Читать книгу Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit - Gisela Mayr - Страница 19
2.4.2 Curriculare Verankerung von Mehrsprachigkeit
ОглавлениеEs sollen in der Folge zwei Ansätze zur mehrsprachigen curricularen schulischen Planung vorgestellt werden, die aufgrund ihrer Anlage für die vorliegende Studie von großer Relevanz sind, da auch diese einen Versuch darstellt, Mehrsprachigkeit curricular zu verankern. Zunächst wird auf Krumm/Reich eingegangen, der Spracherwerb und Mehrsprachigkeit als persönlichkeitsstiftend betrachtet und daher erstmals sprachbiographische Aspekte in ihrer Relevanz für den Unterricht anerkennt (Reich & Krumm 2013: 92). Anschließend wird auf Hufeisens „Gesamtsprachenkurrikulum“ eingegangen, ein Instrument für systematische mehrsprachige Schulplanung. Beide Ansätze beinhalten Kernaspekte der curricularen Verankerung von Mehrsprachigkeit wie er dieser Studie zugrunde liegt und bedürfen daher einer eingehenden Erläuterung.
Die curriculare Verankerung von Mehrsprachigkeit verfolgt zunächst das Ziel, sprachliche Bildung im Sinne von Mehrsprachigkeit zu erweitern. Das von Krumm/Reich ausgearbeitete Curriculum Mehrsprachigkeit ist ein erstes Instrument, mit dem Mehrsprachigkeit konkret im schulischen Alltag umgesetzt werden kann (Reich & Krumm 2013). Dabei steht hier die Erweiterung des traditionellen Sprachenunterrichts im Fokus. Dieser soll laut Krumm/Reich durch eine Reihe von Bereichen erweitert werden, die ein umfangreicheres Verständnis von Sprachenlernen implizieren (ibid.: 16f.). Dazu gehören die Berücksichtigung und Weiterentwicklung persönlicher Sprachenprofile, die Vermittlung eines facettenreicheren Bildes der Wirklichkeit und, damit einhergehend, Vielseitigkeit und globale Gültigkeit des Gelernten All dies ist eingebettet in ein Verständnis von Sprachenlernen, das die Persönlichkeitsentwicklung des Einzelnen in den Mittelpunkt stellt und den Lernprozess in der Persönlichkeit des Einzelnen verortet (ibid.: 18f.). Daher ist es wichtig, einen Bogen zwischen der Sprachbiographie jedes einzelnen und dem Unterrichtsvorhaben zu spannen und beides konstruktiv in den Unterricht einzubauen. Es handelt sich bei diesem Dokument um Rahmenvorgaben für die Vernetzung und Erweiterung des Sprachenunterrichtes im Sinne einer mehrsprachigkeitsdidaktischen Ausrichtung (Reich & Krumm 2013: 2ff.), die sich am Prinzip eines inklusiven schulischen Handelns orientiert.
Das Gesamtsprachencurriculum von Hufeisen geht einen Schritt weiter, es versteht sich als konzeptionelle Grundlage zur curricularen Umsetzung von Mehrsprachigkeit im Unterricht (Hufeisen 2011a/b, 2015, 2016). Das Modell/der Prototyp gibt genaue Anweisungen zur Fächer- und Stundenverteilung, zum „planvolle[n], systematische[n] und strukturierte[n] Einbezug von mehr Sprachen, mehr Sprache in allen Fächern und über alle Fächer hinweg“ (Allgäuer-Hackl et al. 2015: 9). Merkmale dieses Prototyps sind laut Hufeisen (Hufeisen 2011a: 10):
1 | Unterricht in der Umgebungssprache als L1 |
2 | Unterricht in modernen oder klassischen Fremdsprachen, aber auch Herkunfts- und Minderheitensprachen. |
3 | Intensive DaZ-Förderung für SchülerInnen, für die Deutsch L2 ist |
4 | Herkunftssprachenunterricht |
5 | CLIL für den Sachfachunterricht |
6 | Jahrgangsübergreifender Unterricht von Fächern und Sprachen |
7 | Projektunterricht |
Tab. 2.3.
Ziel ist dabei die Vernetzung von Sprach- und Sachfächern, um die Lernzeit für beides durch sprachübergreifendes Lernen effizienter zu gestalten (Hufeisen 2016: 170). Selbst Hufeisen gesteht ein, dass eine derart radikale Veränderung des schulischen Systems nur auf der Mikroebene der einzelnen Entscheidungsträger vollzogen und nicht von oben herab anbefohlen werden kann. Hufeisen räumt ein, dass Initiativen, im Bereich der Schulentwicklung ein Gesamtsprachencurriculum zu entwerfen bzw. curriculare Mehrsprachigkeit einzubauen, Zeit brauchen. Es muss mit „beträchtlichem Beharrungsvermögen von Etabliertem, Traditionellem und immer schon Dagewesenem gerechnet werden, so dass man beim Versuch, Schule gesamtcurricular zu entwickeln, einen langen Atem haben muss“ (ibid.: 172).
Sowohl das Curriculum Mehrsprachigkeit als auch das Gesamtsprachencurriculum sind Ansätze, die die systematische Implementierung von Mehrsprachigkeit und den Umgang mit Sprachenvielfalt an Schulen vorantreiben. Ersteres übernimmt stützende Funktion, indem sprachübergreifende und sprachsensibilisierende Maßnahmen in den Sprachunterricht aufgenommen werden. Letzteres sieht die Umstrukturierung des gesamten Sachfach- und Sprachunterrichtes vor, indem stufenübergreifend mehrsprachiger Unterricht vorgesehen ist. Dies ist ein klarer Bruch mit der traditionellen Strukturierung schulischen Unterrichts, der aufgebrochen werden müsste, um für den Alternativvorschlag Platz zu machen. Eine derart radikale Umstrukturierung findet, wie von Hufeisen eingestanden, nicht leicht ihren Weg von der Theorie in den schulischen Alltag, weshalb auch bis jetzt keine systematischen Umsetzungsversuche in diese Richtung bekannt sind.
Das vorliegende Projekt versteht sich auch als ein Vorschlag, durch modulare Anlegung mehrsprachigen Unterricht curricular zu verankern. Es lässt sich zwischen den beiden vorhergehenden Ansätzen verorten. Die modulare Gestaltung des Projektes macht sich Freiräume im curricularen Unterricht zunutze, um mehrsprachigkeitsdidaktisch arbeiten zu können, hat aber keine so einschneidende Auswirkungen wie das Gesamtsprachencurriculum und stellt daher eine Möglichkeit dar, wie dieses schrittweise in den schulischen Alltag integriert werden kann. Gleichzeitig geht es einen Schritt weiter als Krumms Curriculum Mehrsprachigkeit, indem es nicht von theoretischen Prämissen ausgeht, die in den Unterricht eingebaut werden sollten, sondern es werden modular gestaltete Unterrichtseinheiten in den Regelunterricht eingebaut und die Lernprozesse erhoben. Es handelt sich also nicht um eine einmalige Durchführung mehrsprachiger Module nach der Komplexen Kompetenzaufgabe mit dem ausschließlichen Ziel, Daten zur Entwicklung mehrsprachiger kommunikativer Kompetenzen zu erheben, sondern um ein Schulprojekt, das die Implementierung und curriculare Verankerung dieser Form des modularen mehrsprachigen Unterrichts im Sinne des MSCS (Mehrsprachencurriculum Südtirol) vorsieht (cf. 5.2.). Durch die modulare Gestaltung können diese Einheiten ergänzend zum traditionellen Unterricht eingebaut werden, um Lernprozesse zu initiieren, die sich ausschließlich in einem mehrsprachigen Setting entfalten können. Dieser Kompetenzzuwachs und die damit einhergehenden Lernprozesse können auf den Regelunterricht übertragen werden und so nicht nur lernfördernd und -beschleunigend wirken, sondern auch zur Persönlichkeitsentfaltung der Lernenden beitragen. Daher werden diese Lernprozesse in der vorliegenden Studie untersucht und eine erste modellhafte Zusammenschau entworfen. Dadurch stellt es eine mögliche Umsetzung des MSCS dar.