Читать книгу Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit - Gisela Mayr - Страница 18
2.4.1 Inklusion und Sprachenvielfalt
ОглавлениеDas Prinzip der Inklusion ist ein übergreifender Begriff, der alle Aspekte schulischen Lebens und des gesamten Bildungssystems umfasst. Daher steht es auch hier im Fokus; es soll aufgezeigt werden, wie plurilinguale Unterrichtspraktiken auf unterschiedlichen Ebenen Formen der Inklusion zulassen, indem Lernende durch ein mehrsprachiges Unterrichtsdesign einen besseren Umgang mit Sprachen und Mehrsprachigkeit erwerben und sich dadurch sprachlicher Hierarchien und deren Wirkung im Diskurs bewusst werden. Das führt zu einer veränderten Wahrnehmung des eigenen Sprachenrepertoires und zu einer gesteigerten Wachsamkeit gegenüber den kommunikativen Bedürfnissen der anderen.
Inklusion als Prinzip schulischen Handelns stellt die individuelle Förderung des Einzelnen in den Mittelpunkt und erteilt dem Leistungsprinzip als oberstes Gebot schulischen Handelns eine klare Absage. Laut Böttinger ist die Anerkennung jeglicher kultur-, sprach- und genderspezifischen Diversität sowie der gezielte und individualisierte Umgang mit geistiger und körperlicher Behinderung ein Mehrwert, der zu einem gerechteren, solidarischen und weniger selektionsorientierten Verständnis von Schule führen soll (; Hallet 2011: 7, 61; Böttinger 2016: 18). Jede Klasse setzt sich aus lauter Individuen zusammen, auf die Unterricht ausgerichtet sein sollte mit dem Ziel schulischer Teilhabe und sozialer Partizipation für alle.
In der systemtheoretischen Sozialforschung steht Inklusion dem Prinzip der Exklusion gegenüber (vgl. Luhmann 1995; Stichweh 2016). Das Prinzip der Inklusion greift, wenn Individuen in soziale Systeme und Subsysteme, wie z.B. die Schule, eingegliedert werden, indem sie aktive Teilhabe daran haben. Diese Teilhabe äußert sich im Klassenzimmer laut Stichweh ausschließlich durch kommunikative Interaktion (Stichweh 2016: 10). Bereits durch Beachtung, Nichtbeachtung oder Anrede des einzelnen Individuums treten Haltungen zutage, an denen Inklusion gelingen bzw. scheitern kann (ibid.).
In einem sprachlich heterogenen Klassenzimmer werden solche Haltungen durch die Miteinbeziehung oder Marginalisierung aller im Klassenzimmer vorhandenen Sprachen umso klarer. Soll im Unterricht Inklusion gelingen, bedarf es der aktiven Teilhabe aller Individuen und ihres gesamten sprachlichen Repertoires. Damit sind auch Dialekte und Soziolekte, Minderheiten- und Randsprachen sowie Herkunftssprachen gemeint. Um dem Individuum die Möglichkeit zu geben, seiner gesamten Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen, bedarf es der Akzeptanz und Wertschätzung seines sprachlichen Reichtums. Heterogenität und insbesondere sprachliche Heterogenität dürfen nicht als Problem verstanden werden, sondern als Glücksfall und Bereicherung, welche die sprachliche und kulturelle Partizipation aller am Bildungssystem Beteiligten ermöglicht.