rätselhaft fand. Immerhin stand unter dem Seriennamen: nach einer Idee von Rolf W. Liersch und Thomas R. P. Mielke. So weit, so geheimnisvoll.

Dass die Geschichte des Terranauten-Konzeptes Irrungen und Wirrungen beinhaltete, ahnte ich nicht. Zunächst war da einfach diese ungewöhnliche Mischung aus Ideen, sie sich auf den ersten Blick zu widersprechen schienen.

Thomas R. P. Mielke war in meinem Kopf also zunächst ein Abstraktum mit erstaunlichem Ruf. Ohne die Details zu kennen, schrieb ich ihm damals die Yggdrasil-Idee zu.

Den Terranauten war kein langes Leben beschert. Das mag an vielem gelegen haben, die Enttäuschung war auf jeden Fall groß, als sie eingestellt wurden. Dass danach Taschenbücher erschienen, die die Serie weiterführten, war kein wirklicher Trost. Jedem war klar, dass es sich um einen Abgesang handelte. Zudem schafften es diese Romane nicht, den Zauber aufrechtzuerhalten – zumindest nicht bei mir. Und wenn ich das langsame Verwelken der Serie im Folgenden bedenke, war das bei anderen ebenso wenig der Fall.

Im Gegensatz zu vielen anderen, teilte ich damals die Einstellung »entweder – oder« nicht. Für mich schlossen sich Perry Rhodan und die Terranauten niemals aus. Zu unterschiedlich waren die Ideen, und obwohl die Einzelromane oft deutlich gesellschaftskritisch waren, blieb der Zweifel, ob man aus diesem großartigen Konzept wirklich alles herausgeholt hatte. Häufig war die Meinung zu hören, die Konzeption sei zu anspruchsvoll gewesen, der Ansatz einfach zu anders. Ich teile diese Meinung nicht. Damals wäre sicher der Zeitpunkt gewesen, die Sache noch weiter zuzuspitzen. Vielleicht war das, was an Texten erschien, nicht anders genug? Ich kann die Frage auch im Rückblick nicht beantworten. Die Achtziger begannen und damit änderte sich gesellschaftlich so einiges. Die Terranauten waren »grüne« Science-Fiction. Das »Konzil der Konzerne« war durchaus ein kritischer Kommentar zur Realität, aber vielleicht war die Serie eben doch zu nah am Bekannten orientiert.

Irgendwann erfuhr ich, dass unter Michael Gördens führender Feder das Urkonzept so sehr verändert wurde, dass Thomas R. P. Mielke sich damit nicht mehr identifizieren konnte. In einem Interview verriet er, dass er für vernünftige Auflagenzahlen keine Chance mehr sah. Und für einen Autor, der eindeutig Profi ist, ist das ein durchaus schlagendes Argument.


Seit damals ist Thomas R. P. Mielke in meinem Gedächtnis vorhanden. Als ein kreativer Kopf, der tatsächlich querdenken kann. Ich sehe das als Kompliment, auch wenn Verlage diesem Gedankengang nicht gerade häufig folgen. Die Siebziger mit ihrem Fokus auf individuellen Ansätzen (beispielsweise in der Musik. Damals gab es Schallplattenlabels, die von ihren Künstlern nur eines forderten: anders zu sein als alle anderen).

Mit den Achtzigern war das vorüber und führte später dazu, dass Musik, bevor sie unter Vertrag genommen wird, von Musikpsychologen auf Massentauglichkeit geprüft wird. So buchstabiert man Armseligkeit.

Schon 1981 erschien »Der Pflanzen Heiland«, in dem die Idee der pflanzlichen Intelligenz unter anderen Aspekten aufgegriffen wurde. Vielleicht eher in dem Sinn, der Thomas R. P. Mielke ursprünglich vorschwebte? Gut möglich, wenn auch nur eine Spekulation meinerseits.

Dann kam das Jahr 1983 und damit ein Buch, das mich mitriss: »Das Sakriversum«.

Eine unglaubliche Geschichte über kleine Menschen, die sich unter dem Dach einer Kathedrale in einer eigenen Welt lebten. Da war es wieder: diese wunderbare Fähigkeit, Dinge zu kombinieren, die auf den ersten Blick kaum zusammenzubringen waren.

… dabei kommt mir in den Sinn, dass ich »Das Sakriversum« wieder einmal lesen sollte …

Als ich – sehr viel später – selbst zu den professionellen Autoren stieß, war es diese Kombination: Fantastisches mit möglichst exakt recherchierter Historie zu verbinden, die letztendlich wieder durchbrach.

Ich möchte das als Inspiration werten, nicht als Imitation, denn, um Thomas selbst zu zitieren, den ich letztes Jahr in Unterwössen kennenlernen durfte: »Ich orientiere mich nicht an Kollegen. Das verdirbt nur den eigenen Stil!«

Worte eines kreativen Kopfes. Und mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

… bis auf »Danke!« vielleicht.

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