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Kapitel 5

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Siegfried Heine rührte in seinem Kaffee und schaute immer wieder zur Uhr. Wo bleibt er nur, dachte er und schaute sich besorgt um. Draußen begann es zu regnen. Viele Menschen spannten ihre Schirme auf, um sich vor dem warmen Frühsommerregen zu schützen. Es war zurzeit viel los in Wien. Die Urlaubszeit brach an und brachte regelrechte Besucherströme in die Stadt. Wohin man auch sah, es wimmelte von fotografierenden Touristen. Die Museen waren so voll, dass sich Schlangen an den Kassen bildeten. Die Wiener Kutschfahrer machten das Geschäft Ihres Lebens. Die Luftballonverkäufer am Prater ließen die Herzen der Kinder höher schlagen. Mit dem einsetzenden Regen strömten die Menschen nun über die Franzensbrücke über dem Donaukanal in Richtung Innenstadt.

Heine genoss es, in den kleinen Cafés seiner Heimatstadt die Touristen zu beobachten. Menschen verschiedenster Couleur in jedem Alter waren hier zur Sommerzeit vertreten. Touristen aus den USA, Studenten aus ganz Europa. Alles trifft sich in Wien, stellte er stolz fest. Während er seine Tasse Kaffee austrank, betrat ein hochgewachsener Mann das Café. Heine erkannte ihn. Er sieht müde aus. Bestimmt der Jetlag, dachte Heine. Er hob die Hand und winkte den Mann zu seinem Tisch.

Mark Madsen war in der Tat müde. Nach intensiven Vorbereitungen war er gestern Abend in Wien gelandet. Nach einem ausgedehnten Abendessen hatte er versucht, früh zu schlafen, fand aber keine Ruhe und lief lange Zeit rauchend im Hotelzimmer auf und ab. Madsen wollte noch am heutigen Tag nach West-Berlin fliegen, um dort noch ein wenig auszuruhen, bevor er mit aller Kraft seiner neuen Aufgabe nachging.

Er schaute sich kurz um, entdeckte Heine und ging zielstrebig auf den Tisch zu. Heine stand auf und reichte Madsen die Hand.

»Hallo Mark, schön dass du da bist.« Madsen ergriff die Hand und lächelte den Österreicher an.

»Hallo Siegfried, ich hoffe, ich habe dich nicht zu lange warten lassen. Es ist ganz schön was los in der Stadt.«

Die Männer setzen sich.

»Ja, der Sommer steht vor der Tür. Die Urlaubszeit bricht an, und ich glaube nicht, dass es in den nächsten Monaten anders wird. Ich genieße es, die vielen Menschen zu beobachten. Aber reden wir von dir. Ich freue mich wirklich sehr, dich zu sehen. Ist hier alles in Ordnung? Hotel? Restaurants? Wenn du Hilfe brauchst, sag es mir einfach.«

Madsen winkte ab.

»Alles bestens. Wirklich. Ich fliege sowieso heute noch nach Berlin.«

Der Kellner kam und nahm ihre Bestellung auf. Heine orderte einen weiteren Kaffee, während der US-Amerikaner einen Cappuccino wählte. Als der Kellner sich entfernte, kam Madsen zur Sache.

»Unsere Leute sind sehr unruhig. Nicht nur, dass bei den Sowjets irgendetwas vor sich geht, auch unsere Agenten in der DDR fliegen neuerdings reihenweise auf. Deswegen bin ich hier. Du hast die Aufgabe, einen neuen Agenten, möglichst in der Nähe von Berlin wohnend, zu rekrutieren. Tarne das Ganze als Urlaub. Reise nach Ungarn oder Bulgarien. Finde jemanden, bilde ihn ordentlich aus und dann informiere uns. Den Rest machen wir wieder. Du hast in der Vergangenheit schon mehrfach deinen guten Instinkt bewiesen, wenn es um das Anwerben geht. Die Kosten trägt wie immer die Firma.«

»Was geht denn in der UdSSR vor? Kannst du mir Näheres sagen?«

Madsen trank einen Schluck und nickte.

»Unsere Leute in Moskau erzählen von enormen Truppenbewegungen. Die offizielle Verlautbarung deutet auf Manöver-Vorbereitung. Allerdings ist es im Nachbarstaat Afghanistan momentan auch sehr unruhig. Unsere Analytiker sehen einen Zusammenhang. Bislang haben sich die Sowjets zurückgehalten, obwohl der afghanische Regierungschef ihnen dauernd in den Ohren liegt und Unterstützung anfordert. Seit der Ermordung Mohammed Daoud Khans und seiner Familie gleicht Afghanistan einem Pulverfass. Die CIA unterstützt seit Jahren die Revolution, um die Demokratie und westliche Denkweise durchzusetzen. Mit einer vermeintlichen Einflussnahme der Sowjets wäre unsere jahrelange Arbeit zerstört. Deswegen brauchen wir so viele Informationen wie möglich. Wo bewegt der Russe etwas, werden Truppen verlegt? Das ist die große Frage. Unsere Analytiker übernehmen dann den Rest.«

»Was hat der Neue für Aufgaben?«

»Er soll lediglich beobachten. Er soll hier und da mal einen Blick auf die sowjetischen Stützpunkte werfen und melden, was auffällig ist. Eventuelle Truppenbewegungen, Mannschaftstärken, Fahrzeuge zählen und so weiter. Wir wissen beide, wie stark die sowjetischen Truppen an der deutsch-deutschen Grenze vertreten sind. Aber im Grunde genommen steckt hinter den Aufgaben nichts Wildes, völlig ungefährlich. Der Mann begibt sich also keinesfalls in Lebensgefahr oder bekommt irgendwelche Mordaufträge. Dafür haben wir Spezialisten. Das Ganze läuft unter dem Codenamen Heinz Friedrich.«

Heine nickte.

»Da sehe ich kein Problem, etwas Passendes zu finden. Ich melde mich bei dir, sobald ich zurück bin.«

Die Männer tranken ihren Kaffee aus. Als Heine zahlen wollte, winkte der Amerikaner ab.

»Geht auf Kosten der Firma.«

Er stand auf und schüttelte Heine die Hand.

»Viel Glück, Siegfried. Wir brauchen dringend Leute in Ost-Berlin, also versuche alles in deiner Macht Stehende, um neue Agenten auszubilden. Und vergiss bitte nicht, dass die Sache unserem Präsidenten sehr am Herzen liegt.«

Heine nickte.

»Keine Bange. Du sollst einen gut ausgebildeten Mann bekommen. Und danach suche ich weitere Kandidaten.«

Madsen drehte sich um und ging zur Theke, bezahlte und verließ anschließend das Cafe. Heine wartete einen Moment und ging dann ebenfalls.

Vor der Tür sog er die warme Frühlingsluft ein. Es wird Sommer, dachte er. Herrlich.

Im Auftrag des Feindes

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